Wege aus dem Berufsfrust

Neuer Spaß im alten Job

15.08.2018 von Hans Königes
Erschreckend viele Arbeitnehmer in der IT-Branche sind unzufrieden mit ihrem Job. Das wird seit vielen Jahren durch zahlreiche Untersuchungen belegt. Gleichzeitig waren die Arbeitsbedingungen in Deutschland nie so gut wie heute. Gründe für diesen Widerspruch gibt es viele. Oft ist es aber nur eine Frage der Wahrnehmung, ist die Münchner Diplompsychologin Madeleine Leitner überzeugt.

Durchschnittlich 38 Stunden tarifliche Wochenarbeitszeit, 29 Urlaubstage pro Jahr, Arbeitszeitflexibilität, verbesserte Vereinbarkeit von Job und Familie: Deutsche Arbeitnehmer haben es in vielen Punkten besser, als Ihre Kollegen im Ausland. Dennoch belegen Umfragen und Untersuchungen immer wieder: Die Zufriedenheit im Job stagniert seit vielen Jahren kontinuierlich auf niedrigem Niveau.

Die Zufriedenheit im Job stagniert seit vielen Jahren kontinuierlich auf niedrigem Niveau. Doch es gibt Wege raus aus dem Berufsfrust.
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Eine Erfahrung, die auch Madeleine Leitner bestätigen kann. Sie arbeitet seit über zwei Jahrzehnten mit Fach- und Führungskräfte, die beruflich unzufrieden sind oder in ihrer Karriere nicht weiterkommen. Neben den typischen Klienten mit einer Midlife-Crisis rund um den 40. Geburtstag suchen seit einiger Zeit sogar erfolgreiche Führungskräfte jenseits der 50 ihre Beratung. Angeödet von ihren Jobs haben sie sich innerlich längst verabschiedet.

Ihre Motivation liegt bei null, viele arbeiten nur noch für das Geld. Aus lauter Frust kündigen sie, suchen ihr Glück in einem neuen Job oder steigen ohne Netz und doppelten Boden einfach aus. Oft mit verheerenden Folgen. Die erhoffte Erleuchtung bei der Suche nach ihrer wahren "Berufung" bleibt aus. Mangels Alternativen kehren sie nach einer Auszeit frustriert in ihren alten Beruf zurück. Bei anderen erweist sich die neue Stelle als Mördergrube; die Position besteht aus unlösbaren Aufgaben und entwickelt sich zum Schleudersitz; die Firma baut ab und die Neuen müssen als erste gehen. Der vermeintliche Traumjob erweist sich als Albtraum.

Der Mensch gewöhnt sich schnell an positive Dinge

Bei solch bedeutsamen Schritten rät die Psychologin aus Erfahrung daher zur Vorsicht. Aus der Wahrnehmungspsychologie ist nämlich bekannt, dass sich der Mensch sehr schnell an positive Dinge gewöhnt und diese dann als selbstverständlich erachtet. Im Gegensatz dazu nimmt er all das, das er nicht hat, besonders stark wahr. Daraus resultiert zwangsläufig ein Gefühl chronischer Unzufriedenheit, die positiven Seiten der Tätigkeit hingegen werden unterschätzt.

Das stellen auch immer wieder die Klienten von Madeleine Leitner fest. Eine Mitarbeiterin eines sehr bekannten, großen IT-Unternehmen war so unzufrieden, dass sie unbedingt kündigen wollte. "Beim Beratungsgespräch berichtete ich ihr, dass ihr Job aus meiner Sicht geradezu sensationell positiv war im Vergleich zu dem, was ich von anderen Klienten als berufliche Realität kannte", so die Psychologin.

Sie wollte aber trotzdem unbedingt "etwas anderes" machen. Im Rahmen eines Treffens ehemaliger Klienten kam sie mit anderen ins Gespräch und realisierte erst dadurch, dass ein gutes Betriebsklima ohne Mobbing, eine gute Bezahlung, die Möglichkeit zu kleinen Sabbaticals und Freiräume bei der Arbeit alles andere als selbstverständlich sind. Danach bewertete sie ihren Job noch einmal deutlich positiver. Seitdem nutzt sie vermehrt das großzügige Angebot ihres Arbeitgebers für gelegentliche Auszeiten.

Madeleine Leitner ist Diplompsychologin und Karrierecoach.
Foto: Madeleine Leitner

Ein weiterer Fall aus Leitners Praxis lief ähnlich ab: Ein Projektmanager im IT-Bereich wollte ebenfalls aus Frust kündigen. Nach der Standortbestimmung wurde ihm bewusst, dass die Firma und sein Chef außerordentlich gut waren. "Wir erkannten durch unsere Arbeit, dass sein eigentliches Thema, das ihn im Job unzufrieden machte, eher mit ihm selbst zu tun hatte.

Denn er sah zwar immer, was man besser machen konnte, war aber nicht in der Lage, das zu kommunizieren", so die Münchner Coach-Expertin. Nach und nach lernte er, sich die Vorschläge nicht mehr zu verkneifen, sondern aktiv anzusprechen. Das gelang ihm immer besser, zumal seine Impulse in der Firma auf fruchtbaren Boden fielen - damit war die Kündigung kein Thema mehr."

Bevor man also etwas Grundlegendes verändert, so Leitner, sollte man sich zunächst ein paar grundlegende Fragen stellen:

Tipps, um wieder Freude im Job zu finden

Außerdem hat die Münchner Psychologin aus ihrer Erfahrung noch drei Tipps parat, die Menschen geholfen haben, wieder Freude im alten Job zu finden:

"Bei genauer Betrachtung haben viele meiner Klienten erkannt, dass ihre Tätigkeit im Vergleich gar nicht so schlecht abschneidet, wie sie das erwartet hatten", freut sich die Psychologin. Allein diese Erkenntnis habe sie dazu motiviert, wieder mit neuem Schwung an ihre alte Arbeit zu gehen.