Klagemauer SEC

Microsoft weint laut

07.08.2009
Was befürchtet Microsoft vor allem? Dass es sein so lange funktionierendes Geschäftsmodell ändern muss und dass die Welt den Redmonder Konzern missversteht.
Ist Microsoft-Chef Steve Ballmer gramgebeugt oder dynamisch?

Man kann nicht sagen, dass es Microsoft schlecht ginge. Mehr als 14 Milliarden Dollar blieben im abgelaufenen Geschäftsjahr 2008/09 (Ende: 30. Juni 2009) in der Kasse des IT-Riesen hängen; der Umsatz von über 58 Millairden Dollar übertrifft den Haushalt von über 60 Staaten, und neue Softwareversionen wie zum Beispiel Windows 7 oder die Miet-Plattform Azure lassen den Konzern aus Redmond hoffen.

Dennoch, wie der jüngste Bericht an die amerikanische Finanzbehörde SEC zeigt, ist dem Konzern angst und bang, blickt er auf die Gefahren, die seinem bejahrten Geschäftsmodell drohen.

Software programmieren und teuer verkaufen - es funktioniert zwar noch gut, aber angesichts der Bedrohungen dieses Modells, die von Open Source-Software ausgeht, ferner von kostenlosen Office-Applikationen, wie sie Google, Sun oder Adobe anbieten, und Mietmodellen, womöglich in Clouds, lassen die Redmonder jetzt schon weinen. Das Gleiche gilt angesichts des Umstandes, dass andere Anbieter, etwa Apple oder Nintendo, so manches besser können als Microsoft, aber auch wegen der Open Source-Unterstützung ursprünglich grenzenlos treuer OEMs wie Hewlett-Packard und Intel.

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Im Detail listet Microsoft in seinem Bericht zur Gefährdung seiner Geschäft durch Open Source-Anbieter die Firmen Red Hat und den Ubuntu-Anbieter Canonical auf und wirft ihnen vor, mit ihrer Software "Druck auf vormals treue Windows-Anbieter" zu machen. Diese würden dem "Druck" durch das Angebot alternativer Desktop- und Server-Software aus dem Open Source-Umfeld begegnen. Wie übellaunig Microsoft diese Entwicklung registriert, zeigt allein der Umstand, dass 80 Prozent der Umsätze mit Client-Software über die OEMs erwirtschaftet wird.

Open Source klaut, Wettberwerbshüter sind ungerecht

Doch damit nicht genug: Microsoft ist laut dem Bericht auch bereit, gegen Open Source-Anbieter gerichtlich vorzugehen. Der Grund: vermeintliche Patentverletzungen. Microsoft drückt das so aus: "Diese (Open Source-)Firmen erbringen nicht die vollen Kosten der Forschung und Entwicklung der Software. Einige dieser Firmen könnten auf Ideen von Microsoft aufbauen, die wir ihnen in Zusammenhang mit unseren Interoperabilitäts-Initiativen kostenlos oder zu niedrigen Gebühren offerieren." Welche Ideen konkret gemeint sind, lässt der SEC-Bericht nur ahnen. Beispielsweise spricht Microsoft von nachgemachter Software im Zusammenhang mit Office - wer hier an Googles Offerte Apps denkt, liegt wahrscheinlich richtig.

In diesem Zusammenhang beklagt Microsoft, dass es keine weltweiten Standards für Patente und deren Verletzungen gibt. "Das Fehlen von harmonisierten Patentgesetzen macht es schwieriger, durchgehend Respekt vor Patentschutz sicherzustellen", schreibt der Konzern.

Umgekehrt gesagt: Nachdem Microsoft bedauert, nicht jede seiner Softwareofferten mit weltweit gültigen Patenten umgeben zu können, ist es geneigt, so viele Patente wie möglich anzumelden - ein Vorgehen, dass kleineren Entwicklern wegen der immensen Kosten für Patente sowieso versperrt ist.

Auch die jüngste Notebook-Entwicklung, die Netbooks mit kleinen Prozessoren, nimmt es missgünstig auf. Bekanntlich sind Netbooks nicht in der Lage, mit ressourcenhungrigen Betriebssystemen wie Windows Vista zu arbeiten - folglich muss Microsoft wenigstens eine Netbook-fähige Windows 7-Version entwickeln, um die weitere Abwanderung der OEMs auf geeigneter Betriebssysteme zu stoppen.

Schließlich beklagt Microsoft die vielen Sanktionen, die es gegen sich etwa durch die EU, amerikanische Wettbewerbsbehörden, Gesetzgeber etwa in Kalifornien, New York und anderswo, erfährt. Nach wie vor zeigt sich das Unternehmen überzeugt, ungerecht behandelt zu werden.

Und selbstverständlich wenig bereit, sein Quasi-Monopol bei PC-Betriebssystemen aufzugeben. Noch heute laufen auf fast 88 Prozent aller PCs Betriebssysteme aus Redmond. Zum Vergleich: Apple kann für sein Betriebssystem Mac OS (rund zehn Prozent Marktanteile reklamieren, die Linux-Anbieter müssen sich ein Prozent teilen. (wl)