Trennung von Gesellschaftern

"Kindergarten" in der Chefetage

04.03.2008
Rechtsanwalt Christian Lentföhr über die gesetzlichen Vorgaben für eine Lösung von Gesellschafterstreitigkeiten und den Mangel an praktikablen Vorschlägen.

Die gemeinsame Gründung oder Ererbung von Unternehmen ist wenigstens ebenso bedeutend wie das Eingehen einer Ehe - wenigstens zwei Menschen verbinden ihre Geschicke und ihr Wohl und Wehe über Jahre. Während die Scheidung einer Ehe den Unternehmer häufig an den Rand des Abgrundes bringt, treibt ihn das Ausscheiden seines Mitgesellschafters darüber hinaus. Bis das der Tod uns scheide, bedeutet zunächst den Tod des Unternehmens und damit auch den Existenzverlust seiner Gesellschafter.

Gute Gründe, ein Unternehmen gemeinsam zu führen, gibt es viele. Wer gut ist im Vertrieb braucht häufig einen starken Partner für die Verwaltung, der Markt verlangt nach Wachstum durch Zusammenschluss zweier kleinerer Unternehmen, durch Übertragung des Unternehmens in die nächste Generation fällt dieses an Geschwister und zersplittert sich in verschiedene Familienstämme.

Am Anfang hängt der Himmel voller Geigen. Doch dann stellt man fest, dass die unterschiedlichen Charaktere sich nicht nutzbringend ergänzen, sondern sabotieren und unerledigte Streitigkeiten aus dem Kinderzimmer auf neuem Schauplatz fortgeführt werden.

Anstelle mit einander zu reden, stellt man sich wechselseitig Einladungen zu Gesellschafterversammlungen zu und fasst Beschlüsse, die der jeweils andere Teil nicht anerkennt. Nicht selten übernimmt der eine Teil die faktische Geschäftsführung, ohne den anderen Teil über Jahre von den Geschicken zu informieren, Planungen offenzulegen und Zahlen bekannt zu machen. Endet der Streit im wechselseitigen Beschluss, den jeweils anderen auszuschließen, bleibt nur verbrannte Erde.

Die gesetzlichen Vorgaben für eine Lösung von Gesellschafterstreitigkeiten variieren sehr stark mit der Gesellschaftsform und genügen in keinem Falle. Gesellschaftsrechtler haben die Probleme seit langem erkannt und versuchen, in der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages das Schlimmste zu verhindern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Mann am Ruder auch das Vermögen des jetzt ungeliebten Mitgesellschafters verwaltet.

Während einem GmbH-Gesellschafter auch ohne Geschäftsführungsbefugnis fast unbeschränkte Einsichts- und Auskunftsrechte in die Bücher und Schriften der GmbH zustehen, hat der nur beschränkt haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft als Kommanditist nur das Recht, eine Abschrift des Jahresabschlusses zu erhalten. Obwohl die überwiegende Mehrheit mittelständischer Unternehmer eine tätige Kommanditistenstellung innehat, sah der historische Gesetzgeber den Kommanditisten als Fremdkapitalgeber, den er mit Details nicht belasten wollte.

Die Ausübung beider so unterschiedlicher Rechtspositionen birgt Probleme. Die Einsichtnahme allein in einen nach drei bis sechs Monaten erstellten Jahresabschluss hat nicht einmal für Historiker eine Aussagekraft, die laufende Einsichtnahme in alle Geschäftsunterlagen kann die Geschäftsführung zur Verzweiflung treiben.

Der Vereinbarung von Zustimmungen zu bestimmten Themen, der Einberufung von Gesellschafterversammlungen, der Auskunftsrechte und der Kündigungsmöglichkeiten kommt dann größte Sorgfalt zu. Aber was, wenn sich Mehrheiten nachträglich durch Zukauf oder Erbgang verändern und Abfindungsguten nicht mehr angemessen sind?

Ermüdend lange Zustimmungslisten sollten nicht nur im Einzelpunkt auf ihre Sinnhaftigkeit geprüft werden, sie verlieren ihren Sinn oft, wenn sich Stimmrechte in einer Hand zusammenballen. Sie sollten je nach Unternehmensgröße durch Beiratslösungen oder durch Ausscheiden eines Gesellschafters ersetzt werden. Kriegsentscheidend können Regelungen sein, dass nur Mitglieder der Unternehmerfamilie und gegebenenfalls der Steuerberater der Geschäftsführung an Gesellschafterversammlungen teilnehmen darf. Ungeachtet der Anzahl der von ihm gehaltenen Stimmen wird der geschäftsführende Gesellschafter in diesen Fällen alle Entscheidungen kraft überlegenen Wissens gegenüber den nicht mitarbeitenden Gesellschaftern durchsetzen.

Das Ausscheiden eines Gesellschafters setzt seine Abfindung voraus. Viele Gesellschaftsverträge enthalten Regelungen, wie die Abfindungshöhe zu ermitteln sei. Fehlt eine solche Regelung, ist regelmäßig der gemeine Wert zugrunde zu legen, der dem Ertragswert entspricht und somit für den Zahlungspflichtigen wirklich gemein ist. Da das Abfindungsguthaben aus dem Unternehmen erwirtschaftet werden muss, sehen viele Gesellschaftsverträge Abfindungen zum niedrigeren Buchwert fort, der anders als der gemeine Wert stille Reserven, bspw. in Betriebsgrundstücken unberücksichtigt lässt.

Da Buchwertklauseln eine Enteignung unter Wert gegen den Willen des Betroffenen ermöglichen, erkennt die Rechtsprechung sie nur an, wenn sie etwa bei 66 Prozent des gemeinen Wertes liegen und das Abfindungsguthaben bei angemessener Verzinsung nicht allzu lang gestreckt wird. Eine kritische Grenze dürfte bei fünf Jahren anzunehmen sein, über Einzelfälle kann man trefflich streiten, wie eine ungezählte Rechtsprechung zeigt. Ist eine Buchwertklausel unzulässig, ist der ungekürzte gemeine Wert sofort fällig.

Wie man den gemeinen Wert als Ertragswert richtig berechnet, vermag weder ein Wirtschaftsprüfer noch ein Rechtsanwalt abschließend zu sagen. Nach anerkannten Regeln, etwa den Standards des Institutes der Wirtschaftsprüfer, oder sonstigen vereinfachten Ertragswertverfahren, wird man stets einen Rahmen erhalten, in dem verhandelt werden kann. Allein die Bildung einer Rückstellung oder die unterschiedliche Gewichtung von Wirtschaftsjahren nach Alter führen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.

Verhandlungen zwischen scheidenden Gesellschaftern sind also stets geprägt durch den Wunsch sich zu trennen und dem Bemühen, den Abfindungsbetrag dem jeweiligen Interesse anzupassen, ohne die Rechtsprechung zu bemühen. Dies führt zu einem Gesprächsklima, das starke Nerven und Erfahrung beim Bluffen verlangt.

Gerade deshalb sollte der Gesellschaftsvertrag angemessene Regelungen enthalten, wie ein Abfindungsguthaben zu berechnen ist und in dieser Frage ein Schiedsgutachten ermöglichen. Auch die Gründe, wann es zu einer außerordentlichen Kündigung kommen kann, sollten beispielhaft ein nicht zu kleines Bild ergeben. Denkbar ist auch, Abfindungsguthaben bei gesellschaftsfeindlichem Verhalten zu kürzen.

Wehe, wenn die erste Rate des Abfindungsguthabens eine unbeabsichtigte, aber ausgelöste Steuerlast nicht deckt.

Ein regelungsbedürftiges Thema sind Nachfolgeklauseln im Erbfall. Niemand möchte die Witwe oder den 18jährigen Sohn des im Auto verunglückten Geschäftspartners zur Frage in Buchstabe xyz) des Zustimmungskataloges mit vier Wochen Vorlauf förmlich einladen. Andererseits bergen sogenannte qualifizierte Nachfolgeklauseln steuerrechtliche Fragen, die zu bösen Überraschungen führen können, weil das Finanzamt einen Durchgangserwerb bei dem Erben annehmen kann, der gar nicht Gesellschafter werden darf

Nicht weniger bitter sind die Folgen einer Betriebsaufspaltung, die bei Ausscheiden eines Gesellschafters endet: Scheidet ein Mitgesellschafters aus der Betriebsgesellschaft aus, hält aber seinen Anteil am Betriebsgrundstück weiter, entnimmt er dieses Grundstück mit allen steuerlichen Folgen in das Privatvermögen und versteuert die stillen Reserven. Der Gesellschaftsvertrag sollte gerade für den Fall der Hinauskündigung auch hierzu eine Regelung enthalten.

Die Vielzahl der denkbaren Probleme und die Veränderungen durch die Zeit machen in Erz gegossene Gesellschaftsverträge unmöglich. Gerade deshalb sollten die Regelungen für den Streitfall bereits bei Unternehmensgründung und ebenso spätestens bei Unternehmensnachfolge geprüft werden, denn gute Regeln für die Konfliktlösung dienen stets auch der Konfliktvermeidung. Gesellschaftsverträge mit einfachen Buchwertklauseln und Sonderkündigungsrecht im Konkursfall sollten der Vergangenheit angehören.

Der Autor: Christian Lentföhr ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. Kontakt und weitere Informationen: Christian Lentföhr, Rechtsanwalt in der Kanzlei Schuster Lentföhr & Zeh, Josephinenstraße 11-13, 40212 Düsseldorf. Tel. 0211/65 88 10, Fax: 0211/65 81 789, eMail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.wsp.de. (mf)