Itunes-Analyse: Forrester wird abgewatscht

15.12.2006
Das amerikanische Marktforschungsunternehmen Forrester hat sich mit der Aussage, "iTunes-Umsätze brechen um 58 Prozent ein" vorübergehend auch bei Nicht-IT-Spezialisten bekannt gemacht. Allerdings um den Preis der Glaubwürdigkeit, wie die folgende Analyse zeigt.

Das amerikanische Marktforschungsunternehmen Forrester hat sich vor einigen Tagen mit der Aussage, "iTunes-Umsätze brechen um 58 Prozent ein" vorübergehend auch bei Nicht-IT-Spezialisten bekannt gemacht.

Allerdings hatte diese Aussage, wie nicht nur Apples Fangemeinde schnell und empört feststellte, einen bedenklichen Schönheitsfehler: Das zugrunde liegende Datenmaterial war nicht valide.

Das wiederum erklärte der Autor der Studie "Few iPod Owners are Big iTunes Buyers", Josh Bernoff, wobei er sich, wie so oft in solchen Fällen, missverstanden fühlt.

Tatsache ist: Die von Forrester zugrunde gelegte Befragungsgröße - 4.000 Befragte - stellte sich schnell als falsch heraus. Zwar hatte der Marktforscher die Kreditkartenabrechnungen von rund 4.000 Amerikanern dahingehend untersucht, ob und wann und wieviel sie in Apples "iTunes"-Musicstore eingekauft hatten. Doch da nur 181 von ihnen als iTunes-Kunden klassifiziert werden konnten, sind daraus abgeleitete Aussagen kaum als seriös zu bezeichnen.

Das weiß Bernoff, und er weiß auch, dass er mit diesem Wissen nicht allein ist. Entsprechend schränkte er die Ergebnisse seiner Untersuchung öffentlich ein - nachdem zum Beispiel die Apple-Aktie um drei Prozent gefallen war, und in diversen Blogs, etwa hier, die Aussagen des Marktforschers gründlich widerlegt worden waren.

In der Tat machte Bernoff in der Studie etliche Einschränkungen. Etwa folgende: "Basierend auf Datensätzen aus nur zwei vollen Jahren ist es zu früh, um zu sagen, ob dieser Rückgang jahreszeitlich bedingt war oder ob der Markt der Musikdownloads gesättigt ist."

Allerdings sind gerade diese Faktoren nicht neu. Unregelmäßige, saisonal bedinget MP3-Downloads prägen seit Beginn die kommerziellen Musikbörsen, und dass 60 Millionen verkaufte Ipods bei rund einer Milliarde iTunes-Downloads nicht gerade viel sind, ist auch kein Geheimwissen.

Was also wollte Bernoff nun sagen? Dass die Umsätze der kommerziellen Musikläden in den USA allgemein zurückgehen? Das ist so: Während im ersten Quartal 2006 noch 144 Millionen Downloads gezählt wurden, waren es im zweiten und dritten nur noch 137 Millionen. Davon entfallen in den USA laut Apple immerhin 88 Prozent aller Online-Musik-Käufe auf iTunes.

Wenn aber Bernoff nur eine Online-Trend skizzieren wollte - bei dem er merkwürdigerweise nicht analysiert, dass es genügend Musikhörer gibt, die sich unwillig bis schaudernd von dem mit Millionen Marketing gepushten Mainstream-Gedudel abwenden und auf weniger bekannte, dafür um so erfreulichere kleiner Musikbörsen ausweichen? Auch dann bleibt sein Datenmaterial sehr dünn.

Vielleicht wollte er aber der Musikindustrie, die seit Jahren fallende Umsätze beklagt und in den vergangenen fünf Jahren einen Rückgang der CD-Verkäufe um 20 Prozent hinnehmen musste, ins Stammbuch schreiben, dass kopiergeschützte Musik einfach nicht geliebt wird?

Das legen einige Passagen seiner Studie immerhin nahe. In diesen vergleicht er das Kaufverhalten von CD-Käufern mit dem von Download-Käufern und kommt zum Schluss, dass CD-Käufer in den USA online durchschnittlich 1,7 CD pro Quartal kaufen und dafür 14 Dollar ausgeben, während für Downloads geschützter Musiktitel im Apples DRM-Shop "Itunes" erheblich weniger Geld ausgegeben wurde. Im Schnitt zeichneten Online-Besteller im Jahr für drei Transaktionen verantwortlich, wobei der Wert der Trasnaktionen beui unter drei Dollar lag. Lediglich 3,2 Prozent der Online-Besteller sorgten für größere Bestellungen, doch auch deren 5,6 Transaktionen sind nicht gerade viel Holz.

Doch wenn es dem Analysten um dieses gewiss interssante Thema gegangen wäre, warum hängt er das Thema bei Apple beziehungsweise iTunes auf?

So bleibt die Vermutung, dass Bernoff vor allem eine medienwirksame Spur, hin zu Forrester, seinem Arbeitgeber, legen wollte. Das ist ihm zweifellos gelungen - allerdings war er bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen: den der Glaubwürdigkeit. (wl)