Kommentar: Feindbild Internetvertrieb

11.01.2006 von Frank Garrelts
Was können Fachhandel und Hersteller tun, um dem dem zunehmenden Preisverfall durch den Internetvertrieb zu begegnen? Frank Garrelts, Vorstand der Akcent Computerpartner AG, hat sich zu diesem Thema Gedanken gemacht.

Was können Fachhandel und Hersteller tun, um dem dem zunehmenden Preisverfall durch den Internetvertrieb zu begegnen? Frank Garrelts, Vorstand der Akcent Computerpartner AG, hat sich zu diesem Thema Gedanken gemacht.

Fragt man Markenhersteller zu den Billiganbietern im Internet, so ist meist die Antwort, dass man die Vertriebskanäle nicht nachvollziehen könne und dass diese Firmen sich im grauen Markt mit der Ware bedienen. Das heißt, diese Händler beziehen Waren im Ausland über vom Hersteller nicht autorisierte Vertriebskanäle oder aus Überhängen von Händlern, Großhändlern oder sonstigen Anbietern.

Fakt ist, dass diese Angebote meist so billig sind, dass selbst ein Discounthändler nicht mithalten kann. Nun ist dieses Phänomen seit geraumer Zeit bekannt. Jeder schimpft darüber, aber keiner weiß, was man wirklich dagegen tun soll.

Wenn man Dinge nicht verändern kann, sollte man auf andere Art und Weise Abhilfe schaffen. Gehen wir also davon aus, dass sich der smarte Käufer immer wieder bei diesen Angeboten bedienen wird. Dennoch ist nicht zu leugnen, dass auch der smarte Käufer einen Fachkontakt vor Ort vorzieht. Er würde schon gerne mit dem im Internet erworbenen Produkt zu einem Fachberater in seiner Nähe gehen, um dort eventuell Zusatzprodukte und Zubehör zu erwerben oder um Dienstleistungen zu diesem Produkt zu erhalten. Auch in Gewährleistungs- und Garantiefällen wäre ihm sicher der Herstellerpartner lieber als ein günstiger Internethändler.

Kundenbindung an den Herstellerpartner

Eine Möglichkeit für die Hersteller, die Vertriebskanäle im Internet zumindest besser zu kontrollieren, wäre es, der Geräteverpackung eine Garantie- beziehungsweise Servicekarte mit der Internetadresse des Herstellers beizulegen. Auf dieser Website gibt es ein Verzeichnis der Vertragshändler in Europa. Erwirbt jemand im Internet ein Produkt und geht mit dieser Karte zum nächstgelegenen Fachhandelspartner des Herstellers, kann er die Karte dort abgeben, und der Vorgang wird als Gewährleistungs- und Garantieurkunde gelistet. Für diese Kundenpflege erhält der Händler bei Einsendung der Garantiekarte an den Hersteller eine Bearbeitungsgebühr in einer vom Hersteller festzulegenden Größe.

Was ist damit erreicht?

1. Der Fremdkäufer, der in einem nicht autorisierten Kanal Ware erworben hat, wird einem Fachhandelspartner des Herstellers zugeführt. Das bedeutet für den Hersteller, dass er trotz des grauen Vertriebskanals sichergehen kann, dass sein Markenkunde von einem echten Partnerbetrieb betreut wird, wenn er künftig Probleme hat.

2. Über die Karte, die auch die Seriennummer des Gerätes enthält, kann der Hersteller herausfinden, wie und über welche Kanäle die Ware an den Grauanbieter gegangen ist, und eventuell Maßnahmen treffen, diesen Kanal zu schließen. Hierzu ist es allerdings erforderlich, dass der Kunde angibt, wo er das Gerät erworben hat.

3. Der Händler hat die Möglichkeit, den Kunden für Zubehör und weitere Beratung zurückzugewinnen. Der Kunde kann ohne die Furcht, einen Fremdkauf eingestehen zu müssen, zum Fachhändler gehen, denn er weiß, dass mit der Übergabe der Karte eine entsprechende Vergütung an den Händler fließt. So haben durch diese einfache Maßnahme alle drei Beteiligten an dem Prozess entscheidende Vorteile. Die oben geschilderte Maßnahme ist nach praktischem Empfinden eine wirksame und in der Hand des Herstellers durchaus attraktive Maßnahme, den Vertriebskanal zu ordnen.

Meines Erachtens ist es erforderlich, über derartige Schritte nachzudenken, weil sich die Handelslandschaft durch die neuen Medien grundlegend verändert hat. War der Fachhändler früher nicht nur Vertriebspartner sondern auch Lagerhalter des Herstellers, so hat er sich heute mehr und mehr in die Position des Fachberaters und des Servicepartners des Herstellers zurückgezogen. Aufgrund der ständigen Produktinnovationen und des fortlaufenden Preisverfalles kann der typische mittelständische Fachhändler die Lagerhaltungsfunktion nicht mehr richtig erfüllen. Damit hat natürlich der Fachhändler auch den Anspruch auf einen bestimmten Margenbestandteil verloren. Erfolgt kein Wareneinsatz beim Fachhandel, so ist dieser auch nicht mit einer Handelsspanne zu vergüten.

Vielleicht sollten sich Hersteller, Distributoren und Fachhändler an einen Tisch setzen und Modelle der Marktbearbeitung in der Zukunft besprechen. Auch hier gibt es im internationalen Bereich bereits Beispiele, in denen die Distribution direkt an Kunden des Händlers liefert. Der Distributor muss allerdings den Kunden schützen und sich bereiterklären, keine Direktverkäufe zu tätigen. Diese Treue muss gewährleistet sein.

Ebenso könnte es bei vertrauensvoller und partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Händler dazu kommen, dass der Händler die Kundendaten an den Hersteller gibt, damit dieser Informationen über Produktinnovationen auch direkt per Newsletter an den Kunden senden kann. Ein solches Vorgehen wird sicher vom Hersteller gewünscht, aber bisher vom Händler in aller Regel abgelehnt.

Allerdings muss man sich hier in die Lage des Händlers versetzen, der bei einem Programm- oder Markenwechsel seinen Kunden behalten und ihn von seiner neuen Vertriebspartnerschaft überzeugen will. Es ist dem Händler nicht daran gelegen, mit einem Herstellerwechsel seine Kunden an den ehemaligen Hersteller zu verlieren. Darum werden solche "Direct Touch"-Modelle in der Regel nicht von Erfolg gekrönt sein. (bw)