Kleiderordnung: Der Stoff, aus dem das Vertrauen ist

06.10.2005 von Dirk Pfister
Um fit für den Kundenkontakt zu sein, schult man fachliche und verkäuferische Kompetenz, Gestik und Rhetorik. Kleidung und Erscheinen werden hingegen oft vernachlässigt. Dirk Pfister über die Bedeutung des ersten optischen Eindrucks auf den Kunden.

Wer kennt nicht den legendären Sketch mit der Nudel: Da sitzt Loriot, perfekt gekleidet, am Tisch eines feinen Restaurants und möchte seiner Angebeteten einen Heiratsantrag machen. Aber egal wie er seine Worte wählt, bei Fräulein Hildegard kann er nicht landen. Denn die starrt gebannt auf die Nudel im Gesicht ihres Verehrers.

Zugegeben, Verkäufer essen selten mit ihren Kunden Nudeln, und noch seltener machen sie ihnen Heiratsanträge. Trotzdem weist der Sketch Parallelen zu ihrem Arbeitsalltag auf: Wie Loriot für seine Liebe, so werben sie bei ihren Kunden oft für ein „Produkt“, das dieser vor dem Kauf weder sehen noch anfassen kann. So zum Beispiel alle Anbieter persönlicher Dienstleistungen wie Steuer- und Anlageberater, Architekten und Rechtsanwälte, IT- und Strategie-Consultants.

Oder sie verkaufen ihrem Kunden ein Produkt, bei dem dieser oft erst nach Jahren wirklich beurteilen kann, ob es tatsächlich besser ist als das von der Konkurrenz. Das ist etwa bei Versicherungen der Fall. Hier merkt der Kunde meist erst im Schadensfall, was die Versicherung taugt.

Ebenso ist dies bei Finanzprodukten wie Lebensversicherungen. Auch bei ihnen muss der Kunde zunächst jahre- oder gar jahrzehntelang einbezahlen, bevor er schließlich zum Fälligkeitsdatum endgültig erfährt, ob ihm der prognostizierte Geldbetrag tatsächlich ausgezahlt wird. Entsprechend unsicher sind Kunden beim Kauf solcher Produkte und Dienstleistungen.

Erfolgsfaktor Vertrauen

Also suchen Kunden nach Faktoren, an denen sie ihre Kaufentscheidung festmachen können – zum Beispiel dem Auftreten ihrer Kontaktpersonen, also der Verkäufer. Nur wenn der Verkäufer auf den Kunden fachlich fit und persönlich integer wirkt, fasst er Vertrauen – eine Grundvoraussetzung für den Verkauf.

Noch bevor der Verkäufer ein Wort spricht, hat der Kunde sich bereits ein erstes Urteil über ihn gebildet – anhand seiner Erscheinung. Denn kaum steht der Verkäufer in der Tür, scannen die Augen des Kunden sein Gegenüber. Anhand des optischen Eindrucks, wozu neben dem Gesichtsausdruck, der Körperhaltung und -statur auch die Kleidung zählt, formt der Kunde sich sein erstes Bild: Ist der Verkäufer ein seriöser Vertreter seiner Zunft? Steht mir ein Experte oder ein „Greenhorn“ gegenüber?

Erfüllt das Bild nicht die Erwartungen des Kunden, muss der Berater permanent gegen das negative (Vor-)Urteil ankämpfen – oft erfolglos, weil der Kunde während des gesamten Gesprächs die Faktoren, die bei ihm die negativen Assoziationen auslösten, vor Augen hat.

Selbst wenn der Auslöser „nur“ ein fehlender Knopf am Sakko oder ein schon leicht verschlissener Hemdkragen ist. Besonders fatal ist dies bei Verkäufern, die in der Regel nur eine Chance haben, Kunden zu überzeugen. Also muss ihr erster Auftritt sitzen.

Der Teufel steckt im Detail

Viele Unternehmen haben dies erkannt. Also bilden sie ihre Verkäufer fachlich kontinuierlich weiter. Sie sorgen auch dafür, dass diese ihre Rhetorik und ihren Präsentationsstil stets verbessern. Umso erstaunlicher ist es, dass das Thema Kleidung oft stiefmütterlich behandelt wird – dabei belegen wissenschaftliche Studien, dass die non-verbalen Signale, die wir auch durch unser Outfit aussenden, stärker wirken als das gesprochene Wort.

Spricht man Verkäufer und Berater hierauf an, dann antworten sie oft: „Ich trage bei Kundenterminen doch stets einen Anzug und eine Krawatte. Auch meine Schuhe sind frisch geputzt. Mehr kann ich doch nicht tun, um seriös zu wirken.“ Doch wie der Sketch mit Loriot zeigt, liegt der Teufel im Detail. Auch das perfekteste Outfit verfehlt seine Wirkung, wenn ein, zwei Kleinigkeiten den Gesamteindruck stören.

Welcher Kunde nimmt etwa einem Berater, dessen Anzug zu groß oder zu klein wirkt, ab, dass er für seine Kunden „maßgeschneiderte Strategien“ entwirft? Welcher Kunde glaubt einem Vertreter mit schmutzigem Hemdkragen, dass die Vertragskonditionen lupenrein sind? Hat ein Kunde erst einmal einen solchen Eindruck, kann der Verkäufer noch so viel reden: Der Kunde schenkt seinen Worten – ganz gleich, wie viel Fachkompetenz sich in ihnen widerspiegelt – ebenso viel Beachtung wie Hildegard den Worten Loriots, nämlich keine, weil seine Augen immer wieder an dem Makel hängen bleiben.

Sich treffsicher kleiden

Welche Kleidung ist für den Kontakt mit Kunden die richtige? Hierfür gibt es keine starren Regeln. Architekten, die ihren Kunden vermitteln möchten „Ich bin innovativ“, müssen sich anders kleiden als Anlageberater, die primär den Eindruck „Ich bin seriös“ hinterlassen möchten.

Und selbst diese treten nicht uniform auf. Denn manche An-lageberater haben eher frischgebackene Hochschulabgänger, andere Rentner als Kunden. Bei manchen besteht die Klientel vorwiegend aus mittleren Angestellten, bei anderen aus vermögenden Privatiers. Zu manchen Kunden hat der Berater eine gewachsene Beziehung, bei anderen muss er das Vertrauen noch aufbauen.

Doch nicht nur solche Faktoren gilt es zu beachten, wenn es darum geht, sich angemessen zu kleiden. Hinzu kommen persönliche Faktoren. So sollten sich zum Beispiel kleine Männer anders als große kleiden und dunkelhäutige anders als hellhäutige. Dies macht es für Verkäufer so schwierig, sich stets „angemessen“ zu kleiden.

Grundsätzlich bestimmt sich jedoch das, was angemessen ist, über folgende Kriterien: Wer ist mein Gegenüber? Was ist die Situation? Und am wichtigsten: Welche Botschaft möchte ich meinem Gegenüber vermitteln, damit ich mein Ziel erreiche? Wer hierfür die nötige Sensibilität entwickelt hat, kann Kleidung gezielt als Kommunikationsinstrument einsetzen.

Zum Beispiel, indem er sich vor dem Kundenbesuch fragt: Welche Botschaft sende ich als Marketingexperte an meinen Kunden, wenn ich statt eines karierten Hemdes eines mit Nadelstreifen trage? Oder: Welche Assoziationen löse ich als Strategieberater beim Kunden aus, wenn ich zum Meeting nicht im blauen Anzug, sondern mit einer sandfarbenen Flanellhose und einem braunen Cordsakko erscheine?

Ein Kommunikations-Axiom des berühmten Psychologen Paul Watzlawick lautet: „Wir können nicht nicht kommunizieren.“ Bezogen auf das Thema Kleidung bedeutet dies: Ganz gleich, wie wir uns kleiden, wir senden stets Botschaften an unser Gegenüber. Also können Verkäufer Kleidung auch gezielt einsetzen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen und sich ihre Arbeit zu erleichtern.

Schneller und leichter zum Abschluss kommen

Aber Mitarbeiter reagieren zunächst oft reserviert, wenn man zu ihnen sagt: „Wenn Sie Ihre Kleidung stärker als Kommunikationsinstrument nutzen, können Sie mehr Abschlüsse erzielen – ohne mehr Kundentermine zu vereinbaren. Und dies zudem in kürzerer Zeit.“

Anfangs erntet man meist nur ein ungläubiges, leicht mitleidiges Lächeln. Sind Verkäufer aber erst einmal für das Thema „sich angemessen beziehungsweise treffsicher kleiden“ sensibilisiert, lassen sie sich hierfür in der Regel recht schnell begeistern – zumal dahinter stets das Versprechen steht: Du kannst, wenn du deine Kleidung gezielt als Kommunikationsinstrument einsetzt, schneller und häufiger Abschlüsse erzielen.

18 Kleidungstipps für Verkäufer und Berater

1. Überlegen Sie: Welche Botschaft möchte ich mittels meiner Kleidung/meines Erscheinens an Kunden senden? Zum Beispiel: „Ich bin seriös“, „Ich habe Erfolg“, „Ich bin wert-konservativ/bodenständig“ oder „Ich bin innovativ/kreativ“.

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2. Überprüfen Sie regelmäßig Ihren Kleiderschrank, egal, ob Hemden, Anzüge, Krawatten oder Schuhe: Sortieren Sie alles aus, was nicht die beabsichtigte „Message“ transportiert.

3. Nicht alles, was nicht mehr perfekt sitzt, muss in die Altkleidersammlung. Änderungsschneidereien sind oft eine preiswerte Alternative zum Neukauf.

4. Bevorzugen Sie beim Einkauf freundliche Farben, die zu Ihnen passen. Starke Kontraste sind tabu!

5. Ihre Kleidung muss nicht edel sein. Sie sollte aber qualitativ zumindest über dem Durchschnitt liegen. Nehmen Sie sich Zeit beim Einkaufen. Knittern Sie den Stoff: Glätten sich die Falten wieder? Drehen Sie Kleidung auf links: Sind die Nähte sauber verarbeitet?

6. Der Kauf von Marken bürgt noch lange nicht für Qualität.

7. Lassen Sie sich Marken nicht ansehen. Meiden Sie Kleidung mit aufgesticktem Firmennamen oder Logo.

8. Finger weg von Blendern, also von billigen Markenimitationen. Fliegt der Schwindel auf, denkt Ihr Kunde: Auch Sie sind ein Blender.

9. Lassen Sie sich beim Einkauf lieber von Kollegen (oder Experten) als von Ihrem Lebenspartner beraten. Ihr Lebenspartner achtet vor allem darauf: „Gefällt mir das Stück?“. Ihr Kollege dagegen prüft: „Vermittelt es die gewünschte Botschaft?“.

10. Kontrollieren Sie vor jedem Kundentermin Ihre Erscheinung. Es gilt: Die 360-Grad-Betrachtung muss tadellos sein. Was nutzt die schönste Frontansicht, wenn Ihre Schultern von Schuppen übersät sind?

11. Überlegen Sie vor jedem Termin und insbesondere bei Neukunden: Welche Garderobe erwartet mein Gegenüber? Wenn Sie unsicher sind, hilft bei Business-Kunden oft ein Blick auf deren Website. Wie präsentieren sich dort die Führungskräfte und Mitarbeiter des Unternehmens?

12. Seien Sie im Zweifelsfall lieber etwas over- statt underdressed. Das gilt vor allem für Erstbesuche bei Kunden.

13. Selbst wenn Ihr Kunde Sie zu Hause in der Badehose empfängt: Für Sie ist das noch längst keine Legitimation, sich nachlässig zu kleiden. Ihre Kleidung sollte stets Ihre Wertschätzung für Ihr Gegenüber artikulieren.

14. Gehen Sie mit Ihren Kleidern genau so sorgfältig um wie mit dem Geld und der Geduld Ihrer Kunden.

15. Die „Zehn goldenen Regel für ein Sich-angemessen-Kleiden“ gibt es nicht. Was angemessen ist, hängt stets von Ihrem Gegenüber und der Situation ab. Schärfen Sie deshalb kontinuierlich Ihre Sensibilität für das „Kommunizieren mittels Kleidung“. Stillstand bedeutet Rückschritt.

16. Seien Sie besonders vorsichtig im Kontakt mit Frauen. Sie legen meist mehr Wert als Männer auf eine korrekte Kleidung und eine gepflegte Erscheinung. Sie haben auch ein schärferes Auge für Fehler und Nachlässigkeiten.

17. Vorsicht auch bei Schmuck: Ein protziger Siegelring, eine fette Rolex oder ein Goldkettchen am Hals kann schnell den ansonsten perfekten Gesamteindruck zerstören.

18. Geben Sie rund 80 Prozent des Budgets, das Sie für Kleidung veranschlagen, für jene Kleidung aus, in der Sie Ihr Geld verdienen. Berufskleidung ist kein Luxus, sondern eine Investition.

Das Auge des Mitarbeiters schulen

Es lohnt sich, diese Regeln an die Mitarbeiter weiterzugeben. Die werden dadurch zwar nicht gleich zu Experten, haben dann aber gewisse Grundregeln verinnerlicht und ein Auge für das Thema. Sie werden morgens vor dem Kleiderschrank stehen und sich erstmals fragen: Kann ich mit dieser Kleidung die gewünschte Botschaft – zum Beispiel „Ich bin seriös“ – transportieren?

Bei Ihren Mitarbeiter wurde eine Art Sockel geschaffen, von dem – ausgehend durch regelmäßige Schulung und ein gezieltes Feedback – höhere Ziele angestrebt werden können. Sie werden ihre Kleidung als Kommunikationsinstrument begreifen.