Mit freundlichen Grüßen ...

10.10.2002

ComputerPartner

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IDS Scheer AG

Aufsichtsrat

Herrn Prof. Dr. August Wilhelm Scheer

Altenkesseler Straße 17

66115 Saarbrücken

München, 07.10.2002

Deutschland, der Neue Markt und die 1. Fußballbundesliga

Sehr geehrter Herr Professor Scheer,

vor einigen Tagen sagten Sie in einem Zeitungsinterview: "Das eigentlich Traurige am Scheitern des Neuen Marktes ist, dass es beweist: Deutschland ist kein Innovationsland." Ein Satz, an dem man hängen bleibt. Verantwortlich für das Scheitern des Neuen Marktes sind also nicht die Unternehmer, die die Bodenhaftung verloren und das aus dem Börsengang eingenommene Geld für abenteuerliche Expansionen und Firmenakquisitionen verbrannten, verantwortlich sind nicht die Banken, Analysten und fragwürdige Finanzjournalisten, die Startups mit überforderten Managern und abenteuerlichen Geschäftsideen beim Going Public unterstützten, verantwortlich ist auch nicht die Frankfurter Börse selbst, die jede Pommesbude in das Börsensegment aufnahm, und verantwortlich sind auch nicht die Anleger, die den Versprechungen vom leicht verdienten Geld nur zu gerne Glauben schenkten. Nein, sie alle sind nicht verantwortlich für den Untergang des Neuen Marktes. Sondern wer? Deutschland! Weil Deutschland kein Innovationsland ist.

Bei allem Verständnis für Ihre Enttäuschung - als Neuer-Markt-Unternehmen ist die IDS Scheer AG von dem Desaster betroffen - die Logik Ihrer Aussage ist absurd. Sie setzen zwei Dinge zueinander in kausale Beziehung, die nicht besteht. Lassen Sie mich dies an folgendem konstruierten Beispiel verdeutlichen:

Nehmen wir an, 18 deutsche Fußballvereine würden beschließen, eine Meisterschaft ins Leben zu rufen, in der jede Mannschaft gegen jede spielt, und wer am Ende die meisten Spiele gewonnen hat, der ist Deutscher Meister. Diese Meisterschaft sollte 1. Fußballbundesliga heißen. Nun würden die Vereine bei den Menschen draußen im Lande werben, Eintrittskarten für die Spiele zu kaufen, am besten sofort Jahreskarten, dafür würden tolle Spiele mit Kampf und Klasse und glänzender Unterhaltung geboten. Die Menschen nun glauben diesen Versprechungen und kaufen hunderttausende Eintrittskarten. Auch institutionelle Anleger (Sponsoren) springen auf den Zug auf, sodass die Vereine viel Geld zusammenbekommen. Damit kaufen sie viele teure Spieler aus dem In- und Ausland ein, weil man die braucht, um gegen die anderen Mannschaften bestehen zu können (hoher Wettbewerbsdruck).

Nach einer Weile aber zeigt sich, dass die Vereinsführung aus lauter Amateuren besteht, die nicht mit Geld umgehen können, die für viele Millionen Euro eingekauften Spieler erweisen sich zum großen Teil als Luschen, und das Gekicke auf dem Rasen ist im besten Fall gut gemeint, was bekanntlich das Gegenteil von gut ist. Das Ergebnis: Zuerst bleiben die Fußballfans enttäuscht und erbost zuhause, dann wenden sich die Sponsoren ab, dann machen die Würstchenbuden Pleite, dann die Vereine, und das war's dann mit der 1. Fußballbundesliga.

Was wäre nun mit diesem Scheitern bewiesen? Nach Ihrer Logik wäre damit bewiesen, dass Deutschland kein Fußballland ist. Aber das ist, wie gesagt, absurd. Das Scheitern würde lediglich zeigen, dass an der Spitze der Vereine Amateure und Dilettanten saßen, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren. Ob Deutschland ein Fußballland ist - das lässt sich nicht daran erkennen, ob es eine 1. Fußballbundesliga gibt oder nicht. Sondern das ist daran zu erkennen, ob auf dem Rasen und in den Stadien guter Fußball gespielt wird, sodass die Menschen bereit sind, Geld dafür auszugeben, um sich diese Spiele anzuschauen. Das ist aber nichts, was nur für Deutschland gilt, das gilt für jedes Land.

Vielleicht ist Deutschland kein Innovationsland, wie Sie sagen. Aber sollte dies so sein, hat das mit dem Scheitern des Neuen Marktes kausalursächlich nichts zu tun. Wie Sie sicherlich wissen, ist es für Experten nur eine Frage der Zeit, bis die Pendants zum Neuen Markt in Frankreich und Spanien ebenfalls geschlossen werden. Sollte es dazu kommen, wäre damit nach Ihrer Logik bewiesen, dass diese Länder ebenfalls keine Innovationsländer sind.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking