iSuppli: Lenovo spielt bei den großen Jungs mit, aber zu welchem Preis?

24.08.2005
Gerade mal ein Quartal nach der offiziellen Übernahme der PC-Sparte von IBM hat der chinesische IT-Riese Lenovo Umsätze und Gewinne gesteigert, aber die Merger wie dieser sind nie billig, sagt Marktforscher iSuppli.

Gerade mal ein Quartal nach der offiziellen Übernahme der PC-Sparte von IBM hat der chinesische IT-Riese Lenovo Umsätze und Gewinne gesteigert, aber die Merger wie dieser sind nie billig, sagt Marktforscher iSuppli.

Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres (bis 30. Juni 2005) hat Lenovo mit umgerechnet 2,06 Milliarden 233,7 Prozent mehr Umsatz erzielt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der Gewinn stieg jedoch nur um sechs Prozent auf 37,56 Millionen Euro.

Pro-Forma-Ergebnisse über den PC-Umsatz verglichen mit den Einzelumsätzen von Lenovo und IBMs PC-Sparte (PCD) vom Vorjahr hat der chinesische Hersteller nicht vorgelegt. Analysten an der Wall Street schätzen aber, dass diese im Vergleich zum Vorjahresquartal von 2,7 auf 2,1 Milliarden Dollar zurückgegangen ist. Zum Teil liegen dem zwar Wechselkursschwankungen zugrunde, aber dennoch soll der Rückgang immens sein.

Im zweiten Quartal des Kalenderjahres 2005 hat Lenovo mit 3,61 Millionen verkauften PCs den dritten Platz weltweit behauptet, ohne IBM PCD wäre das ein Absatzplus von 270,6 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal des Vorjahres. Damals war Lenovo Nummer sieben im Weltranking und hat im Gesamtjahr nur 4,3 Millionen PC-Systeme verkauft.

Dell kam im zweiten Quartal 2005 auf 8,97 Millionen Stück, HP auf 7,12 Millionen, Nummer vier Acer auf 2,05 Millionen und Fujitsu-Siemens auf 1,798 Millionen Stück. Zusammen haben die Top 5 ihren Marktanteil auf 47,1 Prozent gesteigert.

Eine Kehrseite des jähen Aufstiegs zur Nummer drei ist laut iSuppli, dass der chinesische PC-Riese aus seiner bisher nur auf China und Asien begrenzten Vormachtstellung nicht mehr übersehen werden kann und plötzlich zum Angriffsziel der großen amerikanischen Konkurrenten geworden ist. Der Direktanbieter Dell zum Beispiel macht mit preisaggressiven Angeboten mächtig Druck auf Lenovo, und das ausgerechnet in China, das für den dortigen Marktführer stets als Heimspiel betrachtet wurde. Um dem zu begegnen, sah sich Lenovo in China gezwungen, acht Prozent seiner Umsätze ebenfalls im Direktgeschäft zu machen.

Eine weitere Herausforderung für Lenovo ist das komplexe Produktions- und OEM-Einkaufssystem. Ein Großteil der Produktion beider Unternehmen stützt sich stark auf Outsourcing. Während PCD zu 40 Prozent bei dem Electronic Manufacturing Service (EMS) Sanmina-SCI in Nordamerika und den Rest in einem PCD-Werk in Shenzhen nahe Hongkong, hat es die kombinierte PC-Produktion nun mit sieben Auftragsfertigern zu tun. Laufende Verträge sollen vorerst nicht angetastet werden. Die Analysten von iSuppli halten es aber für unabdingbar, dass Lenovo die Zahl der Auftragsfertiger reduziert, um Management- und Massenproduktionkosten zu sparen (Economies of Scale). Lenovo ist sich dessen offenbar bewusst und hat schon sich schon vor einem Monat auf die Fahne geheftet, bis Juni 2006 die Betriebskosten in der Lieferkette herunterzufahren.

Ein weiteres Probelm, dem Lenovo gegenübersteht, sind Qualitätsunterschiede zwischen IBM- und Lenovo-PCs. IBM hat bisher zum Beispiel nur A-Brand-Motherboards eingesetzt, während Lenovo eher auf günstige Boards von Zweitligisten zurückgreift. Qualitätsunterschiede soll es laut Lenovo auch weiterhin geben. IBMs Notebooks der ThinkPad-Familie sollen weiterhin Premium-Linie bleiben, während Lenovo-Laptops unter Value-Line laufen.

Das Loseisen der PCD von IBM kann für Lenovo aber auch positive Effekte mit Blick auf die Einkaufskonditionen für Mikroprozessoren und Core-Logic-Chipsets haben. Denn bisher hat die PCD einen Teil der Mikroprozessoren für Server von IBM selbst bezogen. Die nämliche PowerPC-Familie steht aber in dem Markt in Konkurrenz zu Intel, weshalb IBM bisher weniger günstige Konditionen von Intel einholen konnte. Marktbeobachter gehen davon aus, dass Lenovo durch das Loslösen der PCD von IBM um ein Prozent günstigere Einkaufskonditionen bei Intel herausschlagen kann. (kh)