SaaS, Cloud und on demand

Mieten oder kaufen – der moderne Software-Vertrieb

27.02.2014 von Holger Pfister
Früher war alles einfacher, könnte man behaupten: Der Reseller verkaufte eine Softwarelizenz an den Endkunden, installierte sie vor Ort und kassierte dafür vom Hersteller eine Marge. Und heute: das Systemhaus verkauft einen Wartungsvertrag, der Kunde bezieht die Software aus der Cloud, und rechnet monatlich ab.

Ein Haus zu kaufen - das ist für viele Menschen der Inbegriff von Schutz, Geborgenheit und langfristiger Investitionssicherheit. Will man hingegen flexibel agieren können oder eine Übergangsphase überbrücken, ist es oft sinnvoller, eine Wohnung zu mieten. Im Bereich Software war es lange Zeit ähnlich. Im Zuge ihres Cloud-Portfolios bieten viele Software-Hersteller allerdings inzwischen Miet-Varianten an, die für Unternehmen eine echte Alternative zum Kauf darstellen. Mit Miet- und Service-Konzepten, auch bekannt als Software-Abonnements oder Subscription-Lizenzen, binden Betriebe ihr Vermögen nicht langfristig durch hohe Anschaffungskosten, entlasten ihre IT-Fachkräfte und können die Verträge zum Beispiel bei schwankendem Bedarf anpassen. So sparen sie bares Geld und bleiben flexibel.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Software zu beziehen
Foto: Ye Liew, Fotolia.com

Hinzu kommt eine verbesserte Kontrolle der Kosten beim Miet-Modell. Unterlizenzierung von Software heißt nur ein passendes Stichwort. Denn oftmals nutzen Unternehmen mehr Software als lizenziert. Im Fall eines Audits werden die Verantwortlichen dann in die Pflicht genommen und müssen ungeplant nachlizenzieren - und das kann teuer werden. Bei Cloud-Modellen dagegen wird der Dienst nach Verbrauch berechnet, sodass keine unvorhergesehenen Kosten entstehen. Der Anwender profitiert insbesondere auch von einer stets aktuellen Software: Nach einem Betriebssystem-Update beispielsweise sind Kauf-Programme nicht selten nur noch eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr nutzbar. Gemietete Anwendungen dagegen sind immer auf dem aktuellen Stand der Technik.

Schon seit einigen Jahren bieten die meisten Hersteller ihre Software zur Miete an. Dies war in der Vergangenheit jedoch häufig wenig attraktiv, da die Software am Ende der Laufzeit dem Kunden nicht gehörte. Software zu mieten hat sich deshalb meist nur dann gerechnet, wenn er die Lizenzen mit Ablauf der Vertragslaufzeit nicht mehr benötigt hat. Mit dem Durchbruch von Cloud Computing haben die Software-Hersteller ihre Angebote entsprechend angepasst. Die Resonanz auf die neuen Miet-Modelle ist nicht zuletzt deshalb so positiv, weil Hersteller ihre Lizenzen mit Zusatzdiensten bündeln. Hierzu zählen beispielsweise E-Mail-Programme, Kalenderfunktionen oder Dokumentenspeicher. Ob und in welchem Funktionsumfang Produkte zum Mieten verfügbar sind, ist von Hersteller zu Hersteller verschieden.

Microsoft bietet inzwischen mit Office365 Professional Plus eine Variante an, die die Lösung beim Kunden vor Ort mit Cloud Computing verbindet. Die Cloud-Version des altbekannten Office lässt sich pro Nutzer auf bis zu fünf Endgeräten installieren und wird über das Internet stets auf dem neuesten Stand gehalten. Dabei bleibt es den Kunden überlassen, ob er sein E-Mail-System (Exchange) weiter selbst betreibt oder auch das als Teil von Office 365 in die Cloud gibt. Im ersten Fall liegen keine Daten in der Cloud, nur Office Professional Plus wird aus der Cloud installiert.

Zehn spektakuläre Softwarefehler -
Zehn spektakuläre Softwarefehler
Obamacare-Desaster, Nasdaq-Ausfall und drohender Energienetz-Black-out: Im Jahr 2013 gab es einige bemerkenswerte Pannen, die von Softwarefehlern verursacht wurden.
1. Start von "Obamacare": Software schluckt ein Drittel der Versicherungsanträge
Die politisch hoch kontroverse Krankenversicherung "Obamacare" in den USA schlug bei ihrem Start erneut hohe Wellen. Das für die Umsetzung der Versicherung zuständige Gesundheitsportal sah sich im vergangenen Herbst gleich mehrfach Kritik an seiner Software ausgesetzt. Der gravierendste Mangel: Rund ein Drittel der Versicherungsanträge konnte zunächst nicht weiter verarbeitet werden. Aufgrund von Software-Fehlern blieben die im Portal ausgefüllten Antragsformulare liegen und erreichten die zuständigen Versicherer nicht. Grund war unter anderem eine Systemroutine, die das Eintragen der Sozialversicherungsnummer unterband.
2. Fast-Blackout des nationalen Stromnetzes in Österreich
Eine einfache Zählerstandsabfrage hat das österreichische Stromnetz im Mai vergangenen Jahres an den Rand eines völligen Zusammenbruchs gebracht und damit auch Stromnetze in anderen europäischen Ländern gefährdet. Dabei hatte sich zunächst ein Steuerungsbefehl bei der Inbetriebnahme eines neuen Erdgas-Leitsystems in Süddeutschland in das Steuerungssystem der europäischen Stromnetze verirrt, sich dort multipliziert und dadurch den Strombetrieb fast zum Absturz gebracht. Der Selbstläufer glich dabei einer sogenannten "Distributed Denial of Service"-Attacke (DDoS), bei der Angreifer einen Server durch eine Flut von Anfragen in die Knie zwingen.
3. Private Daten von sechs Millionen Mitgliedern eines sozialen Netzwerks weitergegeben
Die Software-Panne, die 2013 die meisten Schlagzeilen produzierte, geht auf das Konto eines der weltweit führenden sozialen Netzwerke. Dabei gelangten die privaten Kontaktdaten von rund sechs Millionen seiner Mitglieder in Umlauf. Ihre E-Mail-Adressen und Telefonnummern waren für etwa ein Jahr auch für Unbefugte einsehbar. Ursache war ein Software-Fehler in einem System des Netzwerks, das Empfehlungen für neue Freundschaftsanfragen generierte.
4. Deutsche Universität "entlässt" 48.000 Studenten und Mitarbeiter
"In zwölf Tagen wird Ihr Login gesperrt. Dies geschieht, weil Sie als Student exmatrikuliert worden sind, als Mitarbeiter Ihr Vertrag geendet hat oder die Gültigkeit Ihres Gastlogins abläuft." Diese E-Mail erhielten 37.000 Studenten und 11.000 Mitarbeiter einer großen deutschen Universität an einem Sonntagmorgen letzten Jahres. Ein Software-Fehler im Rechenzentrum der Universität zeichnete für diese Fehlinformation verantwortlich. So führten Probleme beim Datenabgleich der Personal- und Studentendaten dazu, dass die E-Mail in Umlauf gebracht wurde.
5. Vorbereitung auf SEPA: Banken überweisen Geldbeträge doppelt
Bei Tausenden von Kunden überwies ein regionaler Bankenverbund in Deutschland Geldbeträge doppelt. Betroffen waren die Daueraufträge der Kunden. Zudem führten die Geldinstitute viele Überweisungen nicht am ursprünglich festgelegten Bearbeitungstag aus. Ursache war ein Software-Fehler in einem neuen Programm, das die Konten auf den neuen Standard des einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrs (SEPA) umstellte. Bei dieser Umstellung wurden die neuen SEPA-konformen Daueraufträge im System erfolgreich eingerichtet, die alten jedoch nicht gelöscht.
6. Handel an der US-Börse Nasdaq für drei Stunden lahmgelegt
Rund drei Stunden ging beim Options- und Aktienhandel an der New Yorker Nasdaq nichts mehr. Software-Fehler sorgten im vergangenen August zweieinhalb Stunden nach Börsenstart für diesen Totalausfall. Ausgangspunkt der Probleme war der sogenannte "Securities Information Processor", der die Aktienkurse mit anderen Börsen austauscht. Während des Stillstands fror der Börsenbetreiber alle Kurse und Notierungen vorübergehend ein.
7. Neuer Hochgeschwindigkeitszug kommt zwei Jahre verspätet aufs Gleis
Ein großer europäischer Bahnbetreiber musste auf 16 neue Hochgeschwindigkeitszüge rund zwei Jahre länger warten als ursprünglich mit dem Hersteller vereinbart. Die bestellten Hightech-Züge einer neuen Baureihe verspäteten sich unter anderem dadurch, dass ein Software-Fehler die fristgemäße Abnahme durch die Behörden verzögerte. Der Fehler in der Zugsteuerung sorgte dafür, dass sich die Bremsen nur mit einer Verspätung von einer Sekunde aktivieren ließen. Zuvor hatten bereits andere Probleme mit den Bremsen oder zum Beispiel der Klimaanlage den ursprünglich geplanten Liefertermin platzen lassen.
8. Hunderte Flugausfälle und -verspätungen durch Telefon-Crash
Nachdem ein Software-Fehler das interne Telefonsystem einer großen europäischen Luftsicherheitszentrale lahmlegte, kämpften Passagiere und Fluggesellschaften mit erheblichen Verspätungen. Hunderte Flüge mussten ganz ausfallen. 1.300 Flüge und damit acht Prozent des europäischen Luftverkehrs wiesen zum Teil mehrstündige Verspätungen auf. Durch den Telefon-Crash, der zwölf Stunden lang anhielt, konnte die Behörde die Flüge dieses Tages nur verzögert oder gar nicht bearbeiten. Der Fehler trat auf, als die Systeme am frühen Morgen vom Nacht- auf den Tagbetrieb umgestellt wurden.
9. Millionen von Kunden ohne Telefon- und SMS-Services
Sechs bis sieben Millionen Kunden eines nationalen Telefonanbieters mussten im Oktober vergangenen Jahres vier bis fünf Stunden lang ganz auf Mobiltelefonate und Textnachrichten verzichten. Wegen eines Software-Fehlers wurden die Schaltrelais des Telefonnetzes vorübergehend mit Netzwerksignalen überflutet. Dies führte dazu, dass sich die Relais selbst abschalteten und neu starteten. Der Zusammenbruch des gesamten Netzes für Telefonverbindungen und Textnachrichten war die Folge, zumal einzelne Relais länger brauchten, bis sie wieder aktiviert waren. Datenservices waren von dem Großausfall nicht betroffen.
10. Neue Logistik-Software bremst Ersatzteile fürs Auto aus
Die Werkstattkunden eines großen deutschen Autoherstellers mussten sich im vergangenen Jahr zum Teil wochenlang gedulden, bis sie benötigte Ersatzteile erhielten. Grund war eine Software-Umstellung im zentralen Logistiksystem des Autounternehmens. In den Tagen und Wochen nach der Umstellung baute sich ein Lieferrückstand von bis zu 200.000 Einzelteilen auf. Weltweit waren rund 5.000 Händler und Niederlassungen betroffen.

Andere Hersteller haben inzwischen Upgrades ihrer Kauf-Software teils sogar komplett eingestellt und setzen primär auf das Miet-Modell. Adobe beispielsweise bietet seine Kreativ-Software CreativeCloud im Abo-Modell an. Käuflich erhältlich ist aktuell nur die CreativeSuite in Version sechs. Sie wurde allerdings bereits im April 2012 veröffentlicht, Upgrades oder Upgrade-Schutz hierfür gibt es nicht mehr.

Kein Wunder also, dass Miet-Konzepte längst nicht mehr nur eine Übergangslösung darstellen, sondern mehr und mehr in Konkurrenz zu klassischen Kauf-Llizenzen treten. Unternehmen müssen sich die Frage stellen, ob sie Software in Zukunft noch kaufen oder eher abonnieren. Denn im Gegensatz zum Hauskauf ist die Investitionssicherheit beim Softwarekauf heute nicht mehr höher als beim Mieten, häufig sogar niedriger. (rw)

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