Was tun gegen Cisco?

Netzwerker mit gemischten Aussichten

25.08.2009
Die Krise setzt den Netzwerkern zu. Allerdings sind sie Krisen seit Jahren gewöhnt. Dennoch tut sich im Segment Netzwerke soviel, dass ein aktueller Überblick für den indirekten Kanal nicht schadet.
Je wichtiger Netzwerke werden, desto klarer ist die Aufgabe für Netzwerker, sich zu positionieren.
Foto: AXA

Die Weltwirtschaftskrise verschont auch die Netzwerker nicht. Alles andere wäre überraschend, und insofern dürfte sich niemand wundern, dass Cisco das vierte Quartal 2009 (Ende: 25. Juli) mit einer Gewinnhalbierung abschloss. Zudem unterstrich CEO John Chambers, trotz einer zuletzt "normalen Auftragslage" seien Aussagen zur künftigen Entwicklung nicht möglich.

Dass der weltgrößte Netzwerk-Ausrüster dennoch vehement an seiner Zukunft bastelt, zeigen die strukturellen Änderungen im Management: Angeführt von Chambers gibt es jetzt ein "Operating Committee" mit 15 Top-Managern. Diesem untergeordnet arbeiten 12 "Councils" mit durchschnittlich 14 Mitgliedern. Weitere 47 "Boards" kümmern sich um neue Technologien und Märkte, und diverse Arbeitsgruppen arbeiten an einzelnen Projekten und versorgen die "Boards" mit Geschäftsideen.

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Ob diese Struktur tauglich ist, wenigstens 50 neue Märkte zu erschließen - wobei Cisco mit Macht unter anderem in das Geschäft "intelligente Netze für die Stromerzeugung und -Verteilung" ("Smart Grid"), drängt, ebenso in das lukrativen Healthcare- und Server-Geschäft, aber auch mit Hilfe der Tochter Linksys den noch immer auf nutzerfreundliche Eingebungen wartenden Markt für Heimnetzwerke besetzen will -, muss sich erst zeigen.

Tk-Ausrüster Nortel wird zerschlagen.

Klar hingegen erscheint das Schicksal des kanadischen Tk-Ausrüster Nortel. Das Unternehmen, das zu seinen besten Zeiten über 90.000 Mitarbeiter beschäftigte, steht nach seiner Insolvenz ("Chapter 11") im Januar dieses Jahres vor der Zerschlagung. Dem mochte CEO Mike Zafirovski, 2005 von Motorola gekommen und beauftragt, Nortel zu sanieren, nicht länger zuschauen - er ist nach den letzten, deprimierenden Quartalszahlen mit sofortiger Wirkung abgetreten.

Und während sich um Nortels lukrative CDMA- und LTE-Sparte (Long Term Evolution, der Nachfolger von UMTS), Ende Juli offiziell für 1,3 Milliarden Dollar an den weltgrößten Tk-Ausrüster Ericsson verkauft, noch Gerüchte um mögliche Einsprüche ranken - so soll Blackberry-Hersteller RIM bei der kanadischen Regierung interveniert haben, um den "Ausverkauf von mit Steuergeldern finanziertem Know-How" zu verhindern -, hat sich Telefonspezialist Avaya Nortels Enterprise Solutions-Abteilung für 475 Millionen Dollar gesichert.

Avaya, Enterasys, Extreme Networks und Foundry im Zugzwang

Zu diesem Bereich gehören das Geschäft mit Telefonielösungen und Unified Communications für Firmenkunden sowie der Bereich LAN-Switches. Unklar ist nun, was mit den europäischen Mitarbeiter dieser Nortel-Abteilung passiert: Nachdem sich Avaya vorbehalten hat, in Europa ausschließlich einen "Asset Deal" für den Kauf der Nortel-Wirtschaftsgüter einzugehen, folgen nun Gespräche mit den Arbeitnehmervertretungen und Einzelpersonen.

Im Übrigen überschneiden sich die Produktportfolios im Bereich Telefonie, und das Segment LAN-Switches, von dem sich Avaya vor Jahren wegen mangelnder Rentabilität getrennt hat. Solche Switches lies sich Avaya seitdem vom kalifornischen Netzwerker Extreme Networks liefern.

Telefonspezialist Avaya hat sich Nortels Enterprise Solutions-Bereich für 475 Millionen Dollar gesichert.

Dieser wiederum hat nach langer Durststrecke den privat gehaltenen und 150 Mitarbeiter zählenden Hersteller Soapstone Networks erworben. Mit der Übernahme des Spezialisten für Provisioning- und Service-Assurance-Software für Carrier-Ethernet-Netze will sich Extreme bei Service-Providern interessanter machen, die Ethernet-Dienste für Kunden bereitzustellen und zu betreiben. Die Software soll in die Netzwerk-Management-Suite "EPI-Center" integriert werden. Derzeit verkauft Extreme vor allem in den überschaubaren Nischen öffentliche Behörden und Regierung - für spezialisierte Partner ein langwieriges, aber lukratives Geschäft.

Aber der Netzwerker, der für das abgelaufene Geschäftsjahr 2009 (Ende: 28. Juni) einen Gewinn von 2,8 Millionen Dollar, doch einen zehnprozentigen Umsatzrückgang auf 335,6 Millionen berichtet hat, kämpft wie so viele Konkurrenten seit Jahren um eine Erfolg versprechende Positionierung im von Cisco souverän dominierten Markt.

Ähnlich der amerikanische Netzwerker Enterasys. Dieser, seit 2005 bei dem US-Investor Gores Group untergekommen, trat zuletzt mit der Meldung hervor, nun habe Investor Gores Group die Mitte letzten Jahres gekaufte Siemens-Abteilung "Enterprise Networks" sowie Call Center-Anbieter SER und Enterasys zu einem Unternehmen verschmolzen (wobei Gores und Siemens mittels Joint Venture in einem "Enterprise Networks-Boot sitzen). Mit insgesamt rund 14.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von über drei Milliarden ist diese Gruppe kein Leichtgewicht unter den Netzwerkern - und dennoch gegenüber Cisco allenfalls die zweite Wahl.

Mit den Ethernet-Switches der Serie EX4200 ködert Juniper Enterprise-Kunden.
Foto:

Dieses seit Jahren bestehende Unverhältnis zwischen der Marktmacht des Netzwerkprimus und der seiner Konkurrenten trifft auch für Juniper Networks zu. Während der kalifornische Netzwerker im TK- und Service Provider-Markt Cisco nennenswert Marktanteile abnehmen konnte und als die wirkliche Nummer Zwei gelten muss, geht es ihm bei den seit zwei Jahren angebotenen Switches und anderen Komponenten, darunter Lösungen für Rechenzentren, und, in Kooperation mit Serveranbieter Stratus, Virtualisierung und Clouds, wie allen Konkurrenten Cisco: Er spielt die Rolle, die ihm der Netzwerkprimus lässt. Auch wenn Juniper-Manager Sepp Lausch im Gespräch mit ChannelPartner sagte, seine Erwartungen für dieses Jahr seien hoch; und Juniper werde ein deutliches Wachstum verzeichnen können.

An dieser Situation dürften auch die jüngsten Koalitionen und Partnerschaften, die Juniper, aber auch Brocade-Tochter Foundry mit IBM als OEM-Abnehmer von Switches verabredet haben, wenig ändern.

Mag der Server-Vorstoß von Cisco Serveranbieter wie IBM und HP, die mit der Netzwerkabteilung Procurve immerhin erreicht hat, eine Alternative zu Cisco bei mittelständischen Kunden zu sein, ernsthaft beunruhigen, so dass diese Koalitionen eine notwendige Gegenreaktion darstellen - eine die Roadmap erkennbar füllende Netzwerk-Strategie ist ergibt sich daraus noch nicht.

SMB Netzwerker

Auch kleinere Netzwerker, wozu unter anderem Allied Telesis, D-Link, Netgear, SMC Networks und Zyxel sowie die deutschen Unternehmen Devolo, Lancom und Funkwerk zu zählen sind, können sich ihrer Geschäfte nicht wirklich sicher sein.

Nicht nur wegen der Wirtschaftskrise, die bei den Genannten samt und sonders für deutliche Umsatzrückgänge sorgte, sondern auch wegen der entweder ausbleibenden Geschäfte mit SoHo- und Heimnetzkunden, wegen hausgemachter Fehler oder auch der Ankündigung Ciscos, sich den SMB-Markt nicht länger entgehen zu lassen.

Eins von Probleme von Netgear: die Menge der Produkte.
Foto: Netgaer

Beispielsweise Netgear: Der SMB-Netzwerker, der hierzulande jahrelang das SoHo- wie das Retailgeschäft dominierte und über Partner SMB-Kunden mit einem breiten Portfolio bedienen konnte, ließ in den vergangenen acht Monaten so deutlich Federn, nicht zuletzt auch bei seinen Mitarbeitern, so dass er laut dem Nürnberger Konsumforscher GFK Anbietern wie Belkin, etwa im Segment WLAN-Router, das Zepter überlassen musste. Die aktuelle Schwäche Netgears zog andere Retailkonkurrenten noch oben, darunter auch Cisco-Tochter Linksys. Zwar ist Netgear mit seinem Portfolio der ProSafe-Serie ein sicherer Channel-Partner, doch er unterschätzt, wie schnell seine Schwäche Konkurrenten Marktvorteile verschafft.

Ebenso verlor Allied Telesis nach seinem jähen Stopp seiner Geschäfte mit Service Providern Anfang vorigen Jahres den Faden: Das Unternehmen, das jahrelang zu den größten Netzkarten-Partner n der Deutschen Telekom gehörte und unverhüllt Ambitionen zeigte, bei Enterprise-Kunden eine gewichtige Rolle zu spielen, ist derzeit wieder damit beschäftigt, womit es eigentlich nichts mehr zu tun haben wollte: Es stellt immer wieder Netzwerkkomponenten vor, so zuletzt mit dem Managed-Layer 2-Switch AT-9000/52 eine Gigabit-Komponente mit 48 GBit/s-Kupfer- und vier SFP-Ports. Doch von vormals beanspruchten Lösungsanspruch ist das japanische Unternehmen weit entfernt - trotz seines Anspruches, ein sogenannter End-to-end-Anbieter zu sein und demzufolge Kunden und Partner langfristig zu binden.

Core-Switches sollen D-Link zu einem Cisco-Konkurrenten machen.
Foto: D-Link

Ähnliches gilt für D-Link. Die Karriere des Netzwerkers im Mittelstand war beachtlich, doch der Aufstieg in die erste Liga der Netzwerker ist dem taiwanischen Anbieter bisher nicht gelungen. Zwar beschäftigt allein D-Link Deutschland rund 100 Mitarbeiter in Eschborn, mehr als Extreme und Enterasys zusammen und mehr als doppelt soviel wie die Konkurrenten Netgear, SMC und Allied Telesis zusammen, doch man setzte im Hauptquartier in Taipeh andere Prioritäten. Die Konsequenz: Den kostspieligen Enterprise-Markt mit langen Projektzyklen überließ das Unternehmen Cisco und anderen. Und obwohl D-Link in Asien seit Jahren Cisco immer wieder herausfordert und es erst vor kurzem mit dem Markeintritt der Chassis-Switch-Serie DES-7200 seinen Anspruch erneuerte, sich im Enterprise-Segment, das heißt bei größeren mittelständischen Unternehmen zu etablieren, auch über Partner, die allerdings erst noch rekrutiert werden müssen, ist die Marschrichtung des Netzwerkers weiterhin geprägt von dem SMB-Ansatz.

Nische Powerline, Cisco's SMB-Start

Anders Devolo. Das Aachener Unternehmen hat sich auf die Nische Powerline (IP-Netze über das Stromkabel) spezialisiert. In der ist es erfolgreich, und da es die mögliche Skalierbarkeit von Powerline-Netzen gerade bei SoHo-Kunden ohne IT-Administration erkannt hat, setzt es, trotz seiner beschränkten Marketingmöglichkeiten, auf diesen Nische.

Gewiss ist Devolo bei Powerline nicht der einzige Anbieter, Netgear, Linksys oder Zyxel versucht ihm im Endkundengeschäft das Leben schwer zu machen, doch die Aachener können verlässlich auf den SMB-Markt setzen.

Schließlich Belkin und Funkwerk.

Während Netzwerker Funkwerk, der vor Jahren die die Unternehmen Artem, Bintec und Elmeg gekauft hat, sich vor allem auf Mobilitätslösungen bei der Bahn und Logistikern sowie Telefonie und Office-Anbindungen - VoIP und Wireless-Router - konzentriert, arbeitet sich Belkin, bekannt als amerikanische Zubehöranbieter für Apple, langsam im Netzwerkmarkt für SoHo-Kunden und dort insbesondere im Wireless-Bereich vor. Seine Mühlen mögen langsam mahlen; doch sie stehen nicht still.

Doch sie bleiben im SMB-Geschäft garantiert nicht alleine. Cisco nämlich drängt mit seiner "SMB Technology Group" in den Markt. Angetrieben von dem Channel-Verantwortlichen Keith Goodwin, in Europa von Thierry Drilhon und in Deutschland von Guido Sommer, lautet die (alte) Aufgabe, ebenso erfolgreich zu werden wie andere "neue Märkte", wie sie bei Cisco hausintern ausgezeichnet sind.

Gegenüber ChannelPartner versicherte Drilhon Ende Mai, Cisco werde - anders als den halbherzigen SMB-Versuchen bisher - seine Marktmacht, seine Partnerbasis und seine Finanzierungsmöglichkeiten nutzen, um so viele SMB-Kunden wie möglich zu erreichen. "Wir sehen die Möglichkeiten, die wir haben , und wir werden sie nutzen." Der deutsche SMB-Verantwortliche Sommer erklärte, seine Abteilung könnte mit mehr als 1.000 Partnern, die entsprechend genauen Produktmatrixen geschult wurden und werden, in dem Markt agieren. Die Themen der SMB-Kunden - etwa IT und Automation, auf alle Geräte sich erstreckende Unternehmensnetze, Applikationsintegration und Datensicherheit nennt Sommer - seien bekannt, und Cisco werde "genügend Geld investieren", um sich den SMB-Markt zu erschließen.

Das heißt: Die Konkurrenten des Netzprimus werden alle Hände zu tun haben, um vor dessen Marktmacht nicht zu kapitulieren. (wl)