Mittelstand: Mehr Geld für alle

02.06.2006 von Hans Königes
Die gute Nachricht vorweg: In der IT wird wieder besser gezahlt - allerdings differenzierter. 2006 dürfen sich besonders Beschäftigte im Mittelstand über mehr Gehalt freuen und für erfahrene Kräfte greifen Arbeitgeber tiefer in die Tasche.

Martin Hofferberth, Vergütungsexperte der international agierenden Unternehmensberatung Towers Perrin, beobachtet, dass der Trend zu einer Variabilisierung der Einkommen anhält. Mehr noch: Einige Unternehmen verzichten auf eine Anhebung des Grundgehaltes - vor allem dort, wo in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gezahlt wurde - und definieren einen flexiblen Einkommensteil, der nur ausbezahlt wird, wenn auch die Firmenergebnisse am Ende des Jahres stimmen. Hofferberth verdeutlicht das am folgenden Beispiel: Die IT-Vergütung steigt in diesem Jahr durchschnittlich um rund drei Prozent. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sich alle Mitarbeiter über eine Erhöhung im gleichen Ausmaß freuen dürfen. Vielmehr erhielten alle Beschäftigten ein bis zwei Prozent mehr. Die überdurchschnittlich Engagierten profitierten von Bonus- oder sonstigen Zahlungen.

Hier lesen Sie ...

  • was Mitarbeiter im Mittelstand verdienen;

  • welche Positionen im Vergleich zum Großunternehmen besser wegkommen;

  • warum erfahrene Profis im Mittelstand teilweise höher entlohnt werden als in einem großen Betrieb.

Variabler Anteil steigt stärker

Martin Hofferberth, Towers Perrin: 'Mehr Eigenständigkeit und Verantwortung im Mittelstand wird gut honoriert.'

Ferner beobachtet Hofferberth, dass die Einstiegsgehälter langsam wieder steigen, wie das Beispiel der Unternehmensberatungen zeigt. So hat ein IT-Berater als Berufsanfänger bei einem Unternehmen mit weniger als 300 Millionen Euro Umsatz ein Grundgehalt von 36.200 Euro. Im Vorjahr hatte es im Durchschnitt 200 Euro weniger betragen. Das Zielgehalt liegt bei 43.100 Euro (Vorjahr 42.000 Euro). Hofferberth hat herausgefunden, dass selbst bei Juniorgehältern der variable Anteil steigt. Zudem könnten Consulting-Häuser auf Marktschwankungen flexibler reagieren, da sie in der Regel keinen Betriebsrat haben. In großen, vor allem in den international tätigen Beratungshäusern können die Berufsstarter trotzdem noch immer mit einem schönen Anfangssalär rechnen. Dort ist das Basisgehalt mit 43.000 Euro im Jahr rund 6000 Euro höher als in einem kleinen Beratungshaus.

Studiensteckbrief

  • Untersuchung von Towers Perrin mit Unterstützung der CW.

  • Studiengegenstand: Gehälter im IT-Mittelstand.

  • Befragte: 105 Unternehmen bis 300 Millionen Euro Umsatz.

  • Vergleichsgruppe: Unternehmen mit mehr als 300 Millionen Euro Umsatz.

  • Branche: TK und IT.

Das Grundgehalt umfasst alle Gehaltsbestandteile, die nicht durch die Leistung beeinflusst werden. Ein 13. oder 14. Monatsgehalt sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld sind also eingeschlossen. Das Zielgehalt hingegen bildet die Summe aus dem Grundgehalt und variablen Bestandteilen wie Provisionen, Gewinnbeteiligungs-, Management- oder Leistungsboni.

Was der IT-Mittelstand zahlt: Die Mitarbeiter im Vertrieb haben die höchsten Zielgehälter. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass über 40 Prozent des Einkommens variabel ist.

In anderen Berufen unterscheiden sich die Einstiegsgehälter zwischen Konzernen und Mittelständlern nur wenig. Beschäftigte in großen Firmen verdienen noch ein paar hundert Euro pro Jahr mehr. Der Vorteil der in Großfirmen Angestellten beträgt lediglich ein paar hundert Euro. In der Abteilung für Forschung und Entwicklung schneidet der frisch gebackene mittelständische Mitarbeiter mit 45.100 Euro Jahreszielgehalt sogar knapp besser ab als sein Kollege im Konzern (44.900 Euro).

Auch im Verkauf bekommt der mittelständische Mitarbeiter mit durchschnittlich 37.200 Euro ein höheres Basisgehalt als sein Konzernpendant, das mit 34.500 Euro nach Hause geht. Allerdings liegt der Anteil des variablen Gehaltsanteils im Verkauf selbst bei Einsteigern bei über 40 Prozent. Hofferberth erklärt die besseren Gehälter damit, dass die kleineren Firmen den Mitarbeitern mehr Verantwortung übertragen.

Mittelstand honoriert Erfahrung

Das lässt sich vor allem an den Gehältern der erfahrenen Mitarbeiter ablesen. So erreichen Seniorberater im Mittelstand im Durchschnitt ein Jahresgehalt von 78.300 Euro. Der variable Anteil macht dabei 17 Prozent aus. In großen Firmen verdienen die Angehörigen dieser Gruppe dagegen durchschnittlich 73.000 Euro.

Auch im Projekt-Management liegt der erfahrene Mitarbeiter im Mittelstand mit 73.200 Euro (Vorjahr 72.000 Euro) vor seinem Kollegen im großen Betrieb, der am Jahresende 72.000 (Vorjahr 70.600 Euro) in der Tasche hat. Am größten ist diese Diskrepanz allerdings im technischen Kundendienst. Während der Mittelständler seinem erfahrenen Mitarbeiter rund 74.900 Euro im Jahr bezahlt, überweist der Konzern seinem Kundendienstler lediglich 65.000 Euro. Hofferberth erklärt dieses Gefälle mit dem höheren Grad an Eigenständigkeit und der größeren Verantwortung des mittelständischen Technikers im Vergleich zu seinem Kollegen im Großbetrieb.

Dagegen dürfen sich die erfahrenen Forscher und Entwickler im Konzern einer größeren Entlohnung erfreuen als ihre mittelständischen Kollegen. Sie verdienen zwar mit 63.500 Euro etwas weniger als die Kundendienstler, aber rund 2000 Euro mehr im Jahr als die mittelständischen FuE-Beschäftigten. Hofferberth warnt die kleineren Firmen deshalb, diesen wichtigen Bereich nicht zu vernachlässigen und wettbewerbsfähige Gehälter zu zahlen, um gegenüber den Konzernen nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Spezialisten haben es schwerer

Die Gehälter der IT-Spezialisten sind gegenüber deem Vorjahr um durchschnittlich drei Prozent gestiegen.

IT-Fachleute wie Entwickler, Datenbank- und Netzspezialisten verdienen weniger als Berater und Verkäufer und konnten gegenüber dem Vorjahr nur einen kleinen Zuwachs verbuchen. So kommt der Juniorprogrammierer im Mittelstand durchschnittlich auf ein Salär von etwa 43.500 Euro (Vorjahr 43.000 Euro) und der Nachwuchs-Netzspezialist auf 42.500 Euro (Vorjahr 42.000 Euro), wobei der variable Anteil zwischen elf und 14 Prozent beträgt. Der Datenbankexperte muss sich mit 33.700 Euro begnügen, also etwa 700 Euro mehr als im vergangenen Jahr. Hofferberth weist darauf hin, dass die niedrige Vergütung des Datenbankfachmanns im Vergleich zu seinem Netz- und Programmierkollegen mit der Definition des Berufs zusammenhängt. In der Studie ist nicht der Topprofi gemeint, sondern derjenige, der eher administrative Tätigkeiten ausführt.

Konzerne halten sich zurück

Auch für erfahrene IT-Spezialisten wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Der Programmierprofi verdient im Mittelstand 53.200 Euro und im Konzern 55.000 Euro im Jahr. Der Netzexperte hat es besser: Er erreicht im kleinen Betrieb 63.400 und im Konzern 65.700 Euro. Der variable Anteil, der vor zwei Jahren im Durchschnitt noch 13 Prozent, im Vorjahr 15 Prozent betragen hatte, kletterte im Konzern jetzt auf 17 Prozent (15 Prozent im Mittelstand). Der Datenbankfachmann schneidet am schlechtesten ab; er verdient 43.400 Euro (Mittelstand) beziehungsweise 44.600 Euro (Konzern) mit einem variablen Anteil von zwölf Prozent im Konzern und sechs Prozent im Mittelstand.

Auch für Techniker ist der Entlohnungsunterschied zwischen großen und kleinen Unternehmen geringer geworden. Machte er vor zwei Jahren noch bis zu 20 Prozent zugunsten der Konzerne aus, im vorigen Jahr noch um die zehn Prozent, so sind es heuer zum Teil weniger als fünf Prozent. Das liegt laut Hofferberth daran, dass die Konzerne an den Gehältern sparen.

Mittelständische Anwenderunternehmen bezahlen ihre IT-Experten um rund zehn Prozent schlechter als IT-Anbieter vergleichbarer Größe. Gründe dafür sind, dass beim Anwender IT nicht Kerngeschäft ist, die Mitarbeiter gelegentlich etwas schlechter qualifiziert und die Aufgaben nicht so komplex sind wie bei Herstellern. Oft leisten sich Anwender für anspruchsvolle Arbeiten den Service der Hersteller, und der eigenen IT-Abteilung bleibt nur noch der Support übrig. Vergütungsberater Hofferberth weist aber darauf hin, dass "dort, wo IT geschäftskritisch ist, auch die Gehälter entsprechend hoch sind" und es dann keinen Unterschied zwischen IT- und Anwenderunternehmen gebe.

Am deutlichsten wird der Gehaltsunterschied zwischen Mittelstand und Konzern bei den Manager-Einkommen. Der lässt sich auf die einfache Formel bringen: Je größer das Unternehmen, desto höher ist die Vergütung. So erreichen IT-Bosse großer Firmen ein Zielgehalt von durchschnittlich 435.000 Euro, von denen der variable Anteil etwa 40 Prozent ausmacht. Zwar muss der mittelständische Chef auch nicht darben, aber mit 210.000 Euro Jahressalär verdient er immerhin gut über die Hälfte weniger als sein Pendant im Konzern. Hier macht der variable Anteil etwa 30 Prozent der Gesamtvergütung aus.

Konzernbosse kommen gut weg

Chefgehälter in der IT-Industrie: Je niedriger in der Hierarchie die Führungskraft ist, desto kleiner ist der Vergütungsunterschied zwischen Mittelstand und Konzern.

Im mittleren und dann vor allem im unteren Management werden die Unterschiede zwischen den Gehältern in großen und kleinen Unternehmen geringer. So verdient der Bereichsleiter im Mittelstand 127.000 Euro (Vorjahr 123.000 Euro) im Jahr und sein Kollege im Konzern 230.000 Euro (Vorjahr 228.000 Euro). Auf der Ebene der Abteilungsleiter kommen sich die kleinen Chefs schon wesentlich näher. Im Mittelstand erreicht diese Management-Gruppe ein Einkommen von rund 96.000 Euro (Vorjahr 95.000 Euro) im Jahr und im Konzern 122.000 Euro (Vorjahr 119.000 Euro). Noch näher beieinander sind die Projektleiter: Sie verdienen im Mittelstand im Durchschnitt 76.000 Euro (Vorjahr 71.000 Euro) und im Konzern 81.000 Euro (Vorjahr 74.000 Euro) im Jahr. Je weiter oben jemand in der Hierarchie steht, desto flexibler ist sein Gehalt. Der variable Entlohnungsanteil des mittelständischen Bereichsleiters beträgt etwa 20 Prozent (im Konzern sind es 27 Prozent), beim Projektleiter sind es nur noch fünf bis sechs Prozent, unabhängig von der Betriebsgröße.

Motivationsinstrument Firmenwagen

Das Statussymbol Firmenwagen lässt sich nach Beobachtung der Towers-Perrin-Vergütungsexperten weiter als Instrument zur Mitarbeiterbindung einsetzen. Ein Trend in der Hightech-Industrie geht allerdings dahin, diese Vergünstigung mehr Beschäftigten zugute kommen zu lassen als bisher, um damit Barzahlungen sparen zu können. "Innovative Lösungen können die Firmenwagenprogramme für die Mehrzahl der Mitarbeiter in den Unternehmen öffnen", so Berater Martin Hofferberth.

Auch ohne Anspruch auf einen arbeitgeber-finanzierten Pkw können hierbei Mitarbeiter ein Auto über einen Firmenleasingvertrag beziehen. Die Leasingrate wird brutto abgezogen. Gegengerechnet wird der geldwerte Vorteil (Berechnungsgrundlage ist ein pauschaler Nutzungswert von 0,03 Prozent des Listenpreises je Entfernungskilometer. Im Gegenzug kann der Arbeitnehmer für die Fahrten für die ersten zehn Kilometer 0,36 Cent und für jeden weiteren Kilometer 0,40 Cent pro Entfernungskilometer als Werbungskosten geltend machen.) Sollte der Steuervorteil aus der Bruttoentgeltumwandlung höher ausfallen, so hat sich das Ganze für den Mitarbeiter gelohnt. Zudem erhalten Unternehmen deutlich bessere Leasing-Konditionen als Privatkunden.

Unternehmen wie EDS oder die Software AG betreiben derartige Programme bereits seit mehreren Jahren. Firmen wie Dell und Hewlett-Packard haben sich ebenfalls entschlossen, solche Modelle der Personalbindung einzuführen; "eine positive Entwicklung für die Mitarbeiter", lobt Hofferberth. Wenn viele Beschäftigte davon Gebrauch machen, könnten auch die Unternehmen einen Zusatznutzen erzielen. Je mehr Autos über einen Gruppenvertrag erfasst werden, um so aussichtsreicher lässt sich über einen günstigen Preis verhandeln, so der Vergütungsexperte.