Office-Alternativen wie Google Docs

Keine Chance gegen Microsoft

21.06.2011 von Thomas Pelkmann
Fragt man nach dem Einsatz von Bürosuiten im Unternehmen, kommt zuerst Microsoft Office, dann Microsoft Office und schließlich Microsoft Office. Die Alternativen folgen abgeschlagen dahinter. Chancen haben die Mitbewerber allenfalls in Nischen. Dennoch wollen Unternehmen die anderen Suiten kennenlernen.
Foto: Microsoft

Es gab Zeiten, da war Microsoft Office noch nicht das meist verkaufte Office-Programm der Welt. Ok, das ist lange her, 20 Jahre vielleicht, als auf MS DOS-Computern Word Perfect noch vor Word rangierte. Mittlerweile hat sich die Konkurrenz stark ausgedünnt, wenngleich es auf dem Papier respektive auf dem Desktop noch immer reichlich Alternativen zum Platzhirschen gibt.

Word Perfect heißt jetzt WordPerfect Office und gehört zu Corel; Lotus Symphony ist bei IBM untergekommen. Das frühere Openoffice.org heißt nun Oracle Open Office und hat einen quelloffenen Bruder namens LibreOffice. Insgesamt gibt es rund 20 Open Source- und proprietäre Office-Suiten; faktisch beschränkt sich die bunte Vielfalt aber auf die fünf genannten.

Nach eigenen Angaben bekommen die Analysten von Forrester dennoch ständig Anfragen von IT-Professionals zu Office-Alternativen. So ganz zufrieden scheinen die Experten für "Content und Collaboration" mit der Monopolisten-Suite dann doch nicht zu sein. Also hat Forrester bei 150 IT-Entscheidern und bei Anbietern nachgefragt, wer sich denn tatsächlich ernsthaft mit den Office-Alternativen beschäftigt.

Das Ergebnis bestätigt im Wesentlichen das, was zu erwarten war: Die Verbreitung alternativer Office-Pakete ist unterm Strich sehr gering. So gering, dass zum Beispiel das ThinkFree Office unter den Befragten einen euphemistisch "ausbaufähig" zu nennenden Marktanteil von ganzen null Prozent hat.

Allerdings spielen der Forrester-Erhebung zufolge Office-Alternativen mitunter dennoch eine muntere Rolle - wenn auch eher in Großunternehmen. Manche ergänzen Microsoft Office, andere ersetzen es in speziellen Bereichen gar komplett durch Mitbewerber. Zudem schicken sich mit Google Docs sowie dem noch eher unbekannten Zoho relativ junge Bewerber an, als webbasierte Office-Dienste über Collaboration-Features dem Marktführer Anteile abzunehmen.

Microsoft selber reagiert darauf mit einem umfassenden Online-Office mit den Namen Office 365. Neben den Microsoft Web Apps für Word, Excel & Co. bietet das Ganzjahresbüro auch Sharepoint Online, Exchange Online und den Instant Message-Dienst Lync Online an. Damit ist Office 365 ein umfangreiches Produktivitätspaket mit allen Content-, Collaboration- und Communication-Tools, die man sich im Büro nur wünschen kann.

IT-Professionals denken über Alternativen nach

Forrester-Analyst Matthew Brown: Die IT-Professionals sind offen für Alternativen zu Microsoft Office.
Foto: Forrester Research

Auf die IT-Professionals in den Unternehmen verfehlen die neuen und alten Office-Alternativen ihre Wirkung nicht, schreibt Forrester-Analyst Matthew Brown in seinem Report Market Update: Office Productivity Alternatives. Obwohl sie keine nennenswerten Marktanteile vorweisen können, würde die Content- und Collaboration-Fraktion derzeit anstehende Office-Updates nur zögerlich angehen, weil sie endlich mal auch über die Alternativen nachdenken wollen. Immerhin ein Viertel der von Forrester befragten Unternehmen probiert derzeit zum Beispiel auch mal die webbasierten Office-Angebote aus.

Der Forrester-Analyst bleibt dennoch Realist: Er räumt den Alternativen allenfalls Außenseiterchancen im Office-Markt ein. Diese Chancen seien allerdings umso größer, je mehr es um das Füllen echter Lücken bei Microsoft Office gehe. Das gelte etwa in den Bereichen Social Media und mobile Endgeräte oder für die bessere Integration in andere Enterprise-Applikationen.

Auch beim Umgang mit Fremdformaten sind Office-Alternativen in der Regel Microsoft Office gegenüber im Vorteil. Anlass, sich zumindest gedanklich auch mit den Alternativen zu beschäftigen, geben darüber hinaus die komplizierten Lizenzbestimmungen sowie die Preise für Lizenzen und Software Assurances.

Schließlich sprechen auch die Wünsche nach mehr Flexibilität in der IT in Form einzelner Services eher für Alternativen zum Office-Giganten aus Redmond. Das "One size fits all" von Microsoft jedenfalls erscheint auch vor diesem Hintergrund nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen verlangen die Kunden nach Optionen für beliebiges Up- und Downsizing bei Speichergrößen, Leitungsbreiten und Prozessoranzahl.

Nach Office kommt Office und dann Office. Und dann die Alternativen

Auf die Frage, welche Produktivitätssuiten - gemeint sind Office-Pakete - derzeit in den Unternehmen eingesetzt werden, antworteten 198 Prozent mit Microsoft Office. Diese an sich eher unwahrscheinliche Zahl erklärt sich durch Mehrfachnutzungen, von denen die Office-Alternativen ebenfalls profitieren - wenn auch auf sehr niedrigem Niveau.

Für welche Art von Mitarbeitern würden Sie Office-Alternativen in Erwägung ziehen, fragte Forrester IT-Verantwortliche. Hier die Antworten.
Foto: Forrester Research

Office 2003 oder älter setzen 74 Prozent der Unternehmen ein, Office 2007 noch mal 72 Prozent. Die neuste Desktop-Version Office 2010 ist immerhin schon in 52 Prozent der Enterprises im Einsatz. Google Docs und OpenOffice.org sind dem Platzhirsch mit einem Anteil von jeweils acht Prozent nun ja, nicht direkt dicht auf den Fersen. Corels WordPerfect Office und Lotus Symphony von IBM folgen ebenfalls abgeschlagen mit fünf und vier Prozent.

War dieses Ergebnis mit gesundem Menschenverstand noch vorhersehbar, überrascht das Resultat auf die Frage nach dem Interesse an anderen Produkten. Immerhin 72 Prozent beschäftigen sich bei Gelegenheit (Update oder Release-Wechsel) auch mit den webbasierten Alternativen von Google und Zoho, weitere 50 Prozent mit den OpenOffice-Angeboten.

Die Anbieter der Office-Alternativen beugen sich Forrester zufolge offenbar der Übermacht von Microsoft auf dem Desktop. Niemand jedenfalls gibt das größenwahnsinnige Ziel aus, den Platzhirschen von dort zu verdrängen. Alle sehen dagegen ihre Chance als Alternative oder in einzelnen Nischen, wo sie gegenüber Microsoft Office Funktions- oder Produktivitätsvorteile geltend machen können.

Die Kunden können von dieser Vielfalt in Demut durchaus profitieren, meint Forrester: Für kleine Unternehmen mit größerem Budgetdruck, weniger IT-Fachpersonal und kaum nennenswertem Legacy-Kram seien Office-Alternativen vor allem schon aus Kostengründen empfehlenswert. Große Unternehmen würden eher von der Möglichkeit profitieren, je nach Workforce unterschiedliche Funktionen und Schnittstellen nutzen zu können: gelegentliche Anwender für eher leichtgewichtige oder webbasierte Suiten, Information Worker für das volle Office-Programm bei 90 Grad und spezialisierte Nutzer für Einzelteile von Microsoft- oder irgend einem anderen Office.

Der Microsoft-Hase liegt auch im Web vorn

Insofern wird die Vielfalt von Anwendungen und Darreichungsformen künftig viel stärker den Office-Markt prägen, als heute die großen und unflexiblen Pakete, schätzt Forrester. Das werde die Chance von Online-Anbietern wie Google und Zoho möglicherweise leicht verbessern. Allerdings darf man bei diesen Betrachtungen nicht außer Acht lassen, dass Microsoft mit seinem 365 Office auch in der Cloud wohl die Nase vorn haben wird.

Das sieht auch Forrester so: Allein die 100.000 Kunden auf der Warteliste fürs Betaprogramm bei Microsoft seien ein starker Indikator dafür, dass Office 365 den Umstieg vom Desktop- ins Cloud-Collaboration-Office spürbar beschleunigen wird. Da nutzt es Igeln wie Google und Zoho erschreckend wenig, lange vor dem Microsoft-Hasen am Ziel gewesen zu sein.

Chancen für Alternativen gibt es allenfalls für kleine, innovative Projekte sowie in den bereits angesprochenen Nischen etwa in der Zusammenarbeit mit den großen Enterprise-Suiten oder auf mobilen Endgeräten. (cio/so)

Autor: Thomas Pelkmann. Dieser Artikel wurde ursprünglich von unserer Schwesterpublikation CIO veröffentlicht.