Meine Krise, Deine Krise

28.06.2001
Wie eine Industrie den eigenen Markt vernichtet

Wir haben es ja schon immer gesagt, oder? Damals schon, als sich AMD und Intel wegen des 486er in den Haaren lagen. Es ist zwar eine tolle PR, wenn wegen einiger unbedeutender Millisekunden in Millionenauflage kostenlos berichtet wird, aber es schadet der Branche. Wenn der Kunde verunsichert ist, kauft er nicht oder nur, wenn es sein muss. Doch im Gegensatz zu damals geht es nicht nur um den Namen auf einer PIN-identischen CPU, heute hält sich jeder Teilelieferant für einen marktbeherrschenden Konzern. Ich möchte nicht in Taiwan entscheiden müssen, welche RAM-Sockel auf die nächste Generation Boards kommen sollen. Genauso verhält es sich mit Chipsatz, Bios, CPU und neuerdings auch Peripherie. Zehn IRQ sind bestenfalls konfigurierbar und nach USB wollen auch noch Firewire, Infrarot, Bluetooth einen haben. Dabei sind in einigermaßen komfortabel ausgestatteten Systemen ohnehin keine mehr frei, ISDN und Video sei dank. Die Folge sind zehn verschiedene Boards auf einer CPU-Basis. Nimmt man nur die wichtigsten Prozessortypen, multipliziert sich das ganze mal sechs; also ungefähr 60 verschiedene Hauptplatinen pro Hersteller schon jetzt. Davon ist sicherlich keine ohne Fehler und dann kommen noch Rambus, DDR und andere Versionen dazu. Die derzeitigen Kombinationsmöglichkeiten, gleichbedeutend mit potenziellen Fehlerquellen, sind so umfangreich, dass es ein frei konfigurierbares System nach Kundenwunsch mit Funktionsgarantie überhaupt nicht geben kann. So gesehen hat der Mac tatsächlich wieder eine Chance, aber auch Notebook und Handheld. "Kauft das System und ändert es nicht - dann funktioniert es vielleicht!", so lautet die Botschaft der Industrie an den Käufer. Vergessen wird, dass die Flexibilität des Baukastens PC diesen erst so erfolgreich gemacht hat. Zurück zu den Wurzeln bedeutet zurück zu proprietären Strukturen, wie es sie bei Apple, Big Blue und Konsorten gab und gibt. Wer das will, muss dann auch den Markt der Achtziger mit seinen Umsatzzahlen akzeptieren. Warum wohl kauft kaum jemand diese neuzeitlichen Büchsen der Pandora? Diese Antwort gibt die Klientel derzeit und den Manager verwundert es. An dieser Realitätsferne der nur noch in Nasdaq denkenden IT verzweifelt der Händlerverstand zusehends. Ein zweiter Boom braucht einen stabilen, modularen Standard, an dem sich Hersteller, Händler und vor allem unsere Kunden wieder orientieren können. Dann lohnt es sich auch zu investieren.

Mein Fazit: Es wäre an der Zeit, Klasse statt Masse verkaufen zu wollen. Die Qualität eines Schweinestalls misst sich auch nicht an der Menge der produzierten Gülle.

Bis demnächst, Euer Querschläger!

Der ComputerPartner-Autor "Querschläger" ist Fachhändler in Rheinland-Pfalz.