Aufgabe für Führungskräfte

Können Außendienstler Mitarbeiter führen?

07.04.2014 von Renate Oettinger
Meist fällt den Führungskräften das Wahrnehmen dieser Aufgabe schwer – vor allem, weil sie nicht ausreichend hierauf vorbereitet sind, sagt Iris Hartmann
Die meisten Geschäftsreisenden sind auf gute Kundenkontakte spezialisiert. Aber gilt das auch für die Mitarbeiterführung?
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Unternehmen, die ihre Produkte über Außendienstmitarbeiter vertreiben, kämpfen beim Sichern der Qualität in ihrem Vertrieb oft mit folgendem Problem:

Entsprechend schwierig können die Unternehmen ihr Verhalten steuern.

Dessen ungeachtet ist im Außendienst ein systematischer Kompetenzauf- und -ausbau nötig. Denn häufig sind die Außendienstmitarbeiter die zentralen, wenn nicht gar einzigen Ansprechpartner der Kunden beispielsweise in einer Region. Entsprechend stark hängt neben dem Image auch der Vertriebserfolg der Unternehmen vom Verhalten ihrer Außendienstmitarbeiter ab.

Zeit und Geld für Außendienstschulung sind knapp

Das wissen die meisten Unternehmen mit einer großen Außendienstmannschaft. Deshalb investieren sie viel Zeit und Geld in das Schulen ihrer Außendienstmitarbeiter. Dabei kämpfen sie jedoch oft mit dem Problem: Sie können ihre Verkäufer im Außendienst nicht allzu häufig zu Schulungen in ihren Zentralen einbestellen. Denn dies wäre wegen der langen Anreisen mit zu hohen Kosten verbunden. Außerdem sind die Außendienstmitarbeiter an Schulungstagen nicht bei Kunden. Also verdienen sie bei einer provisionsabhängigen Bezahlung kein Geld. Deshalb opponieren sie oft gegen zu viele Schulungstage.

Auch deshalb haben heute die meisten Unternehmen mit einem großen Außendienst eine elektronische Lernplattform für ihre Mitarbeiter. Doch das Weiterqualifizieren der Vertriebsmitarbeiter mit elektronischen Lernmedien stößt rasch an seine Grenzen - vor allem weil sich mit ihnen primär kognitive Lerninhalte vermitteln lassen. Die verkäuferische Kompetenz der Mitarbeiter hingegen lässt sich mit ihnen nur bedingt erhöhen.

Führungskräfte trainieren Mitarbeiter

Deshalb entschieden viele Unternehmen in den zurückliegenden Jahren: Unsere Führungskräfte im Vertrieb - also zum Beispiel die Bezirksdirektoren und Gebietsleiter - sollen ihre Mitarbeiter coachen. Davon erhofften sie sich folgende Vorteile:

1. Die verkäuferische Kompetenz der Außendienstmitarbeiter wird mit System erhöht.

2. Bei ihnen stellt sich mit der Zeit die im Kundenkontakt nötige Verhaltenssicherheit ein. Und:

3. Weil das Coachen durch die unmittelbaren Vorgesetzten erfolgt, können bei der Kompetenzentwicklung zum Beispiel stärker die Besonderheiten einer Region oder Kundengruppe berücksichtigt werden.

Die Praxis zeigt jedoch: Den meisten Führungskräften im Außendienst fällt das Coachen ihrer Mitarbeiter schwer - auch weil viele Unternehmen beim Vorbereiten ihrer Führungskräfte auf ihre Coaching-Funktion ähnlich wie beim Vorbereiten ihrer Verkäufer auf ihre Verkäuferaufgaben verfahren. Sie schicken die Führungskräfte in ein zwei- oder dreitägiges Seminar. Danach werden sie auf die "Kunden", sprich Mitarbeiter, losgelassen.

In solchen Kompakt-Ausbildungen erfahren die Führungskräfte, warum ein Coachen der Mitarbeiter wichtig ist. Sie lernen meist auch die relevanten Coaching-Methoden kennen. Doch damit sind die Führungskräfte noch nicht für ihre Arbeit als Coachs qualifiziert. Denn wenn eine Führungskraft zu-gleich Coach ihrer Mitarbeiter sein soll, dann benötigt sie ein neues Selbstverständnis. Sie sollte es zum Beispiel als eine ihrer Kernaufgaben begreifen, Lern- und Entwicklungsprozesse bei den Mitarbeitern anzustoßen und zu begleiten. Und dies setzt wiederum ein verändertes Führungsverhalten voraus.

Eigenes Verhalten auf den Prüfstand stellen

So müssen sich die Führungskräfte zum Beispiel häufiger mit ihren Mitarbeiter zusammensetzen und mit ihnen darüber sprechen,

Sie sollten außerdem ihre Mitarbeiter häufiger zu Kunden begleiten,

Formal tun dies viele Führungskräfte bereits. Doch häufig haben sie ihre Rolle als Coach noch nicht verinnerlicht. Deshalb verfallen sie beim Coachen schnell in ihr altes Führungsverhalten. Das heißt, sie geben ihren Mitarbeitern vor, was diese künftig tun sollen, statt Lernprozesse bei ihnen anzustoßen. Und statt ihre Mitarbeiter zu ermutigen, weisen sie diese lehrerhaft auf Fehler hin, was zu einem Gefühl der Bevormundung führt - auch weil die Führungskräfte ihren Mitarbeitern nicht ausreichend vermitteln, was das Ziel des Coachens ist: nicht die Außendienstmitarbeiter noch stärker zu kontrollieren. Das Ziel lautet vielmehr: Die Außendienstmitarbeiter sollen beim Entwickeln ihrer Kompetenz unterstützt werden, so dass sie künftig noch erfolgreicher arbeiten und mehr Geld verdienen – ein Punkt, der im stark erfolgsabhängig bezahlten Außendienst ein starker Motivator ist.

Coachen kann man lernen

Dass die Coachingkompetenz der Führungskräfte mit System entwickelt werden sollte, ist inzwischen zahlreichen Unternehmen bewusst. Deshalb bilden sie ihre Führungskräfte berufsbegleitend zu Vertriebs- oder Sales-Coachs aus. Das heißt, die sie werden über einen längeren Zeitraum – zum Beispiel zwölf oder 15 Monate – für ihre Coaching-Aufgabe qualifiziert und zwar in modular aufgebauten Ausbildungen. Das erforderliche Coaching-Know-how wird den Führungskräften also in wohldosierten Häppchen vermittelt. Und ihre Coaching-Kompetenz? Sie wird weitgehend anhand von konkreten Auf-gaben, vor denen sie im Arbeitsalltag stehen, entwickelt. Dabei wird prozessbegleitend auch ihr Führungsverhalten reflektiert, so dass sich mit der Zeit ihr Selbstverständnis als Führungskraft wandelt und bei ihnen die erforderliche Verhaltenssicherheit beim Coachen entsteht.

Vermittelt wird den Führungskräften auch, dass sich nicht nur ihre Coaching-Kompetenz Schritt für Schritt entwickelt. Dasselbe gilt für die verkäuferische Kompetenz ihrer Mitarbeiter. Also gilt es auch für sie Entwicklungspfade zu definieren, bei denen die Einzelmaßnahmen so aufeinander aufbauen, dass sich ihr Verhalten nachhaltig ändert. Wie dies in der Praxis aussehen kann, sei an einem Beispiel illustriert.

Von Nörglern und anderen Projektmitgliedern -

Wer Berater auswählt, muss darauf achten, dass sein Team ausgewogen mit verschiedenen Persönlichkeitstypen besetzt ist - von Neuerern und Wegbereitern über Macher und Koordinatoren bis hin zu Umsetzern und Perfektionisten.
Der Neuerer
...(im Englischen auch Plant oder Chairman) ist der Kreative. Er verfügt über eine ausgeprägte Vorstellungskraft und ist in der Lage, schwierigste Probleme zu lösen. Zu seinen - tolerierbaren - Schwächen zählt, dass er oft zu beschäftigt ist, um effektiv zu kommunizieren, und dass er kleinere Probleme gern ignoriert.
Der Wegbereiter
... (engl. Resource Investigator) zeigt sich aufgeschlossen, enthusiastisch und kommunikativ. Er entwickelt Kontakte. Zu seinen lässlichen Schwächen zählt, dass er überoptimistisch ist, aber zugleich, nach anfänglicher Begeisterung, oft das Interesse verliert.
Der Koordinator/Integrator
...(engl. Co-Ordinator) ist der erfahrene und selbstsichere Typ, der Entscheidungen fördert. Zu seinen negativeren Eigenschaften gehört es, dass er mitunter als manipulativ erscheint und dazu neigt, eigene Aufgaben auf andere zu übertragen.
Der Macher
... (engl. Shaper) ist herausfordernd und dynamisch. Er arbeitet gut unter Druck und überwindet Hindernisse. Zu seinen Schwächen zählt es, ungeduldig, provozierend und verletzend zu sein.
Der Beobachter
...(engl. Monitor Evaluator) denkt nüchtern, strategisch und kritisch. Er untersucht Vorschläge auf ihre Machbarkeit. Auf der Negativseite steht, dass es ihm an der Fähigkeit mangelt, andere zu inspirieren.
Der Teamarbeiter
...(engl. Teamworker) ist kooperativ und diplomatisch, er hört zu und vermeidet unnötigen Streit. Auf der Soll-Seite stehen seine Unentschlossenheit und seine Neigung, Konfrontationen und Konflikten auszuweichen.
Der Umsetzer
... (engl. Implementor) agiert zuverlässig und effizient. Er setzt Maßnahmen um und organisiert die Arbeit. Dem steht gegenüber, dass er mitunter unflexibel und zögerlich handelt.
Der Perfektionist
(engl. Completor) zeigt sich gewissenhaft und pünktlich. Weil er selbst Fehler vermeidet und Fehler entdecken kann, wirkt er qualitätssichernd. Allerdings ist er mitunter unwillig zu delegieren und eher ängstlich.
Der Spezialist
...(engl. Specialist) ist introvertiert und handelt aus eigenem Antrieb. Er ist engagiert und bringt Fachwissen ein. Zu seinen Schwächen zählt, dass er nur sehr spezifische Beiträge liefert und sich oft in Details verliert.

Verkäuferkompetenz der Verkäufer mit System erhöhen

Angenommen die Verkäufer im Außendienst eines Unternehmens sollen künftig bei Kundenbesuchen genauer die Umsatzpotenziale der (Noch-nicht-)Kunden ermitteln und diese Potenziale stärker ausschöpfen. Dann könnte der Entwicklungspfad wie folgt aussehen.

Schritt 1: Vorgespräche

Die Führungskraft stellt ihren Mitarbeitern die geplante Offensive vor und erläutert ihnen die damit verbundenen Ziele. Danach erörtert sie mit ihnen, welchen Entwicklungsbedarf sie zum Erreichen der Ziele noch bei sich sehen.

Schritt 2: Maßnahmenplanung

Die Führungskraft entwickelt (im Dialog mit den Mitarbeitern und/oder der Zentrale) einen Maßnahmenplan zum Erreichen der Ziele. Zudem vereinbart sie mit jedem Mitarbeiter individuelle Entwicklungsziele und Unterstützungsmaßnahmen.

Schritt 3: Kick-off-Workshop

In einem Workshop stellt die Führungskraft den Verkäufern den Maßnahmenplan vor. Anschließend werden erste Rollenspiele durchgeführt, in denen die Verkäufer das Vorgehen und Verhalten im Kundenkontakt simulieren.

Schritt 4: Training on the Job 1

Die Führungskraft begleitet die Verkäufer bei Kundenbesuchen und gibt ihnen anschließend Feed-back. Außerdem trainiert sie mit jedem Verkäufer nochmals das gewünschte Verhalten und vereinbart mit ihm Entwicklungsziele, die beim nächsten Training on the Job erreicht sein sollen.

Schritt 5: Training on the Job 2

Die Führungskraft begleitet die Verkäufer erneut zu Kunden und gibt ihnen Feedback. Danach trainiert sie mit ihnen wieder das gewünschte Verhalten. Außerdem vereinbart sie mit ihnen erneut individuelle Entwicklungsziele und Maßnahmen, damit das bereits gezeigte neue Verhalten zum Standard wird.

Schritt 6: Review der Gesamtmaßnahme

Nachdem alle vereinbarten Entwicklungsmaßnahmen stattgefunden haben, analysiert die Führungskraft (mit ihren Mitarbeitern), inwieweit sich das Verhalten der Verkäufer tatsächlich geändert hat und die Ziele der Gesamtmaßnahme erreicht wurden. Abhängig davon entscheidet sie, an welchen Punkten ein Nachjustieren sinnvoll oder nötig wäre.

Vorteile auch für die Führungskräfte

Das Coachen und Unterstützen der Mitarbeiter beim Weiterentwickeln ihrer Kompetenz erfordert von ihren Führungskräften gerade in der Startphase eine hohe Investition an Zeit – Zeit, die ihnen, so ein häufiger Einwand der Führungskräfte, im Arbeitsalltag oft fehlt. Deshalb sollte den Führungskräften in der Coaching-Ausbildung vermittelt werden, wie wichtig das Wahrnehmen dieser Funktion für den mittel- und langfristigen Erfolg des Unternehmens ist. Außerdem sollten sie darin trainiert werden, ihren Arbeitsalltag so zu strukturieren, dass sie ihre Coaching-Funktion erfüllen können.

Vermittelt werden sollte ihnen auch, dass das systematische Entwickeln der Kompetenz ihrer Mitarbeiter mittelfristig zu einer Arbeitsentlastung von ihnen führt. Denn je professioneller ihre Mitarbeiter ihre Aufgaben wahrnehmen, umso seltener müssen sie korrigierend eingreifen. Außerdem steigt, wenn ihre Mitarbeiter professioneller im Markt agieren nicht nur deren Umsatz und Provision, sondern auch ihr Einkommen. Denn im Vertrieb orientiert sich die Vergütung der Führungskräfte meist stark an der Performance der Mitarbeiter. Deshalb lohnt sich auch für sie die Investition von Zeit.

Weitere Informationen: Iris Hartmann arbeitet als Salestrainerin und Salescoach-Ausbilderin für das ifsm Institut für Salesmanagement, Urbar bei Koblenz, das unter anderem zertifizierte Sales Coachs ausbildet.
Kontakt: Tel.: 0261 9623641, E-Mail: info@ifsm-online.com, Internet: www.ifsm-online.com