Strategien im Verkauf

Kunden wie Freunde behandeln

12.10.2012
Wenn sich die Produkte und der Service immer ähnlicher werden, sind Werte die entscheidenden Kauffaktoren. Deswegen sollten Sie in die Beziehung zu Ihren Kunden investieren – wie es bei Freundschaften üblich ist.
Nachhaltiges Handeln: Beim Verkaufen sollte man eine echte Beziehung aufbauen und dem Kunden wirklich helfen, so dass man beim nächsten Mal wieder gerne gesehen ist.
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Von Jürgen Frey, highway-to-sell.de

Kunden sind heute anspruchsvoll und informiert. Sie wollen exzellente Produkte kaufen. Und sie wollen auch noch ein gutes Gefühl dabei haben. Sie kaufen am liebsten dort, wo sie sich und anderen etwas Gutes tun. Also wie bei Freunden.

Deshalb werden im Vertrieb Werte, die eine Freundschaft charakterisieren, immer wichtiger: Verlässlichkeit, Gespräch auf Augenhöhe oder Vertrauen. So entwickeln sich langfristige Kundenbeziehungen, durch die sich jedes Unternehmen kontinuierlich entwickelt.

Dagegen setzen viele Verkaufstrainings heutiger Tage noch auf den schnellen Erfolg. Erzeugen Druck beim Kunden und Verkäufer. Doch die Kunden entziehen sich und wechseln zu anderen Anbietern. Und die Verkäufer bluten aus und melden sich krank mit Burnout.

Der Vertrieb wandelt sich: Früher kaufte man das beste Produkt. Dann wurden diese jedoch immer ähnlicher. Dadurch entwickelte sich der Service zum entscheidenden Kauffaktor. Doch mittlerweile ist auch der Service oft vergleichbar. Deshalb tritt jetzt das Thema Werte in den Vordergrund. Das müssen Verkäufer verstehen und praktizieren.

Heute üben erfolgreiche Vertriebler ihren Job mit großer Leidenschaft aus. Aber sie wollen nicht um jeden Preis verkaufen, sondern eine echte Beziehung aufbauen und Kunden wirklich helfen, so dass sie beim nächsten Mal wieder gerne gesehen sind. Diese Nachhaltigkeit wird honoriert. Das höre ich nach meinen Beratungen und Coachings. Und das zeigen die Verkaufszahlen meiner Kunden.

Kernkompetenz

Den Kunden interessiert, was er von dem Produkt hat, das er kaufen soll, egal ob Ware oder Dienstleistung. Deshalb muss sich ein Unternehmen in dem Segment genauestens auskennen, um den zentralen Nutzen kontinuierlich zu verbessern und möglichst einzigartig zu sein. Oft stelle ich fest, dass Unternehmen, nachdem sie ein gutes Produkt entwickelt haben, sich gleich ans nächste machen. Mit dem Versuch der Diversifizierung hat sich Daimler in den 90ern viele Probleme geschaffen. Mit dem Ergebnis, dass BMW und Audi seit Jahren gleichauf mit Mercedes liegen.

Viel effizienter ist, das gute Produkt besser zu machen, die Kernkompetenz weiterzuentwickeln. Dann "verkaufen" die Mitarbeiter nicht, sondern sie wissen genau, was das Unternehmen kann und welchen Nutzen es bietet. Und sie gewinnen so immer wieder von Neuem das Vertrauen ihrer Kunden. Diese Stärke macht diese Firmen attraktiv. Sie fallen nicht um, wenn ein Konkurrent günstiger ist, weil sie ein genau definiertes "Mehr" verkaufen.

Mein Tipp: Kümmern Sie sich um alles, was Ihren Kunden wichtig ist. Wenn Sie das selbst leisten können, gehört es zu Ihrer Kernkompetenz. Sonst lagern Sie es an Dritte aus oder geben es auf.

Suchen Sie nach neuen Märkten, für die Ihre Kernkompetenz wichtig ist. Sie sind Marktführer für Theatervorhänge? Dann suchen Sie sich andere Märkte, die schwer entflammbare Stoffe benötigen. Dies ist beispielsweise auf Messen der Fall.

Auf der nächsten Seite geht es u.a. um die Frage "Wie gut kennen Sie Ihre Kunden?"

Die gnadenlosen Killerphrasen der Kunden

"Das ist aber alles andere als ein Schnäppchen!"

"Letzlich entscheidet der Preis, ob wir zusammenkommen!"

"Sie sind mindesten 20 Prozent teurer als der Wettbewerb!"

"Jetzt packen Sie die alle einfach mal aus. Dann können wir morgen über günstige Ausstellungsstücke reden."

"Ein Bekannter hat vielleicht die Hälfte dafür bezahlt."

"Wie ist denn der Preis, wenn Sie die "vergoldete" Verpackung weglassen?"

"Das ist doch eh ein Auslaufmodell."

"Sie wissen doch so gut wie ich, dass nach einem halben Jahr der Preis um die Hälfte runtergeht."

"Das gibt es doch bestimmt gebraucht wesentlich günstiger, oder?"

"Sie haben ein Geschäft – ich habe hunderte."

"Jetzt versuchen Sie es bitte nochmal mit Kopfrechnen."

"Hallo? Ich möchte nicht gleich den ganzen Laden kaufen!"

"Holen Sie mir mal den Chef ran!"

"Was muss denn passieren, damit Sie mit dem Preis runtergehen?"

"Über den Wartungsvertrag reden wir dann morgen."

"Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?"

"Ich kaufe doch schon so lange bei Ihnen ein."

"Sie wollen doch auch mal einen Großauftrag von uns bekommen, oder?"

"Ich wette, dass Ihr Kollege dort drüben wesentlich billiger ist."

"Sie kennen wohl geizhals.at nicht, was?"

"Und ich dachte immer, Sie hätten die besten Preise weit und breit."

"Da kann ich ja gleich in der Apotheke einkaufen."

"Ist doch nicht mein Problem, wenn Sie zu teuer einkaufen!"

"Jetzt kommen Sie mir nicht wieder mit Ihren Mondpreisen!"

"Für so was habe ich noch nie mehr bezahlt."

"Warum kostet das denn soviel? Das kommt doch eh alles aus China."

"Bei meinem Umsatz mit Ihnen müssen fünf Prozent Rabatt locker drin sein!"

"Der Preis muss schon knackig sein, wenn Sie im Rennen bleiben wollen."

"Ich empfehle nur jene weiter, die mir einen guten Preis machen."

"Sie wollen doch Folgegeschäfte mit mir machen, oder?"

"Jetzt nennen Sie mir einfach mal den Projektpreis dafür."

"Dafür verdienen Sie doch an allem anderen sehr gut."

"Im Internet habe ich das viel billiger gesehen!"

"Wie sagt man so schön: A bisserl was geht immer!"

"Wollen Sie mich nun als Kunden oder nicht?"

"Welche günstigeren Alternativen haben Sie denn?"

"Für Service zahle ich prinzipiell nichts."

"Hopp oder topp – mehr zahle ich nicht."

"Ich weiß genau, dass Sie da immer noch gut daran verdienen."

"Reden wir nicht lange rum: Was ist Ihr bester Preis?"

"Ich bin ganz Ohr, was Ihr Entgegenkommen anbelangt."

"Sie sind doch sicherlich an einer längerfristigen Zusammenarbeit interessiert, oder?"

"Rechnen Sie bitte nochmal mit spitzem Stift nach."

"Das liegt weit über meinem Budget."

"Ihr Angebot liegt weit über dem der anderen."

"Ich bin sicher, dass das nicht Ihr letztes Wort war."

"Ohne ein Entgegenkommen wird das nichts mit uns!"

"Warum sind Sie eigentlich so viel teurer als andere?"

"Was kostet es, wenn ich 300 Stück abnehme?" (wohlwissend, dass der Bedarf bei zwei Stück liegt)

"Sehen Sie, mir ist das letztlich doch eh egal, von wem ich das kaufe."

"Das kann ich woanders viel billiger kaufen!"

Zielgruppenfokus und Kundenbeziehungspflege

Jürgen Frey: "Erfüllen Sie die wichtigsten Bedürfnisse Ihrer Kunden, dann sind Sie praktisch Zielgruppenbesitzer."

Das Verhalten von Freunden ist gut einzuschätzen, aber Fremde sind schwer berechenbar. Wie gut kennen Sie Ihre Kunden? In den guten alten Zeiten produzierte Opel den Kadett für Einsteiger, den Manta für sportliche Singles und den Diplomat für Geschäftsführer. Heute kämpft der Hersteller ums Überleben und wenige würden an dem Unternehmensgrab weinen.

Denn Opel hat nur wenige Fans, weil sich das Unternehmen sehr breit aufgestellt und auf keine bestimmte Zielgruppe konzentriert hat, außer vielleicht der aussterbenden Mitte. Ganz anders bei Apple. Wer also sind Ihre Kunden? Jüngere oder Ältere? Premium oder billig? Welche Bedürfnisse befriedigt Ihr Unternehmen bei Ihren Kunden?

Fragen Sie Ihre Kunden und zwar offen und ehrlich. Gründen Sie einen Kundenbeirat. Die guten Softwareprogramme werden weiterentwickelt, weil die Kunden ihre Bedürfnisse aus der täglichen Anwendung anmelden. Denn sie wissen, was noch besser gemacht werden kann. Erfüllen Sie die wichtigsten Bedürfnisse Ihrer Kunden, dann sind Sie praktisch Zielgruppenbesitzer. Die Hürde für Mitbewerber ist extrem hoch. Die Hürde für Kunden, ein anderes Programm zu nutzen, ist schier unüberwindlich.

Mein Tipp: Kristallisieren Sie durch immer feinere und exaktere Bewertungen die eine Zielgruppe heraus, auf die Sie Ihr Angebot zuschneiden möchten. Lernen Sie Ihre Zielgruppe immer besser kennen: Durch direkte Gespräche oder indirekt zum Beispiel über den Zeitschriftenmarkt.

Kundenbeziehungspflege

Wenn Sie nach den ersten beiden Schritten auch die Servicequalität verbessert haben, für ihre Innovationsfähigkeit sorgen, die Verkaufsstrategie optimiert und die Kundenzufriedenheit gemessen haben, sollten Sie die Kundenbeziehung pflegen.

Kennen Sie das? Sie werden von Freunden zum Essen eingeladen und wollen sich bei nächster Gelegenheit revanchieren. "Reziproken Altruismus" nennen das Biologen, die das Sozialverhalten von Affen beobachten. Die Rollen des Gebers und Nehmers wechseln ständig: Der eine hilft bei der Fellpflege, der andere unterstützt bei der Jagd. Und der Gesamtnutzen übersteigt am Ende die Gesamtkosten.

Nutzen Sie dieses Verhalten im Verkauf: Gehen Sie in Vorleistung. Sie präsentieren Ihr Produkt, einen Schreibtischstuhl. Überlassen Sie dem Kunden das ausgewählte Modell für 14 Tage. Die ausführliche "Popo-Probe" schafft das entscheidende Vertrauen. Denn der Kunde merkt, dass Sie von Ihrem Produkt überzeugt sind. Sie sind an einer positiven Beziehung mit ihm interessiert. Noch entscheidender: Schenken Sie ihm Aufmerksamkeit und Zeit. Denn das kann kein Werbegeschenk ersetzen.

Wie in jeder Beziehung, geht auch in der Kundenbeziehung mal was schief. Sie liefern das falsche Modell. Sie liefern eine Stunde später, der Kunde ist auf einem Termin und kann den Stuhl nicht entgegennehmen. Das ist menschlich. Aber das Beziehungskonto ist nicht mehr ausgeglichen.

Sie sollten aktiv werden, sich überlegen, wie Sie den "Schaden" wieder gut machen können. Denn wenn Ihnen das gelingt, dann überzeugen Sie den Kunden wieder. Schließlich wächst auch eine Freundschaft, wenn nach einem Missverständnis, eine überzeugende Entschuldigung gelingt. So festigt ihre Reaktion die Kundenbeziehung.

Mein Tipp: Bemühen Sie sich um Ihre A-Kunden besonders und überraschen Sie diese. Unterstützen Sie diese Kunden bei der Weiterempfehlung. Tragen Sie durch Kundentage, Sommerfest, Online-Foren dazu bei, dass sich Ihre Kunden austauschen können. (tö)

Autor des Beitrags ist Jürgen Frey, Wirtschaftsingenieur und Autor des Buches "Mein Freund, der Kunde - Ohne Tricks und Fallen Kunden gewinnen und behalten". Der Marketing- und Vertriebsexperte lebt im württembergischen Giengen und berät seit zehn Jahren Unternehmen in ganz Deutschland. Die Tipps des gelernten Industriemechanikers sind praxisnah und sofort umsetzbar. Auf seine Kompetenz und internationale Erfahrung setzen Krankenkassen ebenso wie Industrieunternehmen und Handwerksbetriebe. www.highway-to-sell.de