Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern und die Rolle des Integrationsamtes

02.01.2008
Rechtsanwalt Dr. Christian Salzbrunn über die juristische Lage im Fall einer Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers.

Es ist allgemein bekannt, dass Schwerbehinderte bzw. Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen im Arbeitsrecht einen erhöhten Kündigungsschutz genießen. Denn nach § 85 SGB IX bedarf die arbeitsrechtliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschens immer der vorherigen Zustimmung durch das zuständige Integrationsamt. Eine ohne diese Zustimmung ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist ohne wenn und aber unwirksam. Liegt eine solche Zustimmung des Integrationsamts allerdings vor, hat der Arbeitgeber nach § 88 Abs. 3 SGB IX einen Monat lang Zeit, die arbeitsrechtliche Kündigung gegenüber dem schwerbehinderten Arbeitnehmer zu erklären.

Fraglich war allerdings bislang, ob der Arbeitgeber innerhalb dieses Zeitraums von einem Monat befugt ist, bei einem gleich bleibenden Kündigungssachverhalt auch mehrere, aufeinander folgende Kündigungserklärungen auszusprechen oder ob die Zustimmung des Integrationsamts nur für eine einzige Kündigungserklärung wirkt und mit dem erstmaligen Kündigungssauspruch bereits "verbraucht" ist.

Dieser Rechtsfrage, über welche das BAG am 08.11.2007 urteilen musste, lag folgender Sachverhalt zu Grunde: eine seit 2001 beschäftigte Arbeitnehmerin war seit Anfang 2003 mehr als ein Jahr lang durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem die Arbeitnehmerin ihren Arbeitgeber schließlich über ihre Anerkennung als Schwerbehinderte informierte, beantragte der beklagte Arbeitgeber beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung der Klägerin aus krankheitsbedingten Gründen. Das Integrationsamt stimmte einer solchen Kündigung am 06.10.2004 zu. Daraufhin sprach der beklagte Arbeitgeber am 02.11.2004 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2004 aus. Nachdem aber der Rechtsanwalt der Arbeitnehmerin diese Kündigungserklärung wegen der fehlenden Vorlage einer Originalvollmacht nach § 174 BGB zurückwies, kamen dem beklagten Arbeitgeber Bedenken wegen der formellen Rechtmäßigkeit der Kündigungserklärung vom 02.11.2004 auf. Daher sprach dieser am 04.11.2004 vorsorglich eine erneute ordentliche Kündigung, ebenfalls zum 31.12.2004 aus.

Die Arbeitnehmerin erhob hiergegen eine Kündigungsschutzklage und machte im Rahmen des Verfahrens geltend, dass die zweite Kündigung vom 04.11.2004 rechtswidrig sei, weil diese ohne eine weitere Zustimmung des Integrationsamts ausgesprochen worden sei. Nach ihrer Ansicht sei die am 06.10.2004 erteilte Zustimmung mit der Aussprache der ersten Kündigung am 02.11.2004 "verbraucht" worden.

Dieser Rechtsansicht erteilten die Richter des Bundesarbeitsgerichts in ihrem Urteil vom 08.11.2007 eine eindeutige Absage. Entgegen der Auffassung der Arbeitnehmerin sei die gem. § 85 SGB IX erforderliche Zustimmung durch den ersten Kündigungsausspruch nicht "verbraucht" worden. Die Zustimmung des Integrationsamts sei nach § 88 Abs. 3 SGB IX einen Monat lang gültig und beseitige in diesem Zeitraum die für einen schwerbehinderten Menschen bestehende Kündigungssperre. In diesem Zeitraum könne der Arbeitgeber nach Ansicht des BAG bei gleich bleibendem Kündigungssachverhalt auch mehrfach kündigen, ohne dass es einer erneuten Zustimmung von Seiten des Integrationsamts bedarf (BAG, Urteil vom 08.11.2007, Az.: 2 AZR 425/06).

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