Mitarbeitende Familienangehörige: Arbeitnehmer oder Unternehmer?

31.10.2005
In vielen Unternehmen arbeiten Familienangehörige als offenbar sozialversicherungspflichtige und steuerlich anerkannte Angestellte mit. Tatsächlich liegen aber häufig (nicht erkannte) sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse vor.

Die Ausgangslage
In vielen Unternehmen arbeiten Familienangehörige als offenbar sozialversicherungspflichtige und steuerlich anerkannte Angestellte mit. Tatsächlich liegen aber häufig (nicht erkannte) sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse vor.
Die Folge dieser sozialrechtlichen Fehlbeurteilung ist, dass trotz geleisteter Beiträge für die Betroffenen keine Ansprüche auf entsprechende sozialversicherungsrechtliche Leistungen, wie z.B. Arbeitslosengeld bestehen. Verlangen die Betroffenen dann die Erstattung der eingezahlten Beiträge, verweigern die Sozialversicherungsträger dies oftmals mit dem Hinweis auf eine vermeintliche Verjährung.
Für die Betroffenen besteht aber dennoch häufig die Chance, sich sämtliche bereits eingezahlten Beiträge zurückzuholen.

Die falsche Hoffnung einer sozialen Absicherung
Beitragszahlungen an Versicherungsträger bedeuten nicht zwangsläufig, dass entsprechende Versicherungsansprüche wie insbesondere Arbeitslosengeld begründet werden.
So wird im Fall einer Insolvenz in der Regel davon ausgegangen, dass ein mitarbeitender Familienangehöriger, der mit dem Unternehmer bzw. Geschäftsführer des Unternehmens verwandt ist, nicht der Versicherungspflicht unterliegt.

Wenn dann der Betroffene zumindest die Rückerstattung der geleisteten Beiträge verlangt, wehrt der Versicherungsträger dies häufig mit dem Argument „Verjährung“ ab, auch wenn dies nicht immer zutrifft bzw. verjährungsunterbrechende Aspekte außer Acht gelassen werden.

Der mitarbeitende Familienangehörige in steuerrechtlicher Sicht
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) sind Mitunternehmer diejenigen, die "Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten können" (BFH, Beschluss vom 03.05.1993, GrS 3/92 (V), BStBl II 1993, 616).

Die Einordnung in die Kategorie "Mitunternehmer“ setzt demnach voraus, dass der mitarbeitende Familienangehörige einen gewissen Einfluss auf das Unternehmen hat bzw. am Erfolg oder Misserfolg der Firma beteiligt ist.
Dies gilt regelmäßig für die Gesellschafter der Unternehmensformen der GmbH, KG, OHG oder GbR.

Die mitarbeitenden Familienangehörigen sind aber fast immer gerade nicht formal Gesellschafter. Daher kommt der Frage, ob dennoch eine Mitunternehmerschaft vorliegt, entscheidende Bedeutung zu.
Auch hier hat der BFH Vorgaben gemacht:
"Wer, ohne Gesellschafter zu sein, einer Personengesellschaft als Angestellter … seine Dienste, Kapital oder Wirtschaftsgüter zur Verfügung stellt und dafür Vergütungen bezieht, die dem Wert seiner Leistungen entsprechen, ist nicht Mitunternehmer.
Das gilt auch dann, wenn er in der Personengesellschaft unternehmerische Entscheidungen zu treffen oder an ihnen mitzuwirken hat und wenn der Bestand seiner Rechtsbeziehungen zur Gesellschaft und die Höhe und Realisierbarkeit seiner Ansprüche in nicht unbedeutendem Maß von der jeweiligen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft abhängen“ (BFH, Urteil vom 22.01.1985, VIII R 303/81 (V), BStBl II 1985, 363).

Hieraus folgt, dass der Mitunternehmer dem Unternehmer weitgehend gleich geordnet sein muss. Dabei spielt es steuerrechtlich keine Rolle, ob Unternehmer und Mitunternehmer die zwischen ihnen geschlossene Vereinbarung z.B. als Arbeitsvertrag bezeichnet haben. Die Form der zwischen den Parteien bestehenden Innengesellschaft ist unabhängig von deren Bezeichnung rechtlich zu würdigen. Die rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen des Unternehmers und des Mitunternehmers müssen sich auf einer partnerschaftlichen Ebene befinden, deren gemeinsames Ziel z.B. der Betrieb des Unternehmens ist.
Daher kommt neben den vertraglichen Abmachungen auch der tatsächlichen Umsetzung in der Praxis große Bedeutung zu.

Der mitarbeitende Familienangehörige in sozialrechtlicher Sicht
Ein unter steuerlichen Aspekten anerkanntes Beschäftigungsverhältnis muss nicht notwendigerweise auch sozialversicherungspflichtig sein.


In der Praxis fallen die steuerrechtliche und die sozialrechtliche Bewertung des gleichen Sachverhalts häufig auseinander.
So kann z.B. das einem Arbeitgeber typische Weisungsrecht bei einem Ehegatten-Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungsrechtlich sehr zweifelhaft sein, wenn weitere Indizien hinzukommen wie z.B. gemeinsames geschäftliches Bankkonto mit beiderseitiger Verfügungsberechtigung oder gemeinsame Unterschriften unter Verträgen.
So der Fall eines Ehepaares, das die auf den Namen des Ehemannes angemeldete Gastwirtschaft quasi gemeinsam betrieb.

Unter sozialversicherungsrechtlichem Blickwinkel hält dem so genannten Fremdvergleich mit einem "normalen“ Arbeitnehmer sicherlich auch ein familiäres Beschäftigungsverhältnis nicht stand, bei dem der Angestellte das eigentliche Know-how besitzt und der Arbeitgeber die "offizielle“ Geschäftsführung ausübt.
So der Fall dreier Gesellschafter einer GbR, die ihre Anteile auf ihre Ehefrauen übertrugen und sich dann von diesen als Arbeitnehmer anstellen ließen.

Und auch das (fast) schrankenlose Agieren des vermeintlichen Angestellten in Kombination mit Umsatzbeteiligung, Kontoberechtigung und Eigentum des Betriebsgebäudes kann steuerrechtlich als Arbeitsverhältnis, sozialversicherungsrechtlich jedoch als sozialversicherungsfrei eingestuft werden.
So der Fall eines von der Ehefrau angemeldeten Handelsgewerbes, welches vom Ehemann als angestellten kaufmännischen Leiter in einem von ihm erbauten und an die Ehefrau vermieteten Betriebsgebäudes selbständig geführt wurde.

Ergebnis
Mitarbeitende Familienangehörige, die Sozialversicherungsbeiträge geleistet haben, sollten in jedem Fall prüfen bzw. prüfen lassen, ob die oben genannten Aspekte auf sie zutreffen.
Dies gibt entweder die Sicherheit, Ansprüche tatsächlich erworben zu haben und entsprechend versichert zu sein oder aber eröffnet die Chance, die unnütz gezahlten Beiträge erstattet zu bekommen.

Zum Autor: Dr. Benno Grunewald arbeitet als Rechtsanwalt in Bremen. Er ist Justitiar des Berufsverbandes Selbständige in der Informatik (BVSI) und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft. Weitere Informationen unter: www.dr-grunewald.de