Fachkräfte gewinnen und halten

IT-Spezialisten ins Unternehmen integrieren

04.09.2012
Eine IT-Fachkraft geht, eine neue kommt. Für viele Firmen ist das Alltag. Wie es klappt, dass das Arbeitsverhältnis nicht nach der Probezeit endet, sagt Hans-Jörg Schumacher.
Bereits die Personalauswahl kann über die Qualität der Zusammenarbeit im Unternehmen entscheiden.

Unternehmen investieren oft viel Zeit und Geld in die Suche hoch qualifizierter IT-Fachkräfte beziehungsweise -Spezialisten, denn diese sind rar und begehrt. Doch nach deren Ankunft begehen sie häufig gravierende Fehler - mit der Konsequenz, dass das Arbeitsverhältnis vielfach nach der Probezeit endet. Und Spezialistensuche? Sie beginnt von vorne.

Eine IT-Fachkraft geht, eine neue kommt. Für (IT-)Unternehmen ist dies oft Alltag - für den Neuen nicht. Für ihn beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Mit einer entsprechenden inneren Anspannung erscheint er am ersten Tag. Aber auch für die Kollegen des Neuen ist dies keine Alltagssituation. Denn sie wissen zum Beispiel nicht: Passt der Neue zu uns oder bringt er Unruhe ins Team?

Doch zweifellos ist die Anspannung beim Neuen am größten. Unter anderem aus folgenden Gründen: Er kommt als Fremder in eine Gruppe mit festen Regeln, die er noch nicht kennt. Außerdem muss er sein Können den neuen Kollegen und dem Chef erst noch beweisen. Zudem ist er mit den Arbeitsabläufen nicht vertraut. Kurz: Der Neue steht vor vielen Fragezeichen.

Begrüßung durch den Chef

Entsprechend groß ist seine Unsicherheit, selbst wenn er diese meist überspielt. Deshalb ist eine angemessene Begrüßung wichtig. Sie ist Chefsache. Der "big boss" und bei größeren Unternehmen der unmittelbare Vorgesetzte und sollten sich am ersten Tag ausreichend Zeit für ein Orientierungsgespräch mit dem "Neuen" nehmen. Nicht nur, um ihm das Gefühl zu vermitteln "Du bist für uns wichtig" und "Wir freuen uns auf dich", sondern auch, um ihn über

- die Gepflogenheiten des Betriebs,

- die an ihn gestellten Erwartungen und

- seine zentralen Ansprechpartner

zu informieren.

Solche Orientierungsgespräche finden in vielen Betrieben nicht statt. Häufig beschränken sich die Verantwortlichen darauf, den Neuen sozusagen im Vorübergehen per Handschlag zu begrüßen. Dann soll er loslegen. Meist steckt dahinter kein böser Wille. Vielmehr wird das Gespräch aus Zeitgründen stets verschoben. Und am Ende findet es nie statt. Folglich kann der Neue nur raten, was dem Betrieb beim Erledigen bestimmter Aufgaben zu beachten gilt - sei es beim Warten der Anlagen oder beim Entwickeln von IT-Lösungen oder im Kontakt mit den (internen) Kunden. Entsprechend viele "Fehler" begeht er, obwohl er ein "Spezialist für …" ist, in der Startphase und entsprechend schnell entstehen Irritationen bei allen Beteiligten. Deshalb sollte das Orientierungsgespräch möglichst früh - wenn nötig nach Feierabend - geführt werden.

Ein Orientierungsgespräch führen

Auf dieses Gespräch sollte sich der Vorgesetzte gezielt vorbereiten. Nicht nur, indem er sich stich-wortartig notiert, worüber er mit dem Neuen reden möchte, sondern auch, indem er das Info-Material zusammenstellt, das der Neue braucht. Eine gezielte Vorbereitung ist auch wichtig, weil sich der Mitarbeiter in den ersten Stunden und Tagen sein Bild darüber formt, was dem Betrieb besonders wichtig ist. Zum Beispiel eher schnell oder eher sorgfältig zu arbeiten. Oder bei Problemen eher eigenständig eine Lösung zu suchen oder Rücksprache zu halten. Dies beeinflusst sein künftiges Verhalten. Deshalb sollten gerade in der Anfangszeit an ihn die richtigen Signale gesendet werden.

Generell gilt: Neue Mitarbeiter brauchen viel Information. Denn sie kennen sie weder die innerbetrieblichen Abläufe und Zuständigkeiten, noch die Kunden und Lieferanten des Unternehmens. Also müssen sie ihnen genannt werden. Sonst sind sie orientierungslos und schnell formt sich bei Kollegen und Vorgesetzten das Bild: Ein echter Fachmann (beziehungsweise Spezialist) ist das nicht. Auf den hätten wir auch verzichten können.

Einen Einarbeitungsplan erstellen

Auch ein "Zuviel" an Information kann das reibungslose Eingliedern erschweren. Manche Betriebe decken neue Mitarbeiter in den ersten Tagen mit so vielen Detailinformationen ein, dass diese sie unmöglich speichern können. Die Folge: Der Neue muss immer wieder nachfragen, obwohl es ihm "schon hundert Mal" erklärt wurde. Dies erzeugt beim Neuen Frust und führt bei seinen Kollegen zum Gefühl: Der ist offensichtlich etwas schwer von Begriff.

Um dies zu vermeiden, sollte für neue Mitarbeiter ein Einarbeitungsplan erstellt werden, in dem definiert ist,

- in welche Arbeitsfelder der Neue wann eingeführt wird,

- welche Infos er dafür benötigt und

- wer ihm diese Infos gibt.

Ein solcher Plan erleichtert die strukturierte Weitergabe der Information. Er ermöglicht es der neuen Fachkraft auch, schnell eigenverantwortlich Arbeitsfelder zu übernehmen. Dies erhöht seine Arbeitszufriedenheit. Außerdem sehen seine Kollegen in ihm schneller einen wertvollen Partner.

Regelmäßige Treffen fest vereinbaren

In den ersten Monaten sollten auch regelmäßige Treffen zwischen dem Neuen und seinem Vorgesetzten stattfinden, bei denen sich beide darüber austauschen,

- welche Erfahrungen der Mitarbeiter bisher bei der Arbeit gesammelt hat und

- was er benötigt, um noch erfolgreicher zu arbeiten.

Solche Gespräche finden in den meisten Betrieben nicht statt. Dabei wären sie für die Unternehmen sehr fruchtbar, denn die Neuen sind noch nicht "betriebsblind". Sie haben noch einen unverstellten Blick auf die Stärken und Schwächen des Betriebs. Also können sie viele Anregungen für Verbesserungen geben. Deshalb sollte bei diesen Gesprächen in größeren Unternehmen ab und zu zumindest zeitweise neben dem unmittelbaren Vorgesetzten auch der "Big Boss" anwesend sein - auch um dem Neuen die gewünschte Wertschätzung zu signalisieren. Denn eines sollten sich Betriebe stets vor Augen führen: Je rarer und somit begehrter ein IT-Spezialist ist, umso stärker betrachtet er seine Probezeit auch als Probezeit fürs Unternehmen. Das heißt: Verfestigt sich in dieser Zeit bei ihm das Gefühl "Ich habe mich falsch entschieden", ist er, da er noch nicht emotional an das Unternehmen gebunden ist, sehr schnell zu einem erneuten Arbeitgeberwechsel bereit.

In diesen Gesprächen sollte der "Neue" auch eine Rückmeldung über seine Leistung erhalten. Dann kann er, sofern nötig, sein Verhalten korrigieren, so dass Mängel nicht automatisch zu einem Auflösen des Arbeitsverhältnisses am Ende der Probezeit führen. Denn dieser Schritt ist für das Unternehmen die teuerste Lösung. Schließlich kostet jede Fehlbesetzung nicht nur mehrere Monatsgehälter. Häufig bleiben dann gerade im IT-Bereich auch die Aufgaben, die der Neue übernehmen entweder ganz liegen oder sie werden nur zeitverzögert erledigt. Deshalb sollten Betriebe nicht nur viel Zeit in das Auswählen, sondern auch in das Einarbeiten neuer IT-Mitarbeiter investieren. (oe)
Der Autor Hans-Jörg Schumacher arbeitet als Führungskräftetrainer und -berater für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de).
Kontakt:
Tel.: 07251 989034, E-Mail: hansjoerg.schumacher@kraus-und-partner.de