Interview mit Bettina Kern

Kannibalisiert der Lenovo-Shop den Fachhandel?

08.02.2012 von Beate Wöhe
Nach dem Start in Großbritannien ging Lenovo im März 2011 auch in Deutschland mit einem direkten Webshop an den Start. Vor allem das Geschäft mit Kleinunternehmen und Consumern sollte durch den Shop angekurbelt werden. ChannelPartner sprach mit Bettina Kern, Director Channel Sales Deutschland und Österreich bei Lenovo, über die Entwicklungen des Online-Shops und im Partnergeschäft.

Nach dem vorangegangenen Start in UK ging Lenovo im März 2011 auch in Deutschland mit einem direkten Webshop an den Start. Vor allem das Endkundensegment sollte durch das Direktgeschäft angekurbelt werden. ChannelPartner sprach darüber mit Bettina Kern, Director Channel Sales Deutschland und Österreich bei Lenovo. Ein weiteres Thema war der weitere Ausbau des Partnergeschäfts.

Ein großer Hersteller mit einer starken (IBM-)Channel-Historie entschließt sich, für seine Kunden einen Direkt-Shop im Internet zu eröffnen. Frau Kern, Ist das für die Verantwortlichen des Channel-Vertriebs nicht ein Schlag in die Magengegend?

Foto: Lenovo

Bettina Kern: Der Webshop machte im vergangenen Quartal 2,5 Prozent des Gesamtgeschäftes in Deutschland und Österreich aus. Das ist eine überschaubare Größe.

Sie haben trotzdem keine Angst, dass der Shop mit zunehmender Bekanntheit und zusätzlichen attraktiven Angeboten das Partnergeschäft kannibalisieren könnte?

Kern: Wir haben uns vor allem in der Anfangszeit viele Gedanken darüber gemacht, wie wir den Shop positionieren und mit welchen Produkten wir ihn ausstatten. Daher entschieden wir uns unter anderem dafür, dass die Kunden über diesen Weg nicht mehr als 5 Maschinen bestellen können. Außerdem befinden sich auch keine Topseller-Produkte im Shop. Und um nicht in Wettbewerb zu den Channel-Preisen zu treten, überprüfen wir jede Woche die Angebote im Shop und gleichen, wenn nötig an.

Aber wer kauft dann überhaupt im Shop, wenn die Produkte nicht günstiger sind und es im Vorfeld, auch bei hochwertigen Produkten, keine persönliche Verkaufsberatung gibt.

Kern: Dort kaufen zum Beispiel Endkunden extreme Highend-Modelle der ThinkPad T-, W- und X-Serien, die sie sich nach ihren eigenen Wünschen konfigurieren. Das war auch unser Konzept. Es gibt Kunden, die Online kaufen wollen und für ihre spezielle Konfiguration auch bereit sind, mehr zu bezahlen. Das sind oft spezielle Kunden, die wir sonst nicht erreichen würden.

Oder solche, die sonst auch zu einem Lenovo-Partner gehen könnten.

Kern: Es ist nach wie vor ganz klar unsere Strategie, dass wir diesen zusätzlichen Kanal aufgemacht haben, weil wir der Meinung sind, dass die Endkunden das von uns erwarten. Wir haben kein Interesse daran, mit einem Umsatzanteil von 2,5 Prozent, das, was wir im Channel aufgebaut haben, zu zerstören.

Auf welche Entwicklungen können Sie in diesem Zusammenhang in Ihrer Partnerregion Deutschland und Österreich zurückblicken?

Kern: Wir hatten vor allem im 2. Halbjahr 2011 eine sehr gute Umsatzentwicklung, was auch auf die gestiegene Anzahl an neuen kaufenden Tier 2-Partnern zurückzuführen ist.

Was hat zu diesem Partnerzuwachs geführt?

Kern: Zum einen haben wir Programme über die Distribution aufgesetzt und zusätzlich im 4. Quartal das Lenovo Loyalty Program angekündigt. Es zielt speziell auf die Fachhändler ab, die bei uns keinen Premium-Status haben. Sie erhalten innerhalb dieses Programms ab dem Kauf von 10 Maschinen pro Quartal ein Kickback. Unser Ziel ist es, diese Fachhändler darüber in unser Partnerportal zu überführen und sie weiterzuentwickeln.

"Das eine oder andere Produktsegment wird nicht so stark wahrgenommen."

Die Produktvorstellungen seitens Lenovo sprechen seit rund einem Jahr vorwiegend Consumer-Kunden an. Welche Produkte bleiben noch übrig, mit denen Systemhäuser und Fachhändler im Business-Segment antreten und sich damit weiterentwickeln können?

Kern: Mit dem kompletten Think-Portfolio. Darin sind enthalten: Notebooks, Desktops, Workstations, Server, Monitore und All-in-one-PCs. Wir verfügen über das komplette Portfolio - aber das eine oder andere Produktsegment wird nicht so stark wahrgenommen.

Wahrgenommen wird dagegen der stetige Aufstieg von Lenovo im weltweiten PC-Markt. Wo platziert sich der Hersteller in diesem Zusammenhang im Deutschen Markt?

Kern: Laut den aktuellen IDC-Zahlen für das vierte Quartal 2011 rangiert Lenovo in Deutschland in der Gesamtmarkt-Performance mit 13,8 Prozent Marktanteil hinter Hewlett-Packard und Acer an dritter Position. Im Commercial-Segment besetzen wir mit 12,9 Prozent Marktanteil nach HP, Dell und Fujitsu den vierten Rang. Im Commercial Notebook-Segment besetzen wir mit 14,8 Prozent Marktanteil den zweiten Platz hinter HP. Wir sind mit der Entwicklung, die wir in Deutschland sehen, sehr zufrieden.

Erwarten Sie eine Umstrukturierung in der Partnerorganisation, nachdem der ehemalige Acer-Chef Gianfranco Lanci nun EMEA-Chef von Lenovo ist, oder glauben Sie, dass durch den Fokus auf das Consumer-Geschäft dieser Bereich nicht angetastet werden wird?

Kern: Ende März werden wir in unserem internen Kickoff die Strategie für unser neues Geschäftsjahr und die damit zusammenhängende Aufstellung der Organisation erfahren. Diese Informationen sowie das geplante Produkt-Lineup werde ich dann Ende April an unsere Partner weitergeben. (bw)