Keine Eigenschuld

Mithaftung bei Unfall

26.04.2010
Wann muss sich der Fahrer eines Kfz die Betriebsgefaht zurechnen lassen, wenn er nicht Halter ist?

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass sich der Fahrer eines Kraftfahrzeugs, der nicht zugleich Halter desselben ist, die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs nur dann zurechnen lassen muss, wenn er seinerseits für Verschulden gemäß § 823 BGB oder für vermutetes Verschulden gemäß § 18 StVG haftet.

Darauf verweist der Limburger Fachanwalt für Verkehrsrecht Klaus Schmidt-Strunk, Vizepräsident des VdVKA - Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf das am 18.12.2009 veröffentlichte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 17.11.2009, Az.: VI ZR 64/08.

In dem Fall befuhr der Kläger, ein Polizeibeamter, mit seinem Dienstkraftrad die Bundesstraße 9 außerhalb der Ortschaft St. Goar in Richtung Koblenz. Auf einem von ihm aus gesehen neben der rechten Fahrbahn befindlichen Seitenstreifen waren verschiedene Reisebusse geparkt. Als der Kläger an diesen vorbeifuhr, betraten die Beklagten zwischen zwei hintereinander geparkten Bussen die Fahrbahn, um die Straße zu überqueren. Der Kläger wich nach links aus, kam zu Fall und verletzte sich. Die nach dem Unfall entnommene Blutprobe ergab bei der Beklagten zu 1 eine Blutalkoholkonzentration von 1,16 Promille, bei der Beklagten zu 2 eine solche von 1,3 Promille.

Mit seiner Klage hatte er den Ersatz entgangener Schichtzulagen in Höhe von insgesamt 4.663,63 Euro, Fahrtmehrkosten in Höhe von 4.512 Euro, Fahrkosten zu Ärzten sowie Zeitaufwand in Höhe von insgesamt 2.346,22 Euro, die Abgeltung entgangener Urlaubsstunden in Höhe von 6.800 Euro, die Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 32.000 Euro abzüglich vorgerichtlich gezahlter 2.556,46 Euro sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle Schäden aus dem Unfallereignis begehrt

Das Landgericht hat dem Kläger materiellen Schadensersatz in Höhe von 2.048,11 Euro sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.443,54 Euro zuerkannt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Auf die Berufung des Klägers, mit der dieser seinen erstinstanzlichen Klagantrag mit Ausnahme von Fahrtkosten zu Ärzten und Zeitaufwand in Höhe von 1.543,66 Euro weiterverfolgt hat, hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Beklagten zum Ersatz materieller Schäden des Klägers in Höhe von 6.194,80 Euro verurteilt.

20 Prozent selber tragen?

Auf die Berufung der Beklagten hat es festgestellt, dass diese verpflichtet sind, dem Kläger nur 80 Prozent des ihm infolge des Unfalls künftig entstehenden materiellen Schadens zu ersetzen, während er 20 Prozent selbst tragen müsse, wogegen der Kläger Revision beim Bundesgerichtshof einlegte.

Zu Recht, wie der BGH nun urteilte, betont Schmidt-Strunk.

Mithaftung für Verschulden oder vermutetes Verschulden scheidet aus

Das Berufungsgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass sich auch der Fahrer eines Kraftfahrzeugs, der nicht zugleich Halter desselben ist, gemäß § 7 Abs. 2 StVG a.F. die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs zurechnen lassen müsse. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger hier aber lediglich Fahrer, nicht hingegen Halter des Motorrads. Er war mit seinem Dienstkraftrad unterwegs, als er den Unfall erlitt. Halter eines Dienstkraftrads sei aber hier der Dienstherr.

Die Auffassung, der nicht haltende Fahrer eines Kraftfahrzeugs müsse sich die einfache Betriebsgefahr gemäß § 7 Abs. 2 StVG a.F. zurechnen lassen, widerspreche der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen kein Anlass bestehe.

Eine Mithaftung des Klägers in Höhe von 20 % für Verschulden oder vermutetes Verschulden scheide hier aus. Der Beamte sei außerorts auf gerader Strecke mit einer Geschwindigkeit von lediglich ca. 30 km/h auf der Mitte seiner Fahrspur an den rechts neben der Fahrbahn geparkten Bussen vorbeigefahren. Zu einer noch vorsichtigeren Fahrweise sei der Beamte auch nicht aufgrund des von den Beklagten mit der Gegenrüge geltend gemachten Umstands gehalten gewesen, dass er ausweislich seiner Aussage im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vor dem Unfall Fußgänger aus seiner Sicht rechts neben den Bussen wahrgenommen hatte. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass sich die in einigem Abstand zur Fahrbahn aufhaltenden Fußgänger von den Bussen entfernen und unvermittelt versuchen würden, die Fahrbahn zu überqueren mit der Folge, dass er eine Kollision trotz seiner vorsichtigen Fahrweise und trotz der Einhaltung eines Sicherheitsabstands nicht würde verhindern können.

Schmidt-Strunk empfiehlt, dies zu beachten und ggfs. rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA - Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. (www.vdvka.de) verweist. (oe)

Weitere Informationen und Kontakt:

Klaus Schmidt-Strunk, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht und für Verkehrsrecht, Vize-Präsident des VdVKA - Verband Deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V., Siemensstr. 26, 65549 Limburg, Tel.: 06431 22551, E-Mail: rechtsanwalt@schmidt-strunk.de, Internet: www.schmidt-strunk.de