Urteile im Arbeitsrecht

Kommentierte Rechtsprechung, Teil 3

10.10.2012
Welche Bedeutung arbeitsrechtliche Urteile für die Praxis haben, erläutert Christoph J. Burgmer. Im Detail: befristete Arbeitsverträge mit älteren Mitarbeitern, Löschung persönlicher Daten von der Firmen-Website sowie Entschädigung für schwerbehinderte Bewerber.
Wer Profil und Foto eines Mitarbeiters auf seiner Homepage veröffentlicht, läuft Gefahr, dessenPersönlichkeitsrecht zu verletzen.

In den drei kommentierten Urteilen geht es um die Themen befristete Arbeitsverträge mit älteren Mitarbeitern, Löschung persönlicher Daten von der Firmen-Website sowie Entschädigungsanspruch eines schwerbehinderten Bewerbers..

Urteil 1: Befristete Arbeitsverträge mit älteren Arbeitnehmern
Gericht: BAG, Urteil vom 19.10.2011, 7 AZR 253/07

Leitsatz:

Ein enger sachlicher Zusammenhang zu einem früheren unbefristeten Arbeitsvertrag im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG (alte Fassung) besteht auch dann, wenn zwischen dem letzten befristeten und dem früheren unbefristeten Vertrag ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, sofern während dieser Zeit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis mit derselben Tätigkeit und demselben Arbeitgeber durch eine ununterbrochene Folge befristeter Verträge fortgeführt wurde.

Bedeutung für die Praxis:

Der ursprüngliche Arbeitsvertrag der Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin war bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres im Jahre 2000 befristet. Die folgenden Verträge waren jeweils auf ein Jahr befristet. Die Klägerin geht gegen die letzte Befristung aus dem Jahre 2005 vor.

Das BAG hielt die letzte Befristung für unwirksam. Eine Befristung mit Sachgrund kam in diesem Fall nicht in Betracht. Auch eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG schloss das BAG aufgrund von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG alte Fassung aus. Hiernach ist die Altersbefristung nach Satz 1 unzulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Diesen sachlichen Zusammenhang sah das BAG aufgrund der dazwischenliegenden befristeten Verträge gegeben. Außerdem sei der ursprüngliche, auf Erreichung des 55. Lebensjahres befristete Arbeitsvertrag, im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG alte Fassung "unbefristet". Solche Verträge würden nämlich laut dem BAG häufig als "auf unbestimmte Zeit geschlossen" bezeichnet.

Diese Entscheidung ist nur noch für Altfälle bis zum 01.05.2007 von Bedeutung. § 14 Abs. 3 TzBfG in der heutigen Fassung lässt eine Altersbefristung ab Vollendung des 52. Lebensjahres nur noch zu, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zuvor mindestens vier Monate beschäftigungslos war. Die Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit Europarecht wird aber in der Literatur angezweifelt.

Arbeitnehmerdaten auf Arbeitgeber-Homepage

Urteil 2: Löschung persönlicher Daten ausgeschiedener Arbeitnehmer von der Unternehmens-Homepage
Gericht: LAG Hessen, Urteil vom 24.01.2012, 19 SaGa 1480/11

Leitsätze:

1. Der Arbeitgeber greift durch die Nutzung des Bildes, Namens und Profils des ausgeschiedenen Arbeitnehmers auf seiner Unternehmenshomepage in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein.

2. Der betroffene Arbeitnehmer kann die Löschung der Daten im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen.

Bedeutung für die Praxis:

Nach dem Ausscheiden der Klägerin aus einer Rechtsanwaltskanzlei wurde zwar der Lebenslauf auf der Homepage der Beklagten gelöscht. In dem "News-Blog" der Homepage waren aber weiterhin Profil und Foto der Klägerin zu sehen, verbunden mit der Formulierung: "langjährige Berufserfahrung in Deutschland und in den USA, von der unsere Mandanten profitieren werden". Die Klägerin widerrief eine potenzielle Einwilligung für die Veröffentlichung. Im Wege der einstweiligen Verfügung verlangte die Klägerin, den Eintrag in dem News-Blog zu entfernen.

Das hessische LAG gab der Klägerin Recht. Eine Interessenabwägung gehe deutlich zu Gunsten der Klägerin aus. Diese habe ein persönliches und ein berufliches Interesse an der Beendigung der Veröffentlichung. Einerseits sei die Veröffentlichung von Namen, Bild und Profil ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht.

Andererseits entstehe für Außenstehende der Eindruck, dass die Klägerin weiterhin für die Kanzlei tätig sei, was für sie zu beruflichen Nachteilen führen könne. Ein dem gegenüberstehendes Interesse des Arbeitgebers wurde vom hessischen LAG nicht anerkannt.

Schwerbehinderter Bewerber

Urteil 3: Entschädigungsanspruch eines schwerbehinderten Bewerbers
Gericht: BAG, Urteil vom 16.02.2012, 8 AZR 697/10

Leitsätze:

1. Unterlässt es der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 S. 2 SGB 9, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so ist dies ein Indiz für eine Benachteiligung.

2. Ein schwerbehinderter Bewerber muss bei einem öffentlichen Arbeitgeber die Chance eines Vorstellungsgesprächs bekommen, wenn seine fachliche Eignung zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.

Bedeutung für die Praxis:

Der schwerbehinderte Kläger macht einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Seine Bewerbung als "Pförtner/Wächter" wurde trotz eines Hinweises auf seine Schwerbehinderung ohne Einladung zu einem Vorstellungsgespräch abgelehnt. Die öffentliche Arbeitgeberin erklärte, der Kläger sei deshalb nicht eingeladen worden, weil den Unterlagen kein Hinweis auf eine Sachkundeprüfung nach § 34a (Bewachungsgewerbe) GewO zu entnehmen gewesen sei. Vor allem habe eine Einladung zum Vorstellungsgespräch deshalb unterbleiben können, weil nach der Rahmenintegrationsvereinbarung Einvernehmen bestanden habe, dass der Kläger für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht komme.

Das BAG sprach dem Kläger den Entschädigungsanspruch zu. Dadurch, dass die Einladung zum Vorstellungsgespräch unterblieben sei, habe die Arbeitgeberin gegen § 82 S. 2 SGB 9 verstoßen. Hierin liege schon ein Indiz für eine Benachteiligung. Dass der Kläger die Sachkundeprüfung nicht vorweisen konnte sei ohne Belang, da dies in der Stellenausschreibung nicht gefordert wurde und er ansonsten den Anforderungen der Stellenausschreibung entsprach. Auch die geltende Integrationsvereinbarung hätte in der Stellenausschreibung erwähnt werden müssen.

Die Pflicht, schwerbehinderte Menschen zum Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn sie nicht offensichtlich für die Stelle ungeeignet sind, besteht nur für öffentliche Arbeitgeber. Doch auch für private Arbeitgeber gelten bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen Pflichten, nämlich nach § 81 SGB 9. Dazu gehört die Meldung bei der Arbeitsagentur oder die Beteiligung des Betriebsrats bzw. der Schwerbehindertenvertretung. Werden diese Pflichten verletzt, kann dies ein Indiz für eine Benachteiligung darstellen. Unter Umständen macht sich dann der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig. (oe)

Christoph J. Burgmer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Medizinrecht und Wirtschaftsmediator.
Internet: www.burgmer.com