Wohnen und arbeiten unter einem Dach

Kündigungsschutz bei Gewerberäumen

03.02.2015 von Renate Oettinger
Bei Mietverträgen über Gewerberäume kann der Vermieter in der Regel ohne Angabe von Gründen kündigen. Doch es gibt Ausnahmen. Die Arag-Experten nennen Details.

Vermieter müssen für die Kündigung von Wohnraum ein berechtigtes Interesse vorweisen können. Wer sich auf keinen der im Gesetz aufgezählten Kündigungsgründe berufen kann, hat schlechte Karten, wenn er den Vertrag mit seinem Mieter beenden will. Anders sieht es dagegen bei Mietverträgen über Gewerberäume aus: Hier kann der Vermieter ohne Angabe von Gründen kündigen, der Mieter genießt also keinen Kündigungsschutz.

Doch was gilt, wenn das vermietete Objekt vom Mieter sowohl zum Wohnen als auch zum Arbeiten genutzt wird? Die Arag-Experten informieren über ein aktuelles Urteil, in dem sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dieser Frage befasst hat.

Bei Mietverträgen kann es sich unter bestimmten Umständen um Mischmietverhältnisse handeln.
Foto: Bernd Leitner/Fotolia

Wohnung und Praxis unter einem Dach

Der Fall: Die Karlsruher Richter hatten über die Räumungsklage eines Vermieters zu entscheiden. Der hatte ein mehrstöckiges Haus an die Beklagten vermietet. Im Mietvertrag war geregelt, dass die Beklagten das Erdgeschoss für ihre Hypnosepraxis nutzen durften. Einige Jahre später kündigte der Vermieter den Vertrag - allerdings ohne Angabe von Kündigungsgründen. Die Beklagten wollten das nicht hinnehmen und widersprachen der Kündigung. Der Fall ging daraufhin vor Gericht.

Urteil in der Vorinstanz

Die Vorinstanz entschied noch zugunsten des Vermieters. Die freiberufliche Nutzung sei vorherrschender Vertragszweck, weil die Beklagten mit der Praxis ihren Lebensunterhalt bestritten hätten. Die Kündigung richte sich deshalb nach dem Gewerberaummietrecht und habe ohne Begründung erfolgen können.

Urteil des BGH

Der BGH sah die Sache anders: Es sei zwar richtig, dass es sich bei dem Vertrag um ein sogenanntes Mischmietverhältnis handele. Davon wird bei einem einheitlichen Mietverhältnis über Wohn- und Geschäftsräume gesprochen, dessen Rechtsfolgen sich entweder nur nach Wohnraummietrecht oder nur nach Gewerberaummietrecht richten - je nachdem, welcher Zweck bei Vertragsschluss überwiegt. Für die Beantwortung dieser Frage sei das Bestreiten des Lebensunterhalts durch die gewerbliche Nutzung jedoch kein sachgerechtes Kriterium, so das Gericht. Denn Wohnen sei ein wesentlicher Aspekt des täglichen Lebens und überdies grundgesetzlich geschützt und daher nicht generell weniger wert als die Erwerbstätigkeit. Vielmehr müssten immer alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, so etwa das Vertragsformular, die Verteilung der Fläche auf Wohnen und Arbeiten oder das Verhältnis der Mietanteile. Bestünden danach noch Zweifel, welche Nutzung überwiegt, seien zum Schutz des Mieters die Vorschriften über Wohnraum anzuwenden, betont der BGH. Im vorliegenden Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass unter anderem wegen des Vertragsformulars und der - für Gewerberäume untypischen - unbegrenzten Vertragslaufzeit von einer Wohnraummiete auszugehen sei und wies die Räumungsklage mangels wirksamer Kündigung ab (BGH, Az.: VIII ZR 376/13).

Originaltext unter: http://www.arag.de/rund-ums-recht/rechtstipps-und-urteile/heim-und-garten

Gerichtsurteile (und Analysen) – Teil 14
Kein Vergütungsanspruch bei Abzocke
Wer für sein Unternehmen die Eintragung ins Handelsregister oder eine Änderung der Eintragung beantragt, sollten sich die dazu eingehenden Rechnungen sehr genau ansehen, sagt René Neubert von WW+KN.
Fingierte Testbewerbung nicht immer zulässig
Beim Testing bewerben sich zwei Testpersonen auf real ausgeschriebene Stellen, die keine Unterschiede in den relevanten Qualifikationen und Eignungen aufweisen. Dieses Verfahren darf aber nicht missbraucht werden.
Webshop-Werbung mit "Geld-zurück-Garantie"
Der BGH stellte fest, dass eine beworbene "Geld-zurück-Garantie" in keiner Weise über das 14-tägige Widerrufsrecht bzw. Rückgaberecht nach der damaligen Rechtslage hinausgeht, das dem Verbraucher beim Online-Handel ohnehin zusteht. Details von Manfred Wagner und Thorsten Dohmen.
Softwareverkäufer und Urheberrecht
Das Landgericht Berlin hat den isolierten Verkauf von im Ausland erworbenen Produktschlüsseln für rechtswidrig erklärt. Manfred Wagner kritisiert dieses Urteil.
Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag
Wirksame Ausschlussfristen lassen Ansprüche möglicherweise schon nach drei Monaten verfallen, selbst wenn sie eigentlich erst in drei Jahren verjähren würden.
Nichtübernahme des Mitarbeiters und Betriebsratstätigkeit
Schützt eine Betriebsratsmitgliedschaft einen befristet Beschäftigten vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses? Diese Frage beschäftigte die Rechtsprechung. Stefan Engelhardt nennt Details.
Vorsicht bei Dumpinglöhnen
Eine ausgesprochen interessante Entscheidung hat das Arbeitsgericht Eberswalde am 10.9.2013 zum Aktenzeichen 2 Ca 428/13 getroffen. Stefan Engelhardt stellt das Urteil vor.
"Zur vollen Zufriedenheit" ist Schulnote Drei
Bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis unter Verwendung der Zufriedenheitsskala, die ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ erfüllt zu haben, erteilt er in Anlehnung an das Schulnotensystem die Note „befriedigend“.
Sind mehrere Angebote des Chefs erlaubt?
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einem Urteil zur Kündigung des bisherigen Arbeitsvertrages und zum gleichzeitigen Angebot an den Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den geänderten Vertragsbedingungen fortzusetzen, geäußert.
Gericht sieht Diskriminierung nicht gegeben
Ein schwerbehinderter Bewerber hat nicht immer einen Entschädigungsanspruch, wenn er in einem Auswahlverfahren, das sich an eine bestimmte Personengruppe richtet, nicht berücksichtigt wurde.
Arbeitsunfall – wer haftet?
Der Arbeitgeber muss gegenüber der Berufsgenossenschaft nicht bei jeder ihm vorzuwerfenden Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften geradestehen.
Kunde hat kein Recht auf eisfreien Parkplatz
Bei kleinen und gut sichtbaren vereisten Flächen kann dem Kunden auch ein minimaler "Umweg" zugemutet werden.
Beendigung von Telearbeit gilt als Versetzung
Die Einbindung des Arbeitnehmers in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung ist auch bei teilweiser Telearbeit aufgrund von deren Besonderheiten eine völlig andere als ohne Telearbeit. Der Mitarbeiter muss weiterbeschäftigt werden.
Diskriminierung bei der Bewerbung
Wer auf eine Statistik verweist, um seine Benachteiligung bei einer Bewerbung zu belegen, muss darauf achten, dass diese aussagekräftig, also für die umstrittene Fallkonstellation gültig ist.