Finanzen und Steuern im Blick

Mehr Kostenkontrolle für Selbständige

10.11.2017
Freiberufler beklagen oft die zeitaufwendige Finanzbürokratie sowie den fehlenden Überblick in Sachen Liquidität. Gründer Christopher Plantener hat aus dieser Not eine Tugend gemacht. Mit Kontist hat er ein digitales Banking-Produkt speziell für Selbständige geschaffen, dass den Aufwand reduzieren soll und in Echtzeit eine automatische Steuereinschätzung liefert.
 
  • Finanzorganisatorische Aufgaben kosten jeden Selbständigen rund ein Arbeitsmonat pro Jahr.
  • Traditionellen Banken fehlt es an Verständnis für die Bedürfnisse von Freiberuflern.
  • Finanzbürokratie sorgt bei jedem Selbständigen im Schnitt für einen Verdienstausfall von 11.735 Euro.

Christopher Plantener ist Selbständiger durch und durch. Angefangen hat der 42-Jährige vor vielen Jahren als Webdesigner, zwischenzeitlich war er Barkeeper in seiner eigenen Cocktailbar in Berlin, dann Online-Marketing-Berater. Zuletzt gründete er das Unternehmen Debitoor, das seine gleichnamige Buchhaltungssoftware in 30 Ländern vermarktet und heute europaweit zu den größten Software-as-a-Service-Anbietern für Freelancer und Kleinunternehmer zählt.

Das Finanzmanagement birgt für Selbständige einen hohen Risikofaktor.
Foto: Phongphan - shutterstock.com

Eine Erfahrung hat sich dabei als roter Faden herauskristallisiert, der alle beruflichen Stationen durchzog: Einer der stressigsten Faktoren der Selbständigkeit ist das Finanzmanagement. Der Grund: Es herrschte ein Mangel an maßgeschneiderten Angeboten in Sachen Finanzdienstleistung. Oft stand Plantener vor dem Problem, nicht zu wissen, welche Steuerzahlungen demnächst aufgrund seiner schwankenden Umsätze auf ihn zukommen und wie viel Geld er am Ende des Monats noch für sich selbst zur Verfügung haben würde. Es war ihm außerdem so gut wie unmöglich, die Umsätze der kommenden Monate zu prognostizieren. Diese Unsicherheit wurde durch Banken und Steuerberater nur noch verstärkt.

Fehlende Planungssicherheit im Finanzmanagement

So bat er beispielsweise am Anfang seiner Karriere seinen Steuerberater um Rat, wie viel er denn prozentual monatlich zur Seite legen müsste, um steuertechnisch nicht in die Bredouille zu geraten. Die Antwort blieb jedoch aus. Stattdessen folgten auf umsatzschwache Jahre Monate mit hohen Gewinnen, so dass er zu seiner Überraschung mit dem nächsten Bescheid auf einen Schlag Forderungen für eine hohe Nachzahlung sowie nachträgliche Vorauszahlungen bekam.

Die buchhalterische und finanzielle Organisation in Eigenregie schien Plantener deshalb unersetzlich. Wie die meisten Selbständigen stand er jedoch einem hohem Maß an bürokratischen Pflichten allein gegenüber, ohne die Möglichkeit, sich täglich mit diesen Aufgaben beschäftigen zu können. Das Ergebnis war, dass er am Ende jeden Monats mindestens einen Sonntag für die Erledigung eben jener lästigen und stressigen Pflichten opfern musste, anstatt sich der Familie zu widmen. Der Überblick über die Geldströme gelang dadurch nur mit Verzögerung.

Plantener: Es hat zehn Jahre gedauert, bis ich einen Dispositionskredit bekommen habe. Auf eine Kreditkarte warte ich bis heute.
Foto: Kontist

Die Erfahrung, die später den Ausschlag zur Gründung Kontists gab, machte der Entrepreneur, als er sein erstes Unternehmen gründete. Damals wollte er ein separates Firmenkonto zur Abwicklung seiner geschäftlichen Einnahmen und Ausgaben bei seiner Hausbank eröffnen, bei der er schon seit Studententagen war, scheiterte aber fast an den bürokratischen Hürden. Trotz des im Vergleich zu Privatkonten höheren Entgelts wollte die Bank Einkommensnachweise, Bonitätsauskunft und mehr sehen. "Es hat zehn Jahre gedauert, bis ich einen Dispositionskredit bekommen habe. Auf eine Kreditkarte warte ich bis heute", schildert Plantener, der noch nie in seinem Leben fest angestellt war. Damit ist er nicht allein.

Kampf gegen Bürokratie und Banken

Für Selbständige gebe es, so der Unternehmer, klare Prioritäten: Kunden gewinnen und Aufträge bestehender Kunden erfüllen. Was sich jedoch so selbstverständlich anhört, gestalte sich in der Realität als Kampf gegen die Bürokratie, gegen volatile Auftragsvolumina, gegen die schlechte Zahlungsmoral vieler Kunden, gegen überraschende sowie die Liquidität verschlechternde Steuerbescheide und gegen Banken, die wenig Interesse daran hätten, Solo-Selbstständige überhaupt als Kunden anzunehmen. Die Folge sei oftmals eine Überforderung, die in finanziellem Chaos ende. Nicht selten ein Grund für Insolvenzen.

Daraus entstand die Idee für Kontist. Der Grund: Es fand sich keine Bank, die verstand, dass Selbständige nicht einfach eine gewöhnliche Bank benötigen. Sie brauchen nämlich, so Plantener, Finanzmanagement, das auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Das heißt, dass die Bank zum Beispiel Selbstständige darüber auf dem Laufenden hält, wo sie finanziell stehen. Mit Kontist, so das Ziel, sollte ein digitales Banking-Produkt geschaffen werden, das möglichst große Teile des Verwaltungsaufwands automatisiert. Das heißt, durch die Einschätzung der Ergebnisse in Echtzeit sowie absolute Transparenz der Liquidität sollte Selbständigen der Rücken frei gehalten werden, damit sie sich auf die Kernaufgaben ihres wirtschaftlichen Handelns konzentrieren können.

Ein Monat im Jahr geht für Finanzbürokratie drauf

Dass Plantener mit seiner Annahme, der Verwaltungsaufwand für Selbständige sei enorm, richtig lag, belegt eine nicht repräsentative Umfrage. Dabei befragte Kontist mehrere Hundert Selbständige der IT- und Kreativ-Branchen und quantifizierte erstmals, wie umfangreich der Bürokratieaufwand tatsächlich ist: 24,6 Tage pro Jahr verlieren Selbständige durch Rechnungen schreiben, Reisekosten abrechnen, Belege organisieren, Buchhaltung erledigen, Umsatzsteuer erklären und zahlen sowie durch die Klärung steuerlicher Fragen. Mit anderen Worten: Es kostet einen kompletten Arbeitsmonat, um finanzorganisatorische Aufgaben zu bewältigen. Vier Wochen, die Aufwand verursachen, statt Einnahmen zu generieren. Ausgehend von einem durchschnittlichen Stundensatz von 59,41 Euro muss jeder Selbständige pro Jahr einen Verdienstausfall von rund 11.735 Euro hinnehmen - allein aufgrund von Finanzbürokratie.

Gleichzeitig wird vom Verband der Gründer und Selbständigen Deutschland e.V. (VGSD) bestätigt und beklagt, dass es bei den traditionellen Banken eklatant an Verständnis für die Bedürfnisse von Selbständigen mangelt. Die meisten Finanzinstitute seien mit der Frage überfordert, wie diese Berufsgruppe eigentlich einzuordnen sei: Denn es handele sich bei ihr weder um Konsumenten mit regelmäßigen Einkommen noch um klassisch bilanzierende Unternehmen. Dass die Banken hier nicht sauber unterschieden, so der Verband, führe auch dazu, dass sie kein Verständnis für die finanzielle Volatilität hätten, die im Rahmen selbständigen Arbeitens zur Norm gehört. Infolgedessen sei es für diese Berufsgruppe so gut wie unmöglich, entstehende Finanzengpässe durch kurzfristige Bankkredite abzufedern. Andreas Lutz, Vorsitzender des VGSD, merkt dazu kritisch an: "Wenn man als Selbständiger sein Konto im Bedarfsfall ab und an um einen kleinen Betrag überziehen können möchte, muss man zuvor seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse bis ins kleinste Detail darlegen. Die Prüfungen erfolgen so schematisch, als wolle man einen Großkredit beantragen. Da geht über die Risikobeschränkung regelmäßig der Menschenverstand verloren."

Die beiden Ziele, die Kontist mit seinem Banking-Angebot verfolgt, sind direkt aus diesen Beobachtungen abgeleitet: maximale Übersichtlichkeit bei den Finanzen, so dass die Selbständigen gar nicht erst Gefahr laufen, mehr auszugeben, als sie zur Verfügung haben, sowie eine effektive und sofort spürbare Reduzierung des finanzorganisatorischen Arbeitsaufwands.

Video-Identifikation via Smartphone

Kontist bietet Selbständigen hierzu in Partnerschaft mit der solarisBank ein Girokonto via Smartphone-App. Für eine Verkürzung des organisatorischen Aufwands bei der Kontoeröffnung sorgt dabei eine schnelle Video-Identifikation via Smartphone. Darüber hinaus sollen im beruflichen Alltag einfache und papierlose Lösungen helfen. Beispielsweise kann sich der Nutzer wie bei anderen Direktbanken in Echtzeit über Kontobewegungen benachrichtigen lassen, statt sich jedes Mal ins Online-Banking einloggen zu müssen. Laut Kontist fallen keine Kosten für Kontoführung, Überweisungen sowie die virtuelle Debit Mastercard an, die standardmäßig Teil der Kontist App ist. Wer zusätzlich die klassische Kreditkarte möchte, muss eine Jahrespauschale von 29 Euro bezahlen, die ab einem Jahresumsatz von 3000 Euro wieder zurückerstattet werden. Umsätze erwirtschaftet Kontist, das 2016 gegründet wurde, nach eigenen Angaben bislang ausschließlich über die Gebühr für seine Mastercard sowie die Interbank-Entgelte, die für Zahlungen per Karte entstehen.

Steuereinschätzung in Echtzeit

Die wichtigste Funktion, die Kontist seinen Nutzern bietet, ist jedoch die automatische Steuereinschätzung in Echtzeit sowie Rücklagenbildung, die den Kunden einen aussagekräftigen Überblick über ihre Finanzen geben soll. Das bedeutet, dass die App automatisch sofort aus jeder eingehenden Rechnungszahlung die Umsatz- und Einkommensteuer sowie aus jeder Ausgabe die Vorsteuer separiert. Diese Beträge werden automatisch verrechnet und auf virtuelle Unterkonten für Einkommen- und Umsatzsteuer gebucht. Somit wird im Kontostand des Nutzers nur noch der Betrag angezeigt, der ihm wirklich netto zur Verfügung steht, um seine Kosten zu bestreiten. Diese Voraufschlüsselung der zu erwartenden Steuerlast bedeutet für die Selbständigen, die in der Regel mit ihrem Privatvermögen haften, weniger Abhängigkeit von Beratern.

Die App zeigt dem Nutzer an, welche Steuerausgaben anfallen.
Foto: Kontist

Synchronisation der Bank- und Buchhaltungsdaten

Für die Berechnung der Steuerlast kommt auch die Integration von Buchhaltungssoftware in die Kontist App und die Synchronisation der Bank- und Buchhaltungsdaten zum Tragen. Zahlungseingänge auf das Konto werden automatisch Rechnungen zugeordnet und diese dann als bezahlt markiert. Das System lernt dabei laufend dazu: "In Zukunft braucht ein Nutzer lediglich den Kartenbeleg für eine geschäftlich getätigte Ausgabe per Handy abfotografieren und in die App hochladen. Das System erkennt dann automatisch die Kategorie der Ausgabe und welche Steuer darauf anfällt", erklärt Plantener die erste Buchhaltungslösung, die in das Kontist-Konto integriert ist.

Ihre Ausgaben im Blick behalten sollen Selbständige auch mit der Kontist Mastercard Debit. Zwar können Freiberufler damit wie mit einer Kreditkarte unterwegs im Ausland, im deutschen Handel sowie online bezahlen, aber eben nur ausgeben, was sie haben. Die Karte funktioniert wie eine ec-Karte auf Guthabenbasis mit direkter Belastung des Kontos.

Im Ergebnis reduziert sich so der anfallende Arbeitsaufwand spürbar, so dass mehr Zeit für das eigentliche Kerngeschäft oder aber auch für Weiterbildung bleibt. Ziel ist es, durch eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Funktionen von Kontist den in der Umfrage festgestellten, monatlichen finanzorganisatorischen Aufwand um bis zu 80 Prozent zu reduzieren. Das könnte Selbständigen langfristig eine Zeitersparnis von bis zu 19 Tagen pro Jahr einbringen sowie eine größere Autonomie für finanzielle Entscheidungen. "Zu diesem Zeitpunkt haben wir nach eigener Einschätzung etwa 30 Prozent der Strecke zum erklärten Ziel zurückgelegt", glaubt Plantener. Als Nächstes ständen eine Web-App sowie ein Frühwarnsystem für Finanzengpässe auf der Produkt-Roadmap. Und für den Fall, dass einige Selbständige trotz oder gerade wegen der neu gewonnen Übersicht über ihre Liquiditätssituation doch einen finanziellen Spielraum benötigten, will Kontist im Rahmen eines Premium-Kontos kostenpflichtige Factoring-Angebote und Kredite einführen.