Interessante neue Produkte - Zugriff für PC-Handel jedoch schwierig

16.09.1999

BERLIN: Die 75. Internationale Funkausstellung in Berlin ist zu Ende. Zum ersten Mal stand vom 25. August bis zum 5. September 1999 nicht die Unterhaltungselektronik im Vordergrund der Messe, sondern vor allem die multimediale Vernetzung der verschiedensten Geräte. Doch nicht alle neuen Produkte werden sich bald in den Regalen der PC-Händler finden.Genau betrachtet, gab es auf der Internationalen Funkausstellung kaum einen der 849 Aussteller aus 36 Ländern, der nicht ein multimediataugliches Produkt oder die passende Anwendung aus dem Hut zauberte. Im Gegensatz zu vergangenen Jahren, in denen sich die Messe als reine Veranstaltung für Unterhaltungselektronik und als große Bühne für Funk und Fernsehen verstand, waren 1999 Produkte mit PC-Technik im Hintergrund die Highlights unter dem Berliner Messeturm.

Der vernetzte Haushalt kommt

Betrachtet man die Technik- und Design-Studie eines digitalen Home-Entertainment-Netzwerkes, die Sony zeigte, dann sieht unser Zuhause von morgen wie folgt aus: Ein großer Bildschirm (Röhre oder Plasma) dient als zentrales Eingabe- und Wiedergabemedium. Mit ihm verbunden ist eine Settop-Box, die neben dem Empfang auch die Aufzeichnung von digitalen Fernseh- oder Radioprogrammen ermöglicht. Weitere Komponenten, wie etwa eine digitale Video- oder Fotokamera, zusätzliche Audiogeräte oder PC-Produkte, werden komplett über I-Link- (IEEE-1394/Firewire-) Schnittstelle untereinander verbunden. Dem vernetzten Haushalt soll in einem zweiten Schritt die Verbindung zu externen Entertainment- oder Informationsangeboten wie Digital-TV oder Internet eröffnet werden. Informationsanbietern wird so laut Sony die Entwicklung neuer Angebote ermöglicht, die auf analogem Weg bisher nicht zu realisieren waren. Der Verbraucher erhält im Gegenzug die Möglichkeit, Informationen und Unterhaltung gezielt und einfacher als bisher auszuwählen. Sony zeigte das System in einem seriennahen und durchaus überzeugenden Status.

TV und PC kommen sich näher

Auch andere Hersteller zeigten neue Formen von kombinierter TV- und PC-Technik. Neben dem Hersteller Loewe, der mit seinem "Xelos

@media"-TV (Kombination aus Design-TV mit integriertem PC

und Online-Zugang) nun weitere Geräte mit PC-Technik ausliefert, zeigte Philips vielleicht das Synonym für das Zusammenwachsen der beiden Produktgruppen: Ein neuartiges intelligentes Videoaufzeichnungssystem, welches gemeinsam mit dem Serviceanbieter Tivo entwickelt wurde. Hinter der Bezeichnung "Personal TV Re-

ceiver" steckt ein Festplattenrekorder, welcher, gefüttert mit persönlichen Daten über Lieblingssendungen, -Schauspieler oder -Sportarten, dafür sorgt, daß keine interessante TV-Ausstrahlung mehr verpaßt wird. Bis zu 30 Stunden Material können in Mpeg2-Qualität auf einer 30 Gigabyte großen Festplatte abgelegt und jederzeit komfortabel per Bildschirmmenü abgerufen werden. Ist die Platte voll, wird die älteste Aufzeichnung automatisch gelöscht. Das in den USA bereits erfolgreich eingeführte System wird zusätzlich an das Telefonnetz angeschlossen - hierüber holt sich das Gerät die Informationen, um alle dem eingegebenen Persönlichkeitsprofil entsprechenden Sendungen und Filme termingerecht aufnehmen zu können. Das Produkt startet für rund 1.000 Mark zum Jahresende.

Der PC-Handel bleibt (vorerst) aussen vor

Bei vielen neuen Produkten schaut der PC-Fachhandel vorerst in die Röhre. Beispiel "Metabox": Gehört der Wiederverkäufer nicht der PC-Schiene der Fachhandelskooperation EP:Electronic Partner an, kommt er an die Internetbox für den heimischen TV nicht heran. "Mittelfristig planen wir auch die Vermarktung über die PC-Kanäle", erklärt Produktmanager Kai Korbel. "Im ersten Schritt werden wir das Produkt jedoch ausschließlich über den Unterhaltungselektronik-Fachhandel anbieten." Nach Angaben von Korbel werden die verschiedenen Versionen der Metabox frühestens zum Jahresende über die gängigen PC-Distributoren verfügbar sein.

Nicht viel anders sieht es bei dem neuen MP3-Player "Yepp" von Samsung aus. Auch er soll anfangs nur im UE-Handel zu finden sein. "Wir sind gerade dabei, uns strategisch neu auszurichten. Dazu gehört auch, zukünftig neue Handelskanäle mit einzubinden", lautet dazu die schwammige Aussage von Samsung-Produktmanager Martin Christmann. Tröstlich für die PC-Fraktion: Der ebenfalls von den Koreanern gefertigte MP3-Ableger "Nomad 32" wird von Creative Labs vertrieben.

Überhaupt waren MP3-Geräte an vielen Ständen zu besichtigen. Wie es jedoch um die Chancen im deutschen Markt bestellt ist, konnte keine der Parteien genau beziffern. "Über den Erfolg von MP3 werden die Kids entscheiden", lautete die Aussage eines Unternehmenssprechers.

Erstmals Spieleanbieter auf breiter Front

Erstmals präsentierten sich auch die PC-Spiele- und Konsolenhersteller in breiter Front auf der Funkausstellung. Während Sega esrtmals die Dreamcast-Konsole der Öffentlichkeit vorstellte und gleich eine Verzögerung des Marktstarts um drei Wochen bekanntgeben mußte, konzentrierte sich Erzrivale Sony auf das Ordergeschäft und konnte nach eigenen Angaben in den ersten fünf Tagen Bestellungen über 860.000 Playstations entgegennehmen.

FAZIT

Läßt man einmal außer acht, daß sich viele der gezeigten Neuheiten im Regal des PC-Handels zwar gut machen würden, sie aber erst einmal der UE-Schiene vorbehalten sind, kann die Messe für die Beteiligten größtenteils als Erfolg gewertet werden. Insgesamt strömten mit 402.539 Besuchern zwar knapp 23.000 weniger als vor zwei Jahren auf das Messegelände, und auch ein Großteil der privaten TV-Sender blieb der Veranstaltung fern. Dafür konnte ein hoher Fachbesucheranteil (150.000) registriert werden, welcher den Herstellern mit reger Ordertätigkeit in Milliardenhöhe die Auftragsbücher füllte.

Etwas schwieriger dürfte zukünftig eine bessere Unterscheidung der Messen Cebit, Cebit Home und Ifa werden, da allesamt ihre Schwerpunkte zunehmend in Richtung Consumer-Elektronik verlagern. Hier gilt es, genauere Abgrenzungen zu finden. (akl)

Geeignet zur Vermarktung über den PC-Handel, jedoch frühestens zum Jahresende über die gängigen PC-Distributoren zu beziehen: Die "Metabox" vom gleichnamigen Anbieter für den Internetzugang über den heimischen TV.

Der "Personal TV Receiver" von Philips/Tivo steht für eine neue Gerätekategorie, bei der sich PC- und TV-Technik ideal ergänzen.