Corel Aftershot Pro 3

Keine Alternative zu Adobe Lightroom

09.06.2016 von Markus Schelhorn
Corel möchte Aftershot Pro als Konkurrenz zu Adobe Lightroom positionieren. Das schafft das Programm allerdings nicht, wie unser Test zeigt.

Corel Aftershot Pro (ehemals Bibble) möchte ein ernst zunehmender Konkurrent zu Adobe Photoshop Lightroom sein. Und in einigen Bereichen merkt man Corel Aftershot Pro an, das Lightroom diesem Programm als Vorlage dient. Eine Steilvorlage für uns, dieses Programm direkt mit Lightroom zu vergleichen. Wir schauen uns den normalen Workflow bei der Bildbearbeitung an, vom Import, Verwaltung, Bildkorrektur bis hin zur Ausgabe. Für jede Disziplin vergeben wir Punkte und küren zum Schluss den Sieger.

Corel Aftershot Pro 3
Foto: Markus Schelhorn

Die Geschwindigkeit im Vergleich

In seiner Pressemeldung zur neuen Version Aftershot Pro 3 hebt Corel vor allem die bessere Geschwindigkeit gegenüber Lightroom hervor. Und tatsächlich kann hier Corel Aftershot Pro 3 punkten. Das ist allerdings keine besonders hohe Herausforderung, da Lightroom bei der Verwaltung von RAW-Dateien bekanntermaßen behäbig und Resourcen-hungrig ist. In unserem Test dauert der Export von 16 unbearbeiteten RAW-Bildern als Tiff / 8 Bit mit Lightroom 25 Sekunden und mit Aftershot gerade mal 6 Sekunden. Allerdings bietet Lightroom die bessere Bildqualität. Auffällig ist dies, wenn man die Hauttöne direkt miteinander vergleicht.

Dieser Geschwindigkeitsvorteil relativiert sich allerdings, wenn man eine ganze Serie von Fotos mit Sternen bewerten möchte: Während das Navigieren durch die Fotos ohne jede weitere Aktion wirklich flott geht, dauert es doch ein, zwei Sekunden, bis man nach der Sterne-Vergabe eines Fotos zum nächsten Foto wechseln kann.

Aftershot 2:1 Lightroom

Die Sytemanforderungen im Vergleich

Corel Aftershot gibt es für Windows, Mac-OS X und sogar Linux. Lightroom dagegen nur für Windows und OS X und als Ergänzung zur Abo-Version für iOS und Android. Die Systemanforderungen von Aftershot sind vergleichsweise gering: Windows 7, ein 64-Bit-fähiger Prozessor (AMD oder Intel) und 2 GB Arbeitsspeicher. Für Mac-Anwender: Mindestens OS X 10.9 und ebenfalls 2 GB Arbeitsspeicher. Lightroom ist laut Datenblatt nur geringfügig anspruchsvoller und setzt bei sonst gleichen Anforderungen wie Aftereffects einen 64-Bit-fähigen Mehrkernprozessor voraus.

Aftershot 1:1 Lightroom

Dateiverwaltung

Möchte man Fotos in Adobe Lightroom organisieren, muss man diese zunächst dem Lightroom-Katalog zufügen. Und hier bietet Lightroom zwei verschiedene Möglichkeiten der Organisation an: Entweder greift man direkt auf die Dateistruktur zu (Ordner) oder nutzt eine Lightroom-eigene Struktur (Sammlungen). Das ist anfangs etwas verwirrend, doch hat man sich an diese Logik gewöhnt, kann man seine Bilder gut und effizient verwalten.

Bei Aftershot Pro braucht man dagegen die Bilder nicht zwingend einem Aftershot-Katalog zufügen. Diese lassen sich direkt aus dem Dateisystem öffnen und sofort bearbeiten. Möchte man allerdings dem Bild Schlagwörter zufügen, muss es doch noch in die Aftershot-Bibliothek importiert werden.

Bilder kann man mit Aftershot und Lightroom nach Sternen bewerten und farblich markieren. Auch eine Abgelehnt-Flagge lässt sich setzen. Nach diesen Kriterien kann man in beiden Programmen die Bilder filtern. Beispielsweise lassen sich so nur die Bilder mit mindestens 3 Sternen anzeigen. Lightroom bietet darüber hinaus die Möglichkeit, beispielsweise nur die Bilder anzuzeigen, die beispielsweise mit einem bestimmten ISO-Wert oder einer bestimmten Blendenöffnung aufgenommen wurden. So kann man schnell eine eigene Vorgabe zur Rauschreduzierung auf die Bilder mit hohem ISO-Wert anwenden. Das ist mit Corel Aftershot nicht so leicht möglich: Hier lassen sich nur alle Bilder nach diesen Kriterien sortiert anzeigen, beispielsweise zuerst die Bilder mit hoher ISO-Zahl bis hin zu den Bildern mit geringstem ISO-Wert.

Aftershot 1:2 Lightroom

Bildkorrekturen

Die Stärke von Lightroom sind die vielfältigen Bearbeitungsmöglichkeiten eines Fotos. Und hier kann Aftershot Pro 3 nicht ganz mithalten. Die Grundkorrekturen unterscheiden sich zwar kaum von den Möglichkeiten, die Lightroom bietet und die Bildkorrekturen eines Fotos kann man wie von Lightroom gewohnt auch auf andere Bilder übertragen. Auch eine Schwarzweiß-Umsetzung und individuelle Anpassungen der Farben (bei Lightroom HSL) lassen sich mit Aftershot dank vorinstallierter Plug-ins gut anwenden. Objektivfehler kann das Programm ebenfalls korrigieren, dazu gibt es eine gute Grundauswahl an Profilen für die gängigsten Kameras und Objektive. Zudem lassen sich beispielsweise Farbränder und Vignetten manuell anpassen. Ein kleiner Wermutstropfen: Man kann keine eigenen Gradationskurven speichern. Allerdings kann man sich damit behelfen, eigene Gradationskurven als eine Extra-Vorgabe zu speichern.

Doch bei den lokalen Anpassungen stößt Aftershot an seine Grenzen. Der größte Nachteil zuerst: Aftershot bietet keine Verlaufsfilter an, der gerade bei Landschaftsaufnahmen ein gern genommenes Werkzeug ist, um beispielsweise den Himmel anzupassen. Zudem sind die Automatiken nicht so ausgeprägt wie bei Lightroom: Es gibt keine Kantenerkennung beim Maskieren, auch die Autokorrekturen von Lightroom sind besser gelungen. Einen kleinen Pluspunkt für Aftershot, auch wenn es gewöhnungsbedürftig ist: Aftershot bietet die Möglichkeit, mehrere Einstellungsebenen anzulegen – entweder Ebenen, die für das gesamte Bild gelten oder Ebenen für lokale Anpassungen. So kann man gezielter komplexere Bearbeitungen am Bild schrittweise ändern beziehungsweise wieder löschen.

Aftershot 1:2 Lightroom

Individuelle Vorgaben

Lightroom bietet die Möglichkeit, vorgenommene Einstellungen eines Fotos als sogenannte Vorgabe (Preset) zu speichern. Diese Vorgaben kann man auf beliebig andere Fotos anwenden. Nützlich und sehr zeitsparend ist dies vor allem, wenn man bereits beim Import auf diesen Weg Grundkorrekturen vornimmt.

Aftershot bietet ebenfalls diese Funktion und benennt sie auch wie Lightroom mit „Vorgabe“. Wie mit Lightroom kann man auch hier die Vorgabe auf mehrere importierte Bilder anwenden. Ein kleiner Vorteil: Hier muss man nicht wie in Lightroom vom Modul Entwickeln zum Modul Bibliothek wechseln, um eine Vorgabe auf mehrere Bilder anzuwenden. Doch einen gerade für Profi-Fotografen entscheidenden Nachteil gibt es: Die wichtigsten Anbieter von Vorgaben, wie etwas VSCO oder die unzähligen Vorgaben von Hochzeitsfotografen sind für Aftershot nicht nutzbar. Daher ein knapper Punktsieg für Lightroom.

Aftershot 0:1 Lightroom

HDR

Beide Programme lassen aus Belichtungsreihen-Aufnahmen ein HDR-Bild erstellen. Lightroom bietet hier klar die besseren Automatik-Funktionen, das Ergebnisse liefert, die man kaum nachbearbeiten muss. Anders sieht es hier bei Aftershot aus. Vor allem mit freihändig aufgenommenen Belichtungsreihen hat Aftershot so seine Probleme. Die HDR-Funktion bietet zwar manuelle Verbesserungsmöglichkeiten. Doch das macht die Bearbeitung wieder aufwändiger und zeitintensiver als es bei Lightroom der Fall ist.

Aftershot 1:2 Lightroom

Corel Aftershot Pro 3 bietet wie Lightroom drei Darstellungsoptionen der Bilder an. Oben links kann man zwischen ihnen wechseln.
Foto: Markus Schelhorn

Panorama

Machen wir es kurz: Lightroom kann Panoramen erstellen, und das sogar ziemlich gut. Aftershot bietet keine Panorama-Funktion. Auch mit den verfügbaren Plug-ins ist das nicht möglich.

Aftershot 0:1 Lightroom

Erweiterbarkeit

Lightroom lässt sich mit Photoshop-Plug-ins erweitern. Diese Plug-ins gelten schon beinahe als Standard und werden von allen namhaften Drittanbietern angeboten. Corel Aftershot lässt seinen Funktionsumfang ebenso mit Plug-ins erweitern. Allerdings nutzt Aftershot ein eigenes Format, das nicht zu Adobe kompatibel ist. Und so ist das Angebot an Plug-ins für Aftershot recht übersichtlich und bei weitem nicht so umfangreich wie bei Lightroom, für das es hunderte Erweiterungsmöglichkeiten gibt.

Immerhin kann man mit Aftershot – wie auch mit Lightroom möglich – die Fotos mit einem externen Editor bearbeiten. Und das auf Wunsch sogar als 16-Bit-Tiff, um möglichst viel Bildinformationen zu erhalten.

Aftershot 1:2 Lightroom

Ausgabe

Für die Ausgabe bietet Lightroom die Module Buch, Diashow, Drucken und Web. Bei Aftershot beschränkt sich die Ausgabe-Möglichkeit auf Drucken und Web-Galerie, die ein vorgegebenes Layout nutzt. Die Drucken-Funktion bietet zwar auch die Möglichkeit, Kontaktbögen und Seiten mit eigenem Layout auszugeben. Doch in unseren Tests hat dies nicht funktioniert.

Für den Export der Bilder auf die Festplatte bietet Aftereffekts verschiedene Vorgaben. Auch eigene Vorgaben kann man so erstellen.

Aftershot 1:2 Lightroom

Fazit: Corel Aftershot Pro 3 versus Adobe Lightroom 6 / CC

Nach unserem Test steht es 14:8 für Lightroom. Eine wirkliche Alternative zum Platzhirschen von Adobe ist Corel Aftershot Pro 3 also nicht. Aftershot Pro 3 bietet zwar einen flotten Export der Bilder, aber in schlechterer Qualität als Lightroom. Auch sonst hinkt Aftershot Lightroom bezüglich Funktionsumfang und der einfachen Handhabung der Werkzeuge hinterher. Ärgerlich sind gelegentliche Programmabstürze während des Tests. Adobe Lightroom 6 kostet zwar über 100 Euro und ist somit teurer als Corel Aftershot Pro 3, bietet dafür aber deutlich mehr.

Alternativen zu Adobe Photoshop Lightroom

Für den anspruchsvollen Fotografen beziehungsweise dem Profi gibt es bereits ernstzunehmende Alternativen zu Adobe Photoshop Lightroom. Bereits aus dem Rennen, da es nicht mehr weiterentwickelt wird, ist Apples Aperture. Doch es bleiben vor allem Capture One Pro 9 und DxO Optics Pro 10.

Für den Gelegenheitsbenutzer eines Bildbearbeitungsprogramms ist Corel Aftershot Pro 3 einen Blick wert. Corel Aftershot Pro kann man 30 Tage kostenlos im vollen Umfang testen. Hier ist das Programm Cyberlink Photodirector 7 ebenfalls eine Alternative, die Aufmerksamkeit verdient hat. Ebenso kann man sich das kostenlose Darktable anschauen, das auf Linux, Mac-OS X und Unix läuft. (Macwelt)