Steve Ballmer trimmt die Company auf Angriff

Neues aus dem Hause Microsoft

25.07.2008
Der Redmonder Softwareriese ist dabei, sein Software-Portfolio deutlich aufzustocken. Themen wie Virtualisierung, Teamarbeit, Data Warehouse und der SQL-Server stehen im Mittelpunkt.

Von Wolfgang Leierseder

Dass es bei Microsoft zur Zeit ruhig zugeht, wird niemand sagen. Der plötzliche Abgang des Online-Obersten Kevin Johnson, der zuletzt als Leiter der Plattform und Services-Abteilung 14.000 Mitarbeiter unter sich hatte und verantwortlich war für Windows Vista, Windows Live und Web Search und die gescheiterte Übernahme von Yahoo, zeigte zumindest, wie sehr Microsoft an einer Übernahme des Google-Konkurrenten gelegen war.
Noch deutlicher verweisen die neuesten Äußerungen Steven Ballmers zu Apple auf ein gravierendes Problem, das dem Softwareriesen seit Jahren naturgemäß zu schaffen macht: Die Entscheidungen, die in Redmond getroffen werden, hinken der Entwicklung des IT-Marktes konsequent hinterher.

Beispiel Vista: Als das Betriebssystem Ende Januar 2007 endlich den Markt betrat, war es schon veraltet. Zu viele Desktop- beziehungsweise Client-Anforderungen, zuwenig Internet, sprich Modularität und keine Möglichkeit, häufig genutzte Anwendungen a la GoggleApps geräteunabhängig mit sich mitzuführen, lautete die Kritik des Softwaremonolithen. Da nützte auch Microsofts mit Hunderten von Millionen Dollar genährte Marketingmaschine nichts mehr: Die Anwender tauschen Vista gegen das bewährte XP aus, sie schielen nach Office-Anwendungen, die auf Open Source-Software beruhen, und sie sehen den Verzettelungen und unklaren Botschaften aus Redmond zunehmend distanziert zu.

Ebensowenig konnte die Marketingmaschine den Run auf Apples "iPhone". verhindern. Mag Microsoft mit seinem Betriebssystem "Windows Mobile" weitaus mehr Nutzern dienen - es wird vor allem über Apples Kultgadget geredet, so besinnungslso, dass sogar dann, wenn Apple etwas grob falsch macht, sich noch immer ein Analyst findet, der die Lieferschwierigkeiten bei dem iPhone zum Apple-Erfolg stilisiert "Die Hauptursache ist die hervorragende Nachfrage", sagte Kevin O'Marah von AMR Research. Chapeau!

Fest steht, dass diese Vorkommnisse Microsoft-Chef Steve Ballmer nicht erfreuen. Ingrimmig erklärte er gerade auf dem alljährlichen Analystentreffen in Redmond, Microsoft stehe vor großen Aufgaben - und werde sie angehen.

Microsoft versus Apple und Google

Nach wie vor sei die Internetsuche der beste Weg, Kunden beziehungsweise Endkunden neue Internet-Dienste anzubieten, sagte Ballmer. Die Folge: Microsoft werde sich im Markt nach Technologien und Firmen umsehen und sie kaufen. Zugleich werde Microsoft selbst neue Produkte entwickeln. Welche, konnte Ballmer nicht sagen. Doch er machte den Analysten klar, dass Microsoft nicht Apple hinterher hecheln werde.

Wenige Tage vor der Konferenz hatte Ballmer in einem Mail an alle 90.000 Microsoft-Mitarbeiter geschrieben, dass es Apple gut gehe. "Warum?" fraget Ballmer rhetorisch und gab gleich die Antwort. Weil Apple seinen Kunden zwar nur wenige Produkte anbieten könne, diese aber so gestaltet seinen, dass sie ohne Probleme miteinander arbeiteten

Mit Microsoft-Produkten machten Kunden gegenteilige Erfahrungen: Sie seien zuwenig aufeinander abgestimmt, weshalb die sattsam bekannten Probleme auftreten - und weltweit Kunden nerven. "Unsere Produkte bestehen oft aus vielen Kompromissen ", kritisierte Ballmer die Verantwortlichen in Redmond.

Googles Software ist im Netz verfügbar - Microsoft zieht mühsam nach.

So kündigte er an, dass das nicht so bleiben werde. Künftig werde Microsoft mit Hardware-Anbietern so zusammenarbeiten, dass die gewünschte durchgängige Nutzererfahrung garantiert werden könne. Das gelte ebenso für Software und diese umgebende Dienstleistungen ("Services").

In Zukunft müsse jede Software als Bestandteil einer Plattform gedacht werden, die irgendwo im Internet, auch verteilt, angesiedelt sei. Diese Softwares können auf unterschiedlichen Geräten genutzt werden, zuhause oder am Arbeitsplatz, und sie könnten gemietet oder gekauft werden. Schon bald, so Ballmer, werde man sehr viel mehr von diversen Redmonder Initiativen hören, seien es die hauseigene Online-Angebote rund um "Windows Live" oder allgemein Online-Technologien.

Dass Ballmer die hauseigene Software Windows als "begeisternd" bezeichnete und erklärte, ihren Erfolg zu sichern sei die Hauptaufgabe eines jeden Microsoft-Mitarbeiters, trug ihm in diversen amerikanischen Blogs hämische bis rüde Kommentare ein - die Nummer 2 bei Microsoft werde lernen müssen, wenn überhaupt möglich, dass Selbstlob aus dem Hause Microsoft weniger gelitten wird als etwa aus dem Hause Apple.

Virtualisierung und ein neuer Collaboration-Kampf mit IBM

Ballmer war nicht allein zu dieser Analystenkonferenz gekommen. Ihn begleiteten hochrangige Microsoft-Manager. Etwa Kevin Turner, COO (Chief Operating Officer) und damit verantwortlich für das operative Geschäft.

Turner kündigte an, dass das Management-Werkzeug für die Virtualisierung von Betriebssystemen, der "Virtual Machine Manager" (VMM), bereits in diesem September ausgeliefert werden soll. Bislang hatte Microsoft dessen Marktreife für das vierte Quartal dieses Jahres in Aussicht gestellt. So hat Microsoft zwar sein Versprechen, das Tool werde spätestens 60 Tage nach dem Markteintritt der Virtualisierungs-Software "Hyper-V", verfügbar sein, nicht gehalten, doch angesichts anderer Auslieferungsverzögerungen Microsofts kann man sagen, dass die Redmonder eigentlich in der Zeit geblieben sind.

Bei dem großen Thema Virtualisierung möchte Microsoft eine bedeutende Rolle spielen.
Foto: IDC

Mit "VMM" verspricht Microsoft, virtuelle Maschinen managen zu können. Diese Funktionalität soll sich auch auf Konkurrenzprodukte von VMware und Citrix/Xen erstrecken. "Wir werden Kunden, die in andere Hard- und Software-Techniken investiert haben, die Möglichkeit geben, diese und unsere zugleich zu verwalten", versprach Turner. Er bezeichnete diese Option als "strategisch wichtig" für Microsofts Aufholjagd im Segment Virtualisierung.

Das Softwarewerkzeug werde als Add-on zu dem "Windows Server 2008" verkauft. Es setzt diesen voraus, nicht aber die aktuelle Management-Suite SMSE (System Center Server Management Suite Enterprise), die seit vergangenem Jahr erhältlich ist. Ebenso wenig sei die vielfach kritisierte "Software Assurance Maintenance"-Lizenz notwendig, um VMM einsetzen zu können. Der Preis für das Stand-alone-Produkt dürfte bei ab 1.100 Dollar pro Jahr liegen.

Turner sprach des Weiteren über die Bemühungen seines Hauses, dem Erzrivalen IBM Notes-Kunden abspenstig zu machen. Er sagte, Microsoft habe sich zum Ziel gesetzt, im laufenden Fiskaljahr (Ende: 30. Juni 2009) rund fünf Millionen Notes-Nutzer zum Umstieg auf Exchange sowie Sharepoint zu bewegen. Sein Unternehmen habe in den vergangenen zwei Jahren rund acht Millionen Lizenzen in Notes-Umgebungen verkauft - diese Zahl wünsche Microsoft noch zu übertreffen.

Der Kampf um Groupware-Kunden dürfte also noch härter werden, zumal IBM mit seiner Software "Quickr Content Integrator" ein Migrationstool anbietet, das geeignet ist, in Unternehmen massenhaft Sharepoint-Nutzer auf das Teamarbeitstool ("Collaboration") "Quickr" umzuleiten.

IBM erklärte dazu, dass ein Drittel der Neukunden, die es für seine Softwareplattform "Sametime" gewinnen konnte, Exchange-Kunden waren. Darüber hinaus habe das Geschäft mit Notes allein im letzten Jahr um neun Prozent zugenommen, im ersten Quartal 2008 sogar um 17 Prozent, lautete die Auskunft IBMs gegenüber ChannelPartner.

SQL für Data Warehouses

Der SQL Server: In größeren Unternehmen dominieren IBM und Oracle.
Foto: Ronald Wiltscheck

In die Analystenkonferenz fiel auch die Ankündigung Microsofts, sein SQL Server-Geschäft mit Data Warehouse-Funktionen aufzumöbeln. Für einen nicht genannten Preis habe man den amerikanischen Spezilisten Datallegro gekauft. Dieses 100 Mitarbeiter zählende private Unternehmen mit Sitz in Aliso Viejo, Kalifornien, gehört zu den Herausforderern der etablierten Anbieter wie Marktführer Teradata, IBM, Hewlett-Packard, Sun Microsystems oder Netezza.

Die Besonderheit der Lösung der Kalifornier liegt darin, Data Warehouse nicht zentral zu speichern - und dadurch Unternehmen zu zwingen, eigene Hardware und Speicher vorrätig zu halten, um die immer wieder gewaltigen Suchabfragen ("Queries") und oft wechselnden Workloads zu bewältigen -, sondern sie im Unternehmens-LAN dynamisch zu verteilen. Dazu verwendet Datallegro eine Infiniband-Backplane (Server-Switch) und verteilt die Workloads zwischen mehreren Instanzen aus Servern und Speichern. Dabei kommen Intel-Server von Dell, Speicher-Techniken von EMC und Switches von Cisco zum Einsatz. Als Datenbank verwenden die Kalifornier die Open-Source-Datenbank von Ingres und eigene Software, beispielsweise zur Datenkompression oder zur Raid-Verteilung.

Das Unternehmen warb erst im Februar dieses Jahres damit, dass seine Lösung zehnmal so schnell sei wie vergleichbare Konkurrenzprodukte, doch nur ein Zehntel des Preises der Konkurrenz koste. Datallegro bietet seine Lösung als Multi-- und Single-Rack-Server-Lösung an.

Entsprechend erklärte Microsoft, mit dem Kauf könne es in Konkurrenz zu den Hochverfügbarkeits-Lösungen der etablierten Anbieter treten, wie Bob Muglia sagte, bei Microsoft verantwortlich für das Server und Tool-Geschäft. Muglia pickte sich insbesondere Oracle heraus, als er behauptete, die Lösung werde "weit über Oracles Fähigkeiten hinaus skalierbar" sein. Infolgedessen adressiere Microsoft Enterprise-Kunden, für die bislang die Datenbank SQL Server nicht in Frage kam.

Einziger Schönheitsfehler des Kaufes: Microsoft muss die Open Source-Datenbank für den SQL Server umschreiben sowie die Ingres-Kunden für das Microsoft-Produkt gewinnen. Das dürfte nicht einfach sein: Bekanntlich sind Datenbank-Kunden sehr treue Kunden mit Hang zur Verwendung alter und älterer Datenbank-Lösungen - einfach weil diese verlässlich laufen.

Mehr zur Integration von Datallegro wird Microsoft vermutlich im Oktober dieses Jahres auf seiner "Business Intelligence"-Konferenz in Seattle sagen. Das wünschen sich zumindest die Analysten von IDC und Forrester nach der Redmonder Konferenz. (wl)