Situationsangepasstes Verhalten

Mit Status-Intelligenz punkten

10.01.2012
Wer Ziele erreichen will, braucht besondere soziale und emotionale Fähigkeiten, sagt Tom Schmitt.
Jede Gesprächssituation braucht ein spezifisches Gesprächsverhalten.
Foto: endostock - Fotolia.com


Erfolgreiche Manager und Verkäufer haben in der Regel ein sehr feines Gespür: Welches (Gesprächs-)Verhalten muss ich in dieser oder jener Situation zeigen, damit ich mein Ziel erreiche? Wann trete ich eher sympathisch und vertrauensvoll auf und wann eher respektvoll und durchsetzungsstark? Verfügt eine Person über diese sogenannte Status-Intelligenz nicht, dann kommt sie beruflich meist nicht weit.

Hierzu ein fiktives Beispiel (die Namen der Personen sind erfunden): Karl Vögler, Senior Consultant bei einer IT-Beratung, war begeistert. Der Mann, der ihm gegenüber saß, war ein echter Profi. Klar brachte der Vertriebsleiter eines mittelständischen Maschinenbauers - nennen wir ihn Hubert Prahl - auf den Punkt, welche Erwartungen sein Unternehmen an das neue CRM-System hat. Und ratzfatz entschied er, wie das Projekt zu dessen Einführung strukturiert sein solle - fast so, als gehöre ihm das Unternehmen. "Mit einem Mann, der so selbstbewusst, fachlich fit und gut strukturiert - auch in seinem Kopf - ist, kann man wunderbar zusammen arbeiten", dachte Vögler.

Doch dann öffnete sich die Tür zum Besprechungsraum, und herein schritt ein älterer Herr, dessen Auftritt man sofort entnahm: Das ist der Firmeninhaber, der sich über den Stand der Dinge informieren möchte. Und schlagartig veränderte sich das Verhalten von Vertriebsleiter Prahl. Sprach er zuvor eher laut und bestimmt, so sprach er nun eher leise und verhalten. Und sagte er zuvor im Gespräch mit Vögler "Wir machen das so und so", so sagte er nun zum Firmeninhaber "Wir haben darüber nachgedacht, ob wir .....". Und wenn der Firmeninhaber einen Einwand formulierte? Dann dachte Prahl darüber zunächst (scheinbar) nach, bevor er zum Beispiel erwiderte: "Diesen Aspekt sollten wir auf alle Fälle genau prüfen, bevor wir entscheiden ...." Circa vier, fünf Minuten dauerte das Frage-und-Antwort-Spiel. Danach verabschiedete sich der Firmeninhaber mit der Aussage "Ich sehe, Sie sind auf dem richtigen Weg", wobei er sowohl Berater Vögler, als auch seinem Vertriebsleiter ein wohlwollendes Lächeln schenkte.

Und kaum hatte der Firmeninhaber die Tür hinter sich geschlossen, veränderte sich das Auftreten von Vertriebsleiter Prahl erneut. Seine Körperhaltung straffte sich wieder. Seine Stimme wurde wieder bestimmter. Und er fuhr im Gespräch genau an dem Punkt fort, an dem die beiden Gesprächspartner waren, als der Firmeninhaber den Raum betrat - gerade so, als sei dieser nie da gewesen und hätte nie etwas gesagt. "Also zunächst machen wir .... Und danach ..." Vögler musste innerlich schmunzeln und dachte: Faszinierend wie schnell und professionell Prahl seine Rollen wechselt. Wüsste ich es nicht besser, dann könnte man meinen, mir säße plötzlich eine andere Person gegenüber.

Kernfrage: Wie erreiche ich mein Ziel?

Dass Vertriebsleiter Prahl sich im Kontakt mit dem Firmenchef anders als im Kontakt mit dem Berater verhält, ist kein Indiz für ein mangelndes Rückgrat oder Charakterschwäche. Im Gegenteil! Sein Verhalten ist Ausdruck einer besonderen Form der sozialen und emotionalen Intelligenz, nämlich der sogenannten Status-Intelligenz. Und diese wird in unserer von einem stets höheren Grad an Komplexität geprägten (Arbeits-)Welt immer wichtiger zum Erreichen unserer Ziele. Denn sowohl beruflich, als auch privat stehen wir immer wieder vor der Herausforderung unser Verhalten dem jeweiligen Gegenüber und der jeweiligen Situation anzupassen - wie Prahl.

Denn wer wird bei dem Mittelständler letztlich entscheiden, wie das neue CRM-System gestrickt sein wird und wie dessen Einführung verläuft? Der Firmeninhaber? Nein! Dessen Unterschrift wird zwar vermutlich unter dem Vertrag stehen, den der Mittelständler unterschreibt. Aber die eigentliche Einkaufsentscheidung trifft Vertriebsleiter Prahl. Das wurde Berater Vögler, als er das flexible beziehungsweise der jeweiligen Situation angepasste Verhalten von Prahl sah, klar. Deshalb musste er schmunzeln.

Doch warum wird Prahl der eigentliche Entscheider sein? Gerade weil er sich so status-intelligent verhält und dem Firmeninhaber durch sein Verhalten signalisiert: "Chef, selbstverständlich hast Du hier das Sagen." Würde er stattdessen auf seine Kompetenz und seine Befugnisse als Vertriebsleiter pochen und sich eventuell sogar vor Zeugen wie der heimliche Firmenchef gerieren, dann würde ihm der echte schnell signalisieren: "Halt, so nicht! Noch habe ich hier das Sagen." Und Prahl? Er könnte die tollsten, rational überzeugendsten Argumente für die von ihm präferierte Lösung anführen. Sein Chef würde ihn eiskalt abblitzen lassen, weil er sich in seiner Funktion als Firmeninhaber nicht ausreichend gewürdigt sähe. Folglich war das Verhalten von Prahl nicht nur zielführend: Es war intelligent. Und gewiss wird er es, weil er über die erforderliche Status-Intelligenz verfügt, in seiner beruflichen Laufbahn noch sehr weit bringen.

Stolperdraht "geringe Verhaltensflexibilität"

Umgekehrt kommt jemand selten beruflich weit, der die Status-Spiele nicht beherrscht, die das Miteinander nicht nur im Wirtschaftsleben prägen. Ein Paradebeispiel hierfür ist Hilde May*, die über einen Lebenslauf verfügt, der sie eigentlich für Top-Positionen prädestiniert. Ihren BWL-Abschluss machte sie an einer renommierten Business-School. Außerdem erwarb sie einen MBA-Abschluss in den USA. Zudem ist sie eloquent und spricht neben englisch auch spanisch fließend.

Trotzdem stagniert ihre angestrebte Karriere seit Jahren. Denn weil sie die Status-Spiele nicht beherrscht, lebt sie sozusagen im Dauerkonflikt mit ihren Vorgesetzten und Kollegen. Sie spürt zwar, dass sie nach außen konsequenter auftreten sollte, schafft es aber innerlich nicht, die dazu notwendige Entschiedenheit und Distanz auf zu bauen. Dadurch wirkt sie verbissen. Bei ihren Kollegen gilt sie als arrogant und schnippisch. Und bei ihren Chefs als kapriziös, wenig loyal und teamfähig. Und dies nur, weil sie nicht über die erforderliche Status-Intelligenz verfügt, um ihre Ansichten und Positionen sozial angemessen zu vertreten. Immer wieder suggeriert sie durch ihr Verhalten - unbewusst - ihren Vorgesetzten und Kollegen: Eigentlich nehme ich Sie nicht ernst; faktisch haben Sie wenig Ahnung.

Weil Hilde May beruflich nicht vorwärts kam und sich in ihrem beruflichen Umfeld nicht wohl fühlte, wechselte sie schon mehrfach den Arbeitgeber - erfolglos. Immer wieder wiederholte sich dasselbe Spiel. Bereits nach kurzer Zeit hatte sie erneut den Ruf weg: arrogant und schwer integrierbar. Und dies nur, weil sie im Umgang mit Kollegen, Kunden und Vorgesetzten nicht die erforderliche Verhaltensflexibilität zeigte, wodurch es immer wieder zu Reibereien kam und sie sich zunehmend im Beziehungssystem Unternehmen isolierte.

Kernfrage: Welches Verhalten erfordert die Situation?

Dass wir unser Verhalten dem jeweiligen Gegenüber anpassen müssen, beruflich und privat, das ist eigentlich jedem Menschen (unbewusst) bewusst. Deshalb verhalten wir uns im Kontakt mit Freunden zumeist anders als im Kontakt mit Fremden. Mit Kindern reden wir anders als mit Erwachsenen, und mit fachlichen Laien kommunizieren wir anders als mit Experten. Doch nicht nur an unser jeweiliges Gegenüber passen wir unser Verhalten an, sondern auch an die Situation. So treten wir zum Beispiel einem Polizisten, den wir nur nach dem Weg fragen, recht selbstbewusst gegenüber. Ertappt uns derselbe Polizist aber bei einer Ordnungswidrigkeit und droht uns eine saftige Strafe, dann sind wir plötzlich meist ganz klein und devot.

Ähnlich ist es im Kontakt von Eltern mit ihren Kindern. Haben letztere Probleme, dann beugen wir uns als Vater oder Mutter zu ihnen herab und lauschen ihnen ganz verständnisvoll. Wir begeben uns mit ihnen scheinbar auf eine Ebene. Anders ist es hingegen, wenn sie, obwohl wir es ihnen schon zigmal sagten, immer noch nicht ihr Zimmer aufgeräumt haben. Dann packt uns irgendwann die Wut und wir drohen ihnen mit unserer gesamten (noch verbliebenen) elterlichen Autorität: "Wenn Du jetzt nicht sofort aufräumst, dann ...".

Das Statusspiel mitspielen

Im unserem Alltagsleben können wir auch gut beobachten, wie sich der Status, den Personen einnehmen, im Verlauf von Gesprächen oft stark ändert. Hierfür erneut ein Beispiel. Angenommen ein Kind kommt von der Schule nach Hause und gesteht seiner Mutter kleinlaut, dass es in Mathe eine Fünf geschrieben hat. Dann kann der sich daran anschließende Gesprächsverlauf wie folgt aussehen: Die Mutter sagt zunächst zu ihrer Tochter oder ihrem Sohn: "Das überrascht mich nicht. So wenig, wie Du in den letzten Wochen gelernt hast, musste ..." Das heißt, sie nimmt zunächst - wie dies in der Schauspielersprache heißt - den sogenannten "Hoch-Status" ein und liest ihrem Kind die Leviten. Nach einiger Zeit ändert sich jedoch neben ihrem Ton auch ihre Sprache sowie ihre Mimik, Gestik und Körperhaltung und sie sagt zu ihrem Nachwuchs beispielsweise: "Ich finde es ärgerlich, dass Du ..." "Liegt es eventuell daran, dass ...?" " Wie kann ich Dir helfen,...?"

Das heißt, sie begibt sich mit dem Kind scheinbar auf eine Ebene. Oder anders formuliert: Sie wechselt äußerlich in einen tieferen Status (ist also "innen hoch", spielt aber "außen tief), um die Ursachen zu erforschen und mit dem Kind eine Lösung zu erarbeiten. Und gegen Ende des Gesprächs wechselt die Mutter erneut in einen höheren Status, indem sie zum Beispiel sagt: "Karla (oder Karl), dass Du mal eine Fünf geschrieben hast, ist kein Beinbruch. Aber ich erwarte von Dir, dass Du künftig ..."

Den Status gezielt wechseln

Solche für bestimmte Gesprächssituationen und -konstellationen typischen Verläufe kann man auch im Arbeitsalltag immer wieder registrieren - unabhängig davon, ob Kollegen miteinander, Verkäufer mit ihren Kunden oder Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern reden. Hierfür zwei Beispiele. Angenommen ein Abteilungsleiter ist mit der Leistung seiner Mitarbeiter unzufrieden. Dann wird er in der Regel im Hoch-Status, der seine Funktion in der Organisation widerspiegelt, in das Gespräch einsteigen und zum Beispiel sagen: "Also Leute, in dem Projekt x geht es nur schleppend voran. Unsere Aufgabe ist es .... Wenn wir da so weiter machen, kriegen wir am Ende Riesenprobleme...." Nach dieser mehr oder minder deutlichen Standpauke, ändert er den Status und sagt zu seinen Mitarbeiter zum Beispiel: "Leute, was muss passieren, damit ...?" "Drücke ich mich missverständlich aus?" "Wie kann ich euch besser unterstützen?"

Das Ziel dabei: die Problemlage ermitteln und eine Lösung erarbeiten. Danach wird die Führungskraft wieder in den Hoch-Status wechseln und zum Beispiel sagen: "Also, wir machen das ab jetzt wie besprochen - Erstens:....Zweitens:....Drittens:..." "Alles klar?" "Ja. Dann zurück an die Arbeit."

Anders ist die Status-Verlaufskurve, wenn zum Beispiel plötzlich Mehrarbeit ansteht, und der Chef möchte, dass seine Mitarbeiter Überstunden machen. Dann steht er zum Beispiel irgendwann in der Tür und sagt im Tief-Status: "Leute, wir haben ein Problem. Unser Kunde x möchte, dass wir bis morgen Abend ... Dass wir dies tun, ist wichtig, weil ... Seid ihr bereit, heute länger zu bleiben?" Und wenn seine Mitarbeiter zugestimmt haben, dann wechselt er in den Hoch-Status und sagt zum Beispiel: "Sehr gut! Ich schlage, weil die Zeit drängt, vor, dass Sie, Herr Müller, folgende Aufgabe übernehmen ... Und Sie, Frau Mayer, ...." Und nachdem die Aufgaben verteilt sind, wechselt er erneut in einen tieferen Status und sagt zum Beispiel: "Leute, nochmals danke, dass ihr länger bleibt. Das rechne ich euch hoch an."

Das Statusspiel kann man lernen

Ob Führung gelingt, hängt immer auch davon ab, inwieweit eine Führungskraft das Status-Spiel beherrscht. Denn was würde passieren, wenn eine Führungskraft, wenn kurzfristig Überstunden anfallen, im absoluten Hoch-Status verkünden würde: "Leute, Ihr müsst heute Abend länger bleiben - Punkt aus, basta"? Die Mitarbeiter würden zumindest innerlich rebellieren und denken: Der kann mich mal. Entsprechend mies wäre die Stimmung, und entsprechend schlecht die Arbeitsmoral. Und was würde passieren, wenn die Führungskraft, nachdem die Mitarbeiter ihre Bereitschaft zum Bleiben bekundet haben, nicht in den Hoch-Status wechseln würde? Dann würden die Mitarbeiter ebenfalls murren: "Wenn wir schön länger bleiben müssen, weil es Dringliches zu erledigen gilt, dann sollte uns der Chef wenigstens klare Arbeitsanweisungen geben. Sonst sitzen wir noch heute Nacht um 2 Uhr hier."

Aus den Status-Verlaufskurven von Gesprächen, die Verkäufer oder Projektleiter oder Führungskräfte führen, kann man denn auch - losgelöst vom Inhalt - vielfach bereits entnehmen, wie erfolgreich diese waren. Entsprechend wichtig ist es für den beruflichen Erfolg, das Status-Spiel zu beherrschen. Und das Erfreuliche ist: Man kann es lernen - ähnlich wie dies Schauspieler während ihrer Ausbildung tun, damit sie mal in die Rolle des mächtigen Königs, mal die des Dieners, mal die des hinterlistigen Ganoven und mal die des Menschenfreunds schlüpfen können.

Ein erster Schritt in diese Richtung ist es, bei anderen Personen - zum Beispiel erfolgreichen Verkäufern oder Führungskräften - zu analysieren: Wie verhalten sie sich in bestimmten Situationen? Wie sieht ihr Status-Spiel aus, wenn sie das Ziel x oder y erreichen möchten? Im zweiten Schritt kann man dann ermitteln: Wie ist mein eigenes Statusspiel? Wann wäre ein anderes Spiel sinnvoll, weil das bisherige nicht zielführend ist? Und sind die Schwachstellen ermittelt, dann heißt es üben, üben und nochmals üben - ähnlich wie dies ein Schauspieler tut, bis er eine Rolle sozusagen wie im Schlaf beherrscht. Doch Vorsicht! Das Ziel hierbei ist es nicht, sozusagen den Text der Rolle auswendig zu lernen. Dies wäre ein Leichtes. Das Ziel ist es vielmehr zu lernen, sich gezielt in die Emotion zu versetzen, die die jeweilige Rolle sowie Situation erfordert. Denn nur, wenn sich in unserem Tun beziehungsweise Verhalten unsere innere Haltung widerspiegelt, wirken wir authentisch und somit glaubwürdig. Das heißt, wir und unsere Botschaften kommen an. (oe)

Der Autor Tom Schmitt arbeitet als Managementberater und Trainer für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de). Der Diplom-Pädagoge und ausgebildete Schauspieler schrieb mit Michael Esser das Buch "Status-Spiele: Wie ich in jeder Situation die Oberhand behalte".
Kontakt:
Tel.: 07251 989034, E-Mail: tom.schmitt@krauspartner.de