Reaktionen vom Markt

Microsofts Interoperabilitätsoffensive

25.02.2008
Vertreter der Open-Source-Gemeinde beurteilen Microsofts Teilöffnung skeptisch.

Vertreter der Open-Source-Gemeinde beurteilen Microsofts Teilöffnung skeptisch.

Microsoft hat die Spezifikationen für die eigenen Programmier-Schnittstellen veröffentlicht.
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"Das passt nicht", meint etwa Peter Brown, Chef der Free Software Foundation auf Boston/USA. "Microsoft hat schon vieles versprochen, das ist nur ein weiterer Versuch, freie Software und GPL-Lizenzmodell von den Microsoft-Plattformen fern zu halten."

Brown ist sich sicher, dass die Open-Source-Gemeinde von dem Angebot, mit Microsoft zusammen zu arbeiten, keinen Gebrauch machen wird. Seiner Meinung nach möchte der Software-Konzern die unabhängigen Entwickler in ihrer Nische belassen: "Sie sollten auf keinen Fall mit der realen Welt in Berührung kommen und kommerziell nutzbaren Code entwerfen".

"Ich warne alle, sich von Microsofts Haltung gegenüber der freien Software einlullen zu lassen", so Brown gegenüber der ChannelPartner-Schwester-Publikation Computer World. "Das alles ist nur eine Show für die EU-Kommission, damit diese endlich das Kartellverfahren gegen Microsoft fallen lässt.

Das ganze lasse Brown ziemlich kalt: "Für Microsoft ist es "business as usual'. Wer sich auf dieses Geschäft einlässt, muss Lizenzgebühren an Microsoft entrichten. Das ganzen würde nur dann Sinn machen, wenn die Redmonder keine Bedingungen stellen würden."

Red Hat-Chefjustitiar Michael Cunningham meint auch nichts Neues gehört zu haben. "Es gab schon früher ähnliche Ankündigungen – immer zum strategisch richtigen Zeitpunkt. Wir betrachten die aktuelle Entwicklung mit einer gesunden Skepsis. Wenn Microsoft tatsächlich Interoperabilität forcieren möchte, sollte das Unternehmen seiner Meinung auf offene Standards setzen, und nicht auf das Windows-basierte OOXML-Dokumentenformat.

Peter Brown, Chef der Free Software Foundation aus Boston/USA: "Microsoft möchte die unabhängigen Entwickler in ihrer Nischen festhalten,"
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"Microsoft sollte ODF (Open Document Format) unterstützen – einen von der ISO anerkannten, Industrie übergreifend einsetzbaren Standard für Dokumentenverarbeitung", meint Cunningham. "Es wäre besser, so etwas in der Praxis umzusetzen, anstatt Pressemeldungen zu veröffentlichen über Absichten, was man in Zukunft zu tun gedenke", so der Red Hat-Chefjustitiar.

Seiner Ansicht nach sollte Microsoft auf das quelloffene Lizenzmodell GPL setzen, statt Patentlizenzgebühren für Protokollinformation zu verlangen: "Das wäre ein fairer Wettbewerb". Doch die aktuelle Ankündigung zementiere lediglich den Ausschluss des Konzerns von der Open-Source-Gemeinde. "Wie sonst soll man es erklären, dass Microsoft Open Source-Entwickler nur dann rechtlich nicht belangen wird, wenn diese ausschließlich nicht-kommerzielle Software programmieren? Das ist einfach unehrlich!"

Auch andere Open Source-Mitglieder vertreten diese Meinung, so zum Beispiel Jim Zemlin, Chef der "Linux Foundation" aus Beaverton, Oregong/USA. "Das ist sehr ähnlich dem, was sie (Microsoft, Anm. d. Red.) schon gesagt haben – mit ein paar kleinen Unterschieden. Sie wollen nun mit Open Source zusammen arbeiten und interagieren, Linux ist also kein Krebsgeschwür mehr für Microsoft. Und das zumindest hört sich schon gut an."

Laut Zemlin hat Microsoft eingesehen, dass die Welt sich verändert hatte: "Kunden, Partner und Regierungsorganisationen verlangen Offenheit und meinen es nun ernst damit." Monopole seien nicht mehr gefragt. Nun bleibe abzuwarten, ob der Konzern nun den Worten Taten folgen lasse, indem er etwa OOXML aufgeben und auf ODF setzen werde.

Jürgen Geck, Cheftechniker bei Open-Xchange und früher in der gleichen Position bei Suse tätig, sagte, dass Microsofts neue Initiative eine gute Nachricht für den Markt darstellt. Es müsse nicht unbedingt bedeuten, dass man Lizenzgebühren an den Konzern zu entrichten habe, wenn die Interoperabilität sich verbessere.

"Es wird zwar komplizierter als in einer total offenen (Software-)Welt, aber immerhin, wir werden mit Microsoft zusammen arbeiten. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", so Geck. "Man hätte zwar weiter gehen können, aber wir sind nun mal nicht in der Position, sich darüber zu beklagen. 95 Prozent des Marktes will Windows-kompatible Programme. Es ist nicht fair, sich darüber bei Microsoft zu beschweren."

Bill Hilf, Microsofts Chefstratege "Plattformtechnologie", glaubt gar, dass der Konzern schon bald im besseren Licht stehen werden als all die Open Source- und Freie Software-Companys: "Das macht uns unberechenbarer, denn nun liefern wir genau dass, was unsere Wettbewerber von uns verlangt haben."

"In Wirklichkeit wollten die meisten Open-Source-Entwickler gar nicht den Zugriff auf unseren Quellcode, sie wären mit den Protokollspezifikationen und Schnittstellenbeschreibungen vollauf zufrieden, und die geben wir Ihnen nun", so der Microsoft-Manager weiter. "Diese Softwarehäuser können nun auf der gleichen Basis arbeiten wie wir selbst."

Bis jetzt sei die Reaktion des Marktes auf die Microsoft-Initiative sehr positiv, so Hilf. "Ich habe eine Menge E-Mails von Open-Source-Entwicklern erhalten – mit der Aussage: 'Genau das wollten wir von Euch haben'". Hilf, der selbst mehrere Jahre bei IBM technische Führung der Linux-Strategie innehatte, sagte zum Schluss: "Wir suchen stets nach Wegen, wie wir unsere eigene Software verbessern können".

Weitere Stimmen zur Microsofts neuer Strategie lesen Sie bitte hier. (rw)