Trau, schau, wem ...

"Ist er wirklich krank oder tut er nur so?"

23.07.2010
Sind Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beweisfähig? Wo Arbeitgeber nachhaken sollten.

Ist der Arbeitnehmer krank, darf er zu Hause bleiben und hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Wie steht es, wenn der Arbeitgeber trotz ärztlichem Attest Zweifel hat, ob es mit der Krankheit weit her ist. Hat er eine Chance gegen das geschriebene Wort des Arztes? Hierzu Tipps von der Haufe-Online-Redaktion.

Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich vorgesehene Nachweismittel, mit dem der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer nachweist. Einer solchen Bescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu, der aber erschüttert werden kann …

Bestreitet der Arbeitgeber trotz der vorgelegten ordnungsgemäß erteilten ärztlichen Bescheinigung die Arbeitsunfähigkeit, muss er Tatsachen vortragen, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen und dadurch den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung erschüttern (BAG, Urteil v. 19.2.1997, 5 AZR 83/96). Solche können sich

Denkbar sind Fälle,
– in denen der Arbeitnehmer den die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Arzt durch Simulation getäuscht
– oder der Arzt den Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verkannt hat.

Wurde der "Kranke" untersucht?

Besonders, wenn der Arzt die Bescheinigung ausgestellt hat, ohne den Arbeitnehmer zu untersuchen, ist die Richtigkeitsvermutung der Bescheinigung zumindest erschüttert.

Ebenso gibt eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungstag liegenden Tag sowie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit, soweit die Rückwirkung zwei Tage übersteigt, Anlass, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert anzusehen (LAG Köln, Urteil v. 17.4.2002, 7 Sa 762/01).

Die Vermutung der Arbeitsunfähigkeit kann erschüttert sein, wenn der Arbeitnehmer seine Krankmeldung für den Fall androht, dass er an einem bestimmten Tag eine gewünschte Arbeitsbefreiung nicht erhält.

Auch wenn ein Arbeitnehmer nach einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber den Betrieb verlässt und in den folgenden zwei Monaten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von fünf Ärzten dem Arbeitgeber vorlegt, die er zeitlich lückenlos jeweils wegen anderer Beschwerden konsultiert hat, erschüttert dies den Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (LAG Hamm, Urteil v. 10.9.2003, 18 Sa 721/03).

Ebenso begründen drei aufeinanderfolgende Erstbescheinigungen von zwei unterschiedlichen Ärzten, nach inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber, vorheriger Eigenkündigung samt Mitnahme sämtlicher persönlicher Gegenstände aus dem Betrieb am letzten tatsächlichen Arbeitstag, gut sechs Wochen vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (LAG Niedersachsen, Urteil v. 7.5.2007, 6 Sa 1045/05).

Medizinischen Dienst gemieden?

Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer einer Anordnung der Krankenkasse zur Untersuchung beim Medizinischen Dienst nicht nachgekommen ist oder während eines Auslandsaufenthalts seinen Rückflug verschiebt und kurze Zeit später eine ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhält, die mit dem späteren Rückflugtermin korrespondiert (LAG Hamm, Urteil v. 8.6.2005, 18 Sa 1962/04).

Schließlich kann auch das Verhalten des Arbeitnehmers während der attestierten Arbeitsunfähigkeit dazu führen, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert wird.

Beispiel: Leistet der Arbeitnehmer etwa Arbeiten in seinem eigenen Unternehmen oder bei anderen Arbeitgebern, ist der Beweiswert als erschüttert anzusehen.

Auf der anderen Seite ist ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer nicht verpflichtet, sich nur zu Hause aufzuhalten. Aus normalen Verhaltensweisen wie Einkaufen, Spazierengehen etc. sind grundsätzlich keine negativen Rückschlüsse im Hinblick auf die Arbeitsunfähigkeit gezogen werden. (oe)

Quelle: www.haufe.de/recht