XP ist moderner als Vista

Netbooks und das Ende von Windows Vista

30.10.2008
Als Hewlett-Packard (HP) neulich einen neuen Miniatur-Laptop ("Netbook") vorstellte, war das für den Windows-Zögling Vista wirklich kein gutes Zeichen.
Die Netbooks - hier HPs Mini 1000 - sorgen für das fällige Umdenken bei Betriebssystemen.

Von Wolfgang Leierseder

Als Hewlett-Packard (HP) neulich einen neuen Miniatur-Laptop ("Netbook") zum Preis von 399 Dollar vorstellte, zeigten sich Marktbeobachter davon überzeugt: Der definitive Einstieg des weltgrößten Notebook-Anbieters in den Netbook-Markt mit dem "Mini 1000", demnächst auch mit dem Mini 700, befördert und belegt die Bedeutung des Netbooks für die kommenden PC-Geschäfte. Marktforscher IDC zufolge könnten in diesem Jahr rund 10,8 Millionen Netbooks den Besitzer wechseln. Damit würden Netbooks im Notebook-Segment rund 7.3 Prozent Marktanteile erreichen.


Das allerdings ist nur eine Seite der Medaille. Die andere ist: Es zeichnet sich auch das Ende einer Desktop-Entwicklung an, die bis dato hieß: Neue Rechner übertrumpfen ihre Vorgänger in Sachen Prozessor-Leistung und Speicherplatz - weshalb neue Betriebssysteme, etwa Vista, aber auch Apples Leopard, grundsätzlich immer weiter aufgebläht werden können.

Das Gegenteil zeichnet sich jetzt mit den deutlich abgespeckten Netbooks ab. Diese zeichnen sich vor allem durch ihre vergleichsweise bescheidene Leistung und Speicherkapazität aus, und das wenig ressourcenhungrige Linux auf dem Desktop wird schneller Wirklichkeit, als dessen Verfechter es je wagten, es sich auszumalen..

Netbooks sind in jedem Fall erschwinglich. Weshalb sie sich an zwei bestimmte Zielgruppen wenden. Die eine kann sich herkömmliche Rechner nicht leisten; die zweite rüstet sich mit einem vergleichsweise billigen Zweitgerät aus, mit dem sie eine Reihe von gewohnten PC-Aufgaben - Texte, Tabellenkalkulation und Web-Browsen - erledigt.

Der Gleichschritt schnellere Prozessoren/dickeres Betriebssystem ist out

Der gewohnte Gleichschritt schnellere Prozessoren/dickeres Betriebssystem ist damit nicht mehr gültig. Er wird durch diese neue Entwicklung unumkehrbar in Frage gestellt - und durch Entwicklungen wie "Software-as-a-Service" (SaaS), also im Netz bereitgestellte Applikationen unterstützt. Das bedeutet aber auch, dass bisher vernachlässigte Linux-Betriebssysteme eine neue Chance haben, auf Desktops ihre Dienste zu tun. Denn sie sind, anders als die Monolithen auf dem Desktop, leicht anpassbar, weil quelloffen, und variabel, weil modular geschrieben

Das weiß man bei Microsoft, dem Verfechter immer üppigerer Betriebssysteme, mittlerweile sehr genau. Die jüngste Windows-7-Vorschau zeugte davon; und offensichtlich besteht im Redmonder Hauptquartier kein Zweifel daran, dass der Vista-Nachfolger auch mit einer schlanken Version für Netbooks auf den Markt kommen wird.

Doch bis dahin werden noch viele Monate vergehen. Gerüchte, denen zufolge Microsoft Windows 7 schon Mitte 2009 starten könnte, kursieren, doch ob sie sich bewahrheiten, steht dahin. Eigentlich war Windows 7 erst für Ende 2009 oder Anfang 2010 geplant.

Bis dahin aber muss Microsoft der Kombination Netbook und Linux entweder tatenlos zusehen. Oder aber das im Januar 2007 in den Markt gebrachte Vista zugunsten des weniger Ressourcen beanspruchenden Windows XP beiseite stellen.

Praktisch heißt das: Microsoft muss sein eigentlich schon abgekündigtes Betriebssystem weiter im Markt halten, um nicht Linux das Feld zu überlassen.

Genau das wird auch die Strategie des Redmonder Riesens sein. Doch das hat zur Folge, dass auf einmal, ganz gegen den Willen Microsofts, in Unternehmen XP weiter präsent sein wird. Neben Vista, statt Vista – egal.

So folgt, dass der jüngsten Ankündigung des Software-Anbieters, seine OEMs weiterhin mit einer Downgrade-Variante von XP zu versorgen, noch weitere folgen werden. Solange, bis ein modulares und stabiles Windows 7 auf dem Markt ist. Dann aber schreiben wir das Jahr 2010. Solange wird XP munter weiter verkauft werden. Denn es ist moderner ist als Vista. Die Lehre, die Microsoft daraus ziehen wird, heißt: Das Zeitalter der monolithischen Desktop- Betriebssysteme geht zuende. Und Vista, als letzter Vertreter dieser Spezies, führt gerade dessen Untergang vor

Wahrscheinlich weiß man das bei Microsoft. Man hat es nur noch nicht zugegeben. Sowenig wie Apple. Das Unternehmen zeigt sich unbeirrt. Aber manchmal täte ihm ein Blick zu nach Redmond gut. (wl)