Rechte & Pflichten

"Meine Firma wird verkauft ... was passiert mit mir?"

02.03.2010
Was beim Betriebsübergang mit Arbeitsverträgen geschieht, sagen Michael Henn und Christian Lentföhr.

§ 613 a BGB regelt die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern beim Betriebsübergang, danach tritt der Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteils in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

Voraussetzung für einen Betriebsübergang ist ein Wechsel in der Person des Betriebsinhabers, d. h. demjenigen, der über die arbeitsrechtliche Organisations- und Leitungsmacht verfügt. Gleichgültig ist dabei, ob es sich um eine natürliche Person, eine Gesamthand oder eine juristische Person handelt. Die Voraussetzung wird nicht erfüllt durch bloße Veränderungen in der Rechtsform eines Betriebsinhabers nach UmwandlungsG oder bei Wechsel von Gesellschaftern.

Bei diesem Tatbestandsmerkmal erfolgt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nunmehr die entscheidende Weichenstellung für oder gegen die Annahme eines Betriebsübergangs. Betrieb ist die organisatorische Einheit, innerhalb der ein Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern durch sachliche oder immaterielle Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Der Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB ist die funktionsfähige organisatorische Einheit von materiellen und immateriellen Betriebszwecken, die es dem jeweiligen Arbeitgeber ermöglicht, bestimmte Betriebszwecke zu verfolgen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, der sich inzwischen auch das Bundesarbeitsgericht angeschlossen hat, komme es bei der Frage nach dem Betriebs(teil)übergang entscheidend darauf an, ob eine wirtschaftliche Einheit vorhanden sei, die trotz des Inhaberwechsels ihre Identität bewahrt habe. Dafür von Bedeutung sei namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der Übergang oder Nichtübergang der materiellen Aktiva wie Gebäude und bewegliche Güter zum Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang oder Nichtübergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit sowie die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit.

Maßgeblicher Zeitpunkt und auslösendes Moment

Maßgeblicher Zeitpunkt und damit auslösendes Moment für die Rechtsfolgen des § 613 a BGB ist der Zeitpunkt, in dem der Wechsel in der Person des Betriebsinhabers erfolgt. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in Bezug auf diesen Betrieb oder Betriebsteil einstellen.

Gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB führt nur ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang zum Eintritt des Erwerbers kraft Gesetzes in die bestehenden Arbeitsverhältnisse. Der Begriff "rechtsgeschäftlich" ist umfassend (z. B. Kauf-, Pachtvertrag, Schenkung) und nach herrschender Meinung lediglich als Abgrenzung zur Gesamtrechtsnachfolge zu verstehen. Sogar die Nichtigkeit eines dem Übergang zugrundeliegenden Rechtsgeschäftes soll nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Voraussetzungen des § 613 a BGB erfüllen. Für das Vorliegen eines Betriebsüberganges komme es insoweit allein auf die tatsächliche Fortführung der übernommenen wirtschaftlichen Einheit an.

Die Wirkung des Betriebsübergangs umfasst alle Arbeitsverhältnisse, die zum Zeitpunkt des Übergangs bestehen. Diese gehen einschließlich aller Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers auf den Erwerber über und bestehen fort, einschließlich z. B. des Urlaubsanspruchs, Nebentätigkeitsgenehmigungen und der bisherigen Versorgungsanwartschaften. Nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB gelten die bisher im Betrieb geltenden Regelungen aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen einzelvertraglich weiter und zwar mit einer einjährigen Veränderungssperre zu Gunsten des Arbeitnehmers, es sei denn die Rechte und Pflichten werden bei dem neuen Inhaber durch einen anderen Tarifvertrag oder andere Betriebsvereinbarung normiert (§ 613 a Abs. 1 S. 3 BGB).

Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner, vgl. § 613 Abs. 2 BGB). Eine Sonderregelung gilt hier für Personenhandelsgesellschaften oder juristische Personen, die infolge Umwandlung (Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung nach § 11 Nr. 1 - 3 UmwandlungsG) erlöschen, vgl. § 613 a Abs. 3 BGB, hier gehen die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf den übernehmenden Rechtsträger über.

Ordentliche und außerordentliche Kündigungen wegen des Betriebs(teil)übergangs sind gemäß § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB ausgeschlossen.

Kündigung aus anderen Gründen

Unberührt bleibt aber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen, vgl. Satz 2. Das Bundesarbeitsgericht nimmt eine nicht wesentlich durch den Betriebsübergang bedingte Kündigung immer dann an, wenn es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen Grund gibt, der aus sich heraus die Kündigung rechtfertigt, sodass sich der Betriebsübergang lediglich als äußerer Anlass für die Kündigung, nicht jedoch als tragender Grund darstellt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Kündigung wegen Betriebsstilllegung, die sich mit dem Betriebsübergang ausschließt. Bei alsbaldiger Wiedereröffnung bzw. Fortsetzung der Betriebstätigkeit spricht eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht.

Für den Nachweis der Kündigungsgründe gelten die allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast. Jede Partei muss die Voraussetzungen der ihr günstigen Normen im Prozess darlegen und ggf. beweisen. Macht der Arbeitnehmer den Übergang seines Arbeitsverhältnisses geltend oder beruft er sich auf das Kündigungsverbot wegen Betriebsübergangs, ist er darlegungs- und beweispflichtig. Den Arbeitgeber trifft in diesem Fall allerdings eine Substantiierungspflicht, er darf sich nicht mit einfachem Bestreiten begnügen.

Der bisherige oder neue Arbeitgeber ist gemäß § 613 a Abs. 5 BGB unabhängig von einer bestimmten Betriebsgröße verpflichtet, die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer in Textform (§ 126 b BGB) zu unterrichten über Zeitpunkt und Grund (Rechts- und Beweggrund) des geplanten Übergangs, der rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen für den Arbeitnehmer sowie der hinsichtlich der Arbeitnehmer unternommenen Maßnahmen (z. B. Umschulung, Abfindung bei Aufgabe des Arbeitsplatzes).

Schriftlicher Widerspruch

Der Arbeitnehmer ist gemäß § 613 a Abs. 6 BGB berechtigt, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monates nach Zugang der Unterrichtung schriftlich zu widersprechen, das Arbeitsverhältnis bleibt dann mit dem bisherigen Arbeitgeber bestehen. Eine Kündigung durch den bisherigen Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen ist nicht ausgeschlossen. § 613 a Abs. 4 BGB steht nicht entgegen, es wird nicht wegen des Betriebsübergangs gekündigt, sondern wegen des Widerspruchs.

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel.: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de