Bundesagentur für Arbeit

Neue Praxis zur Verhängung von Sperrzeiten

30.01.2008
Kündigt der Arbeitnehmer selbst, droht ihm eine Sperre des Arbeitslosengeldes – außer, er hat einen wichtigen Grund für sein Verhalten. Was darunter zu verstehen ist, erklärt Rechtsanwalt Dr. Christian Salzbrunn.

Kündigt ein Arbeitnehmer selbst sein Arbeitsverhältnis oder schließt er mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag bzw. infolge einer Arbeitgeberkündigung einen so genannten Abwicklungsvertrag ab und führt der Arbeitnehmer gerade hierdurch seine spätere Arbeitslosigkeit herbei, droht ihm gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Teil III (SGB III) eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen beim Bezug des Arbeitslosengeldes. Eine Ausnahme von dem vorstehenden Grundsatz sieht das Gesetz nur für solche Fälle vor, in denen der Arbeitnehmer einen "wichtigen Grund" für sein Verhalten hat.

Ein solcher wichtiger Grund zur Lösung des Arbeitsverhältnisses wurde von Seiten der Arbeitsämter und den Sozialgerichte in der Vergangenheit nur in seltenen Fällen befürwortet. Der Abschluss von Aufhebungsverträgen bzw. Abwicklungsverträgen führte daher sehr häufig zur Verhängung einer Sperrzeit. Am 12.07.2006 fällte das Bundessozialgericht jedoch ein Urteil, wonach ein Aufhebungsvertrag trotz Zahlung einer Abfindung dann keine Sperrzeit beim Bezug vom Arbeitslosengeld auslöst, wenn der Arbeitnehmer infolge einer angedrohten und rechtmäßigen Kündigung seitens des Arbeitgebers sowieso von der Arbeitslosigkeit betroffen gewesen wäre. Denn in einem solchen Fall sei das Interesse des Arbeitnehmers, mit dem Aufhebungsvertrag zumindest eine Abfindungszahlung zu erzielen, letztlich höher zu bewerten, als das Interesse der Versichertengemeinschaft an einem Abwarten der angedrohten Arbeitgeberkündigung (BSG, Urteil vom 12.07.2006, Az.: B 11 a AL 47/05 R).

Diese Entscheidung des Bundessozialgerichts hat zur Konsequenz, dass die Bundesagentur für Arbeit ihre Verwaltungsrichtlinie zur Anwendung des § 144 Abs. 1 S. 1 SGB III im Oktober 2007 geändert hat und nunmehr klargestellt hat, dass Aufhebungsverträge unter folgenden Umständen sperrzeitrechtlich gerechtfertigt sind:

- Der Arbeitgeber stellt dem Arbeitnehmer eine Kündigung "mit Bestimmtheit" in Aussicht.

- Diese drohende Arbeitgeberkündigung wird auf betriebliche Gründe gestützt.

- Das Beschäftigungsverhältnis endet auch durch Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht früher, als es im Falle einer fristgemäßen Kündigung ohnehin geendet hätte.

- Der Arbeitnehmer ist nicht unkündbar.

- Es wird im Aufhebungsvertrag eine Abfindung vereinbart, die zwischen einer Bandbreite von 0,25 bis 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr liegt.

Sind diese vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, entfällt bei den Arbeitsämtern ab sofort die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der hypothetischen Kündigung. Es kommt also nicht mehr darauf an, ob die drohende Arbeitgeberkündigung tatsächlich rechtmäßig gewesen wäre. Das bedeutet, dass von Seiten der Bundesagentur für Arbeit unter diesen Prämissen automatisch das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Lösung vom Arbeitverhältnis angenommen wird und dass damit ebenso automatisch eine Sperrzeit beim Bezug des Arbeitslosengeldes entfällt (so die Durchführungsanweisung Sperrzeit Rdn. 144.102 sowie 144.103 der Bundesagentur für Arbeit).

Andererseits ist aber auch zu beachten, dass die Bundesagentur für Arbeit nach wie vor die Rechtmäßigkeit einer hypothetischen Kündigung überprüft, sofern die Höhe der Abfindung entweder unter 0,25 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr bzw. über 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr liegt.

Sofern also ein Arbeitnehmer eine höhere Abfindung als 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr erzielen möchte oder der Arbeitgeber nur eine geringere Abfindung als 0,25 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr leisten möchte, hat sich durch diese neue Verwaltungsrichtlinie sperrzeitrechtlich nichts geändert. In solchen Fällen - d. h. außerhalb der vorgegebenen Bandbreite - ist daher nach wie vor die Gefahr gegeben, dass mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder eines Abwicklungsvertrages eine Sperrzeit beim Bezug vom Arbeitslosengeld erfolgt.

Der Autor: Rechtsanwalt Dr. Christian Salzbrunn. Weitere Informationen zur Rechtsanwaltskanzlei Dr. Christian Salzbrunn erhalten Sie im Internet über die Homepage http://www.ra-salzbrunn.de. Kontakt und Adresse: Rechtsanwaltskanzlei Dr. Christian Salzbrunn, Alt-Pempelfort 3, 40211 Düsseldorf, Tel.: 0211/1752089-0, Fax: 0211/1752089-9. E-Mail: info@ra-salzbrunn.de (mf)