Graumarkt und Projektbetrug

Mit Detektivarbeit gegen "Schweinepreise"

22.10.2009
Über die Möglichkeiten der Hersteller, das Preisgefüge im Channel nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.

Vor einigen Wochen schrieb im CP forum auf channelpartner.de das Forumsmitglied McLord: "... Das Notebook ist noch nicht mal erhältlich, kann aber in diversen Online-Shops von Endkunden schon vor Verkaufsstart günstiger vorbestellt werden als bei den Distis ..." Es handelte sich dabei um ein Lenovo ThinkPad T400S, das McLord im Forumsbereich "Schweinepreisalarm" angeprangert hatte.

Das war einer der Fälle, die bei Dorothee Klein in der Abteilung Transactional Business Controls bei Lenovo auf dem Schreibtisch landen. Ihr Job ist es, undurchsichtige Preisgestaltungen in den Lenovo-Vertriebskanälen aufzuspüren und das Zustandekommen aufzudecken. "Bei diesem Beispiel aus dem Forum handelte es sich um einen sehr aggressiven Preis, der unsere Preisstruktur stark verschiebt. Solche Preise sind für uns ein Hinweis, dass dahinter eine Aktivität liegt, die wir nicht gutheißen." Es reiche schon, wenn ein Händler mit einem Schweinepreis im Netz auftauche. Daraufhin komme sofort eine weitere Schar von Händlern auf den Hersteller zu, die sich beschweren und auch diesen Preis haben möchten.

Lenovo sucht selbst nach den Preissündern

Um solche Aktionen schnellstmöglich im Keim zu ersticken, verlässt sich Klein nicht nur auf Hinweise von den Partnern oder Partnerbetreuern, sondern macht sich auch selbst auf die Suche in bekannten Preissuchmaschinen. Hat sie in einem Fall Lunte gerochen, fängt die Detektivarbeit an: Ist der Shop bei Lenovo bekannt? Wird er schon betreut? Wie ist das Preisgefüge bei dem betreffenden Angebot? Und wie verkaufen andere Händler das Produkt?

In den meisten Fällen greift Klein anschließend zum Telefonhörer, ruft den Händler an und fragt, woher er das Produkt bezogen hat. "Antwortet er mir, dass er die Produkte in gutem Glauben als Broker-Ware gekauft hat, dann kann ich ihn nicht als schwarzes Schaf entlarven. Denn dabei handelt es sich nicht um illegale Geschäfte. Diese Art der Produktbeschaffung entspricht jedoch nicht unserer Geschäftsethik", erklärt Klein. In einem solchen Fall sind dem Hersteller die Hände gebunden. Ist der Händler bei Lenovo bekannt und besteht bereits eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, werden außer einem Telefonat zum Thema, wie sich Lenovo eine Zusammenarbeit vorstellt, keine weiteren Schritte unternommen. Bisweilen kann es aber auch passieren, dass über eine Agentur ein Testkauf getätigt wird, worüber der Hersteller dann die Maschinennummer und die Seriennummer auf den Tisch bekommt. Anhand dieser Angaben kann Klein dann genau nachverfolgen, über welche Kanäle das Gerät zum Händler gekommen ist.

Stellt sich bei einem solchen Testkauf zum Beispiel heraus, dass es sich bei dem Gerät um ein Notebook aus einem Projektangebot handelt, "wird es für mich spannend", sagt Klein. Hier sind dem Einfallsreichtum der Händler, wenn man der Lenovo-Mitarbeiterin zuhört, fast keine Grenzen gesetzt. Gleichzeitig kämen solche Betrugsfälle aber auch durch die unmöglichsten Zufälle ans Licht. "In den Fällen, die wir bisher aufgedeckt haben, wissen wir, dass der Händler Ware aus einer SBO (special bid opportunity) entnommen hatte und sie anderweitig über andere Händler oder in den seltensten Fällen selbst abverkauft hat", erzählt Klein.

Sanktionen bis hin zur Vertragskündigung

Nimmt ein Endkunde nicht alle Geräte aus einem Projektvertrag ab, muss sich der Partner laut SBO-Bedingungen mit seinem Partnerbetreuer in Verbindung setzen. Lenovo bespricht dann mit dem Reseller, ob die Ware zurückgenommen wird oder ob der Händler eine Freigabe zum Abverkauf an Dritte erhält.

Lenovo sei gerne bereit, sich mit dem Business-Partner zu einigen. Wenn sich ein Partner allerdings nicht daran hält, übrige Geräte aus einem Projektangebot zu melden, "dann hat er ein ernsthaftes Problem", so Klein. Und in diesem Fall komme es auch nicht darauf an, zu welchem Preis der Händler die Geräte anderweitig verkauft. In der Theorie müsse jedes einzelne Produkt aus einem Projekt an den benannten Endkunden verkauft und auch dokumentiert sein.

"Es hat bereits Fälle gegeben, in denen wir vom Business-Partner alle Dokumente zu einem Endkundenprojekt angefordert haben. Und das ging meist nicht gut aus", so Klein. Für alle Geräte, bei denen er einen genehmigten ordnungsgemäßen Abverkauf nicht nachweisen kann, muss der Händler 30 Prozent der unverbindlichen Preisempfehlung als Vertragsstrafe an Lenovo zahlen. Diese Fälle erfordern von der Lenovo-Mitarbeiterin das Durchforsten von sehr viel Papier, da der Abverkaufsweg jedes einzelnen Gerätes nachvollzogen werden muss.

Die Business-Partner seien dabei bisweilen äußerst kreativ. "Seitdem ich in dieser Position arbeite, weiß ich auch, wie Miss Marple mit Vornamen heißt", erzählt Klein mit einem Schmunzeln. Doch die Arbeit lohnt sich. Denn wenn ein Lenovo-Partner einen Teil aus einem Projekt in großen Mengen herausnimmt und über andere Kanäle verkauft, hat der Hersteller an dieser Stelle nicht nur im Channel das Problem, sondern auch bei dem jeweiligen Endkundenprojekt, bei dem die Profitabilität nicht mehr stimmt.

Eine mögliche Folge eines nachgewiesenen SBO-Betrugs kann sogar die Kündigung des Partnervertrages sein. Das Vertrauen sei laut Klein dann oft schon so geschädigt, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei. "Wir müssen solche Fälle durchexerzieren, weil wir die Ruhe im Markt wiederherstellen wollen. Wir als Hersteller möchten unsere vielen ehrlichen Partner dadurch schützen, damit sie erfolgreich mit uns Geschäfte machen können." (bw)

Ein aktueller Fall

Dorothee Klein erzählt:

"Ein kleinerer Business-Partner, der bei einem Kunden ein Angebot platziert und den Auftrag verloren hatte, sprach uns an. Ein anderer, viel größerer Lenovo-Partner habe den Auftrag gewonnen. Es ging dabei um eine kleine zweistellige Zahl von ThinkPads T400. Mit Unterstützung des kleineren Händlers haben wir recherchiert und wussten, wer der größere Händler war, der den Auftrag gewonnen hatte. Diesen hatten wir bereits auf dem Radar, weil er parallel mit Graumarktaktivitäten und Abverkäufen von Geräten aus SBOs schon aufgefallen war.

Dem kleinen Business-Partner ist es dann gelungen, uns die Seriennummern aus dem Projekt zu besorgen, und daraufhin konnten wir feststellen, woher die Geräte kamen. Es stellte sich dann heraus, dass der große Partner die Geräte für dieses Projekt aus einem anderen, wesentlich größeren Endkundenprojekt entnommen hatte und in dieses Angebot hat einfließen lassen. Es handelte sich zwar nicht exakt um die Gerätespezifikationen, die vom Kunden verlangt wurden, aber das hat der Händler dem Kunden wahrscheinlich hinmoderiert. Der Kunde war glücklich über das aggressive Angebot, aber unser kleiner Business-Partner und wir waren unglücklich, weil wir die Marge auch ganz gerne mitgenommen hätten.

In diesem Fall haben wir die einzelnen Geräte ganz sauber mit 30 Prozent der unverbindlichen Preisempfehlung mal die Menge aufgerechnet und dem großen Partner in Rechnung gestellt. Derzeit verhandeln wir noch über den endgültigen Zahlungsplan."

(Die Namen der Partner sind der Redaktion bekannt.) BW