Lohnt sich eine Intel-E7505-Plattform?

21.05.2004
Die Situation ist obskur. Ein Dual-Xeon-System ist oft billiger als eine P4-Extreme-Plattform und bietet zudemeine höhere Performance. Wir zeigen, wann dies zutrifft und erklären den E7505/Placer-Chipsatz im Detail. Von Bert Tölpel, Daniel Schuhmann und Uwe Scheffel

Bislang führten Dual-Xeon-Systeme ein Nischendasein, denn sie waren primär für Server- und Workstation-Anwendungen ausgelegt. Der hohe Preis machte sie für Standardanwender unattraktiv. So benötigte man teure Speichermodule, Spezialnetzteile und große hässliche Gehäuse. Inzwischen hat sich diese Situation erheblich geändert. Vergleichen wir nämlich die Preise eines Pentium 4 Extreme 3.2 GHz mit zwei Xeons mit 2.8 GHz, stellen wir fest, dass Letztere wesentlich günstiger ausfallen. Ein solcher Pentium 4 Extreme kostet 950 Euro, wogegen zwei 2,8 GHz Xeons zusammen mit 760 Euro zu Buche schlagen. Anwendungen, die Dual-Prozessor-Umgebungen explizit unterstützen, fahren meist mit zwei CPUs deutlich schneller als mit einer. In der Speichertechnologie hat sich ebenfalls eine Menge getan. Dank der Einführung des AMD Athlon FX ist Registered-DDR-Speicher deutlich billiger geworden, selbst viele Noname-Hersteller sind auf diesen Zug aufgesprungen. So sind zwei 512-MB-Module schon für 250 Euro zu haben. Zudem gibt es jetzt endlich Motherboards für den Xeon-Sockel 604, die mit so genannten unbuffered Speicher arbeiten können - vorausgesetzt sie basieren auf dem E7505-Chipsatz von Intel. Bislang dominierten die Platz verschlingenden WTX-Platinen dieses Marktsegment, nunmehr bieten viele Hersteller solche Systeme auch im gängigen ATX-Format an, wodurch ein Dual-Sockel-604-Board problemlos in einen herkömmlichen Desktop-Tower passt.

Im Gegensatz zum halbbackenen Hyper-Threading-Verfahren ergeben sich mit einem echtem Dual-Prozessor-PC für bestimmte User große Vorteile im Alltag. So profitiert Software aus den Anwendungsbereichen Grafik-Rendering, Video- und Audio-Encoding sowie der gleichzeitige Betrieb von zwei oder mehreren rechenintensiven Anwendungen durch beeindruckende Leistungsschübe. Im Segment Grafik-Rendering gibt es dualfähige Software wie 3D Studio MAX, Cinema 4D und Lightwave; beim Video Encoding beispielsweise den MainConcept Encoder, Pinnacle Studio 9 oder Flask Mpeg.

Neben der Verwendung von Multiprozessor-Software ändert sich langsam auch das Arbeitsumfeld der Anwender. Da aktuelle Grafikkarten oft über zwei VGA-Ausgänge verfügen und Monitore relativ günstig zu haben sind, arbeiten schon viele mit zwei Displays.

E7505/Placer-Chipsatz: Technik im Detail

Der Intel E7505-Chipsatz mit dem Codenamen "Placer" wird nach der 180-Nanometer-Technologie gefertigt und ist für zwei Prozessoren ausgelegt. Es kommt das gleiche FC-BGA-Package wie beim 875/Canterwood zum Einsatz, deshalb auch die gleiche Anzahl von 1005 Lötpunkten (Soldering Balls). Mit 143 mm? fällt die Fläche des Siliziums (Die) größer aus, denn der 875 benötigt nur 100 mm?. Die Gründe dafür liegen im Wesentlichen am zusätzlichen HUB 2.0 Interface und dem Speichercontroller.

E7505-Chipsatz

Die Northbridge des E7505 (auch Memory Controller Hub, kurz MCH genannt) wird vorzugsweise mit der ICH4- und P64H2-Southbridge gekoppelt, wobei Erstgenannte über das HUB 1.5 Interface verbunden ist und mit 66 MHz taktet. Dieses Interface kann Daten mit maximal 266 MB pro Sekunde bei 8 Bit Busbreite zur Northbridge übertragen. Die P64H2 Bridge arbeitet hingegen mit 133 MHz nach dem HUB-2.0-Protokoll. Dieses kann Datenmengen von bis zu 1 GB pro Sekunde über einen 16 Bit breiten Bus schieben. Des Weiteren verfügt der E7505 über ein Dual-Speicherinterface sowie eine AGP-8x-Schnittstelle.

Die ICH4-Southbridge

Die ICH4 (82801DB) Southbridge, welche im 250-nm-Prozess gefertigt wird, bietet Anschlussmöglichkeiten für 6 USB-2.0-Ports, 4 ATA100-Laufwerke, einen 100 MBit LAN Chip, einen AC97 Sound Decoder sowie eine Unterstützung für maximal 6 PCI Master-Devices mit je 133 MB pro Sekunde Bandbreite.

Bei der P64H2 (82870P2) Bridge verhält es sich anders. Sie wurde für die schnellen PCI-64- und PCI-X-Schnittstellen konzipiert. Das PCI-64-Interface entspricht der Version 2.3. Beide arbeiten im 64-Bit-Modus. Alle Motherboards mit E7505-Chipsatz im WTX-Format bieten Anschlussmöglichkeiten für maximal 3 PCI-64- und 1 PCI-X-Karten. PCI 64 arbeitet entweder mit 33 MHz oder 66 MHz, also Transferraten von 266 MB/sec und maximal 533 MB/sec. Dagegen arbeitet PCI-X mit 66 MHz, 100 MHz und 133 MHz. Hier werden Datenraten von 533 MB/sec bis zu 1066 MB/sec erreicht.

Die HUB-2-Verbindung bietet eine Datentransferrate von maximal 1 GB pro Sekunde zwischen South- und Northbridge, woraus sich folgende Kombinationsmöglichkeiten bei maximaler Interface-Belastung für einen P64H2-Chip ergeben:

- 1x PCI-X 133 MHz = 1.066 MB/s

- 1x PCI-X 100 MHz = 800 MB/s

- 2x PCI-X 66 MHz = 1.066 MB/s

- 2x PCI 64 66 MHz = 1.066 MB/s

- 3x PCI 64 33 MHz = 798 MB/s

Datentransferraten von 1066 MB pro Sekunde werden durch Standard-Steckkarten nicht ausgereizt. Viele PCI-Karten sind in der Lage, nicht nur auf den herkömmlichen PCI 2.3-Slots, sondern auch auf einem PCI-64-Slot ihre Dienste zu verrichten. Beispiele hierfür sind Netzwerkkarten, RAID-Controller und sogar 56k-Modems. Um Fehlkonfigurationen zu verhindern, besitzen diese eine zusätzliche Kerbe an den Anschlusskontakten.

Bis zu 16 GB möglich

Da der Intel E7505-Chipsatz den Prozessordatenbus immer synchron (1:1) mit dem Arbeitsspeicher taktet, kommt für eine solche Plattform nur DDR266-Speicher in Frage. Der Chipsatz besitzt wie der 875 einen Dual Memory Controller, womit er bei 133 MHz einen theoretischen Speicherdurchsatz von bis zu 4.2 GB pro Sekunde erreichen kann. Zum Vergleich: Der 875-Chipsatz schafft 6.4 GB pro Sekunde aufgrund der höheren Taktrate von 200 MHz. Systemsicherheit spielt jedoch eine größere Rolle, deshalb integriert Intel die Option ECC (Error Checking and Correction).

Der E7505 verwaltet wie der 875-Chipsatz 8 Rows (auch als Seiten/Pages bekannt). Zur Erinnerung: 1 Speichermodul besitzt entweder eine Row (einseitig) oder zwei Rows (zweiseitig).

Registered versus Unbuffered Speicher

Klassischer Speicher liegt immer in der so genannten Unbuffered Variante vor. Neu ist der Registered Speicher (früher auch als Buffered Speicher bezeichnet). Hintergrund für die Einführung von Registered Modulen ist folgender Sachverhalt: Je mehr Chips der Speichercontroller zu bewältigen hat, desto unsauberer werden die Datensignale.

Nun der Trick: Setzt man den einzelnen Speicherchips einen kleinen Verwalter vor die Nase, gaukelt jede Row/Seite dem Speichercontroller vor, als wäre nur ein Chip vorhanden. Was die Signalqualität und Datensicherheit verbessert. Dies geht aber auf Kosten der Schnelligkeit, denn der kleine Registerchip verursacht eine kleine Zeitverzögerung der elektrischen Signale.

Dual Xeon

Grundsätzlich ist jede Sockel-604-Xeon-CPU tauglich für die Hyper-Threading-Technologie. Der E7505 ist in der Lage, mit zwei Prozessoren sowie mit der "Hyper Threading" gleichzeitig zu arbeiten. Somit stehen dem Betriebssystem 4 Prozessoren (2 physikalische und 2 virtuelle) zur Verfügung. Dennoch besitzt der Chipsatz lediglich ein CPU Interface, was bedeutet, dass sich beide Prozessoren einen Bus teilen müssen. Bei 133 MHz (533 MHz QDR) Takt ergibt sich daraus eine Bandbreite von 4,2 GB pro Sekunde. Im ungünstigsten Fall erhält jede virtuelle CPU nur einen Datenfluss von nur 1 GB pro Sekunde. Negativ dürfte sich das jedoch nur bei einigen OpenGL-Anwendungen auswirken.

Der Intel Xeon (Codename "Prestonia") basiert auf der gleichen Core wie der Pentium 4 "Northwood". Letzterer arbeitet mit einem FSB von 200 MHz (800 MHz QDR), übersetzt 6.4 GB pro Sekunde. Um die bis zu 34 % niedriger Bandbreite des Xeon auszugleichen, bietet Intel ab der 2.4-GHz-Variante auch Modelle mit 1 oder 2 MB großen L3 Cache an.

Xeon-Workstation-Platinen besitzen im Vergleich zu Standard-ATX-Boards wesentlich mehr Einheiten, beispielsweise PCI64/X-Schnittstellen, zwei Southbridges, LAN-Chips, Spannungsregler, CPU-Sockel oder zusätzliche SCSI-Controller. Um die im Schnitt höhere Anzahl an Komponenten unterzubringen, werden größere Platinen im WTX-Standard benötigt. Diese haben mit Abmessungen von 33 x 33.5 cm gegenüber den ATX-Boards (30.5 x 24.5 cm) eine 32,4% größere Fläche. Boards mit WTX-Formfaktor passen nicht in ein herkömmliches Home-PC-Gehäuse.

ATX oder EPS12V?

Da es sich hier um Dual-CPU-Plattformen handelt, verdoppelt sich auch die Verlustleistung der Prozessoreinheit. Die aktuell schnellsten Xeon-Modelle mit Prestonia-2M-Core und 3.2 GHz Takt haben im Paar eine Verlustleistung von maximal 184 Watt. Dazu kommen auf dem Board befindliche Komponenten (durchschnittlich 50 Watt), eine leistungsstarke Grafikkarte mit 70 Watt, sowie ein großer Speicherausbau - alles zusammen verbraucht schnell einmal 350 Watt. Dies belastet die Stromversorgung zum Motherboard. Aus diesem Grunde erhalten Platinen im WTX-Format einen anderen Netzteilstandard, der auf den Namen EPS12V hört. Diese verfügen über Anschlüsse mit mehr Spannungs- und Masseadern, sowie breiteren Steckern, um die Lasten besser zu verteilen. Die heutigen ATX-Netzteile liefern mit über 350 Watt ausreichend Leistung, um auch Dual-Systeme im ATX-Format versorgen zu können.

Anhand der Bezeichnung "20/24P" am großen Spannungsanschluss ist zu erkennen, dass er mit dem 24-poligen WTX als auch mit den 20-poligen ATX Speicher arbeiten kann. Das Gleiche gilt auch für die "12V-8/4P" Bezeichnung am kleinen AUX-Anschluss - dieser unterstützt die 8-poligen als auch die 4-poligen Verbindungen. Die jeweiligen 4 fehlenden Leitungen sind redundante Spannungspins zum Lastenausgleich.

Bei einem Netzteil mit dem EPS12V-Standard werden zusätzlich +12V, +3.3V, +5 V und Masse-Leitungen zum Board geführt.

AGP-Unterstützung

Die E7505 Northbridge bietet eine Unterstützung für AGP-Grafikkarten, wobei die meisten Motherboards über einen "Pro"-Steckplatz verfügen. Bei der Pro-Variante wird die Karte mit zusätzlichen Spannungspins versorgt.

Fazit

Ein Dual-Xeon-System ist für Spieler ungeeignet. Generell profitieren davon nur Anwendungen, die bereits auf Hyper Threading optimiert wurden. Diese werden beim Einsatz von zwei physikalischen CPUs noch schneller. In Anbetracht der Systemkosten lohnt es sich deshalb für Anwender, bei ihrem nächsten System auf einen Dual-Xeon zu setzen, wenn die überwiegende Zeit mit Rendern oder Encoding verbracht oder mit Workstation-Apps gearbeitet wird.

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