Geplante Verordnung bringt Veränderungen

Neues zur arbeitsmedizinischen Vorsorge

05.12.2008
Mit einer neuen Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge werden die Untersuchungsanlässe eindeutig und rechtsverbindlich geregelt.

Derzeit sind die Regelungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge auf verschiedene Verordnungen und die BGV A4 "Arbeitsmedizinische Vorsorge" verteilt. Damit ist eine hohe Rechtsunsicherheit verbunden, weil im Einzelfall nicht klar ist, welche Vorsorgeuntersuchungen verbindlich sind. Das soll sich nun ändern: Mit einer neuen Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge werden die Untersuchungsanlässe eindeutig und rechtsverbindlich geregelt. Derzeit befindet sich die Verordnung noch im Entwurfsstadium. Eines kann aber schon heute mit großer Sicherheit gesagt werden: Die neue Verordnung wird keine Ausweitung des Umfangs der arbeitsmedizinischen Vorsorge bringen.

Klare gesetzliche Grundlage

Im Dezember hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen ersten Arbeitsentwurf für die "Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge" vorgelegt. Damit werden laut BMAS rechtlich einwandfreie, systematische und transparente Grundlagen in dem grundrechtsrelevanten Bereich der arbeitsmedizinischen Vorsorge geschaffen. Pflichtuntersuchungen sind ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf freie Berufsausübung (Art. 2 bzw. 12 Grundgesetz) und bedürfen daher einer klaren gesetzlichen Grundlage.

Dies soll durch einheitliche Definitionen von Begrifflichkeiten und die an gleichförmigen Kriterien ausgerichtete Unterscheidung von Pflicht- und Angebotsuntersuchungen erfolgen. Unternehmen sollen aber nicht durch verpflichtende Vorgaben belastet werden.Kernstück des Entwurfs ist die mit zehn Paragrafen erfreulich schlanke "Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge". Sie regelt die Pflichten des Arbeitgebers und des Arztes und definiert diejenigen Tätigkeiten und Stoffeinsätze klar und übersichtlich, für die Pflichtuntersuchungen veranlasst oder Angebotsuntersuchungen angeboten werden müssen.

Die Anhänge führen - thematisch gegliedert - in Tabellen die konkreten Anlässe für Pflicht- und Angebotsuntersuchungen auf:

Teil I: Tätigkeiten mit Gefahrstoffen;

Teil II: Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen;

Teil III: Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen (Hitze, Lärm, Vibrationen usw.);

Teil IV: Sonstige Tätigkeiten (z. B. Bildschirmarbeiten).

Untersuchungsanlässe, die jetzt noch in der BGV A4 enthalten sind (z. B. Hitze- oder Kältearbeiten) werden ebenfalls in den Anhang überführt. Damit wird die BGV A4 überflüssig.

Details

Die neue Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge fasst Regelungen aus folgenden Vorschriften zusammen: Gefahrstoffverordnung, Biostoffverordnung, Gentechnik-Sicherheitsverordnung, Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung, Druckluftverordnung und Bildschirmarbeitsverordnung.

Dabei beschränkt sich die neue Verordnung auf die sog. Sekundärprävention: Vorsorgeuntersuchungen und arbeitsmedizinische Beratung.

Maßnahmen der Primärprävention, also z. B. die Beteiligung des Betriebsarztes an Gefährdungsbeurteilungen oder Unterweisungen, werden davon nicht berührt. Diese verbleiben im Arbeitsschutzgesetz in Verbindung mit den Fachverordnungen und den BGV A2 "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit".

Die Änderungen im Einzelnen

Die in den Anhängen aufgeführten Pflicht- und Angebotsuntersuchungen entsprechen im Wesentlichen den bisher geregelten Anlässen. Der Arbeitgeber muss für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge sorgen, und die Beschäftigten müssen ihre Ansprüche kennen (Beratung, Unterweisung). Ein Betriebsarzt muss berechtigt sein, die Gebietsbezeichnung "Arbeitsmedizin" bzw. Zusatzbezeichnung "Betriebsmedizin" zu führen. Pflichten für den Arzt sind z. B., dass er sich vor der Durchführung einer Vorsorgeuntersuchung die notwendigen Kenntnisse über die Arbeitsplatzverhältnisse verschaffen muss. Umgekehrt heißt das für den Arbeitgeber, dass er die erforderlichen Informationen bereitstellt bzw. dem Arzt eine Arbeitsplatzbegehung ermöglichen muss. Außerdem muss der Arzt Untersuchungsergebnisse auswerten, Erkenntnisse über unzureichende Schutzmaßnahmen an den Arbeitgeber weitergeben und Verbesserungen vorschlagen.

Wunschuntersuchungen

In die Verordnung werden auch sog. Wunschuntersuchungen nach § 11 ArbSchG aufgenommen, also solche, die der Arbeitgeber den Beschäftigten auf deren Wunsch hin ermöglichen soll. Damit sollen für bisher wenig beachtete arbeitsbedingte Erkrankungen Kriterien und Untersuchungsanlässe ermittelt werden können, die über die in den Anhängen geregelten hinausgehen (z. B. Muskel-Skelett-Erkrankungen).

Schließlich soll ein Ausschuss für Arbeitsmedizin eingerichtet werden, der begleitende Regeln, Erkenntnisse und Empfehlungen erarbeitet.

Was Arbeitgeber beachten müssen

Zur arbeitsmedizinischen Vorsorge gehören die Beurteilung der individuellen Wechselwirkungen von Arbeit und Gesundheit, die individuelle Aufklärung und Beratung, Vorsorgeuntersuchungen, die Nutzung von Erkenntnissen aus Untersuchungen für die Gefährdungsbeurteilung sowie sonstige Maßnahmen des Arbeitsschutzes.

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen - z. B. Eignungsuntersuchungen - sollten nicht mit anderen Untersuchungen zusammengefasst werden, sondern grundsätzlich von anderen Untersuchungen getrennt erfolgen, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

Pflichtuntersuchungen werden bei Anlässen mit hohem Gefährdungspotenzial als Erst- und Nachuntersuchungen gefordert. Die Pflichtuntersuchung ist Beschäftigungsvoraussetzung: Eine entsprechende Tätigkeit darf ohne die Untersuchung nicht durchgeführt werden. Insbesondere betrifft das Tätigkeiten mit Gefahr- und Biostoffen, aber auch Tätigkeiten mit extremer Hitze- oder Kälteeinwirkung, Lärmexposition, Druckluftarbeiten usw.

Angebotsuntersuchungen müssen vom Arbeitgeber aus den in den Anhängen genannten Anlässen angeboten werden. Die Untersuchungen sind allerdings freiwillig. Auch sie sind als Erst- und Nachuntersuchungen vorgesehen.

Der Arbeitgeber bekommt nicht alle ärztlichen Informationen über die Untersuchungsergebnisse. Nur bei Pflichtuntersuchungen muss der Arzt dem Arbeitgeber eine Bescheinigung über die Untersuchungsergebnisse übermitteln. Er unterliegt grundsätzlich der ärztlichen Schweigepflicht. Ergebnisse von Angebotsuntersuchungen dürfen nur mit dem Beschäftigten besprochen werden, diese Ergebnisse bekommt der Arbeitgeber nicht.

Wenn bei einem Beschäftigten gesundheitliche Bedenken gegen eine bestimmte Tätigkeit bestehen, gibt es zwei Möglichkeiten: Sind die Bedenken auf unzureichende Schutzmaßnahmen zurückzuführen, muss der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung überprüfen und evtl. zusätzliche Schutzmaßnahmen treffen. Bleiben die Bedenken bestehen oder sind nicht auf unzureichende Schutzmaßnahmen zurückzuführen, muss er die betrieblichen Möglichkeiten ausschöpfen und dem Beschäftigten andere Tätigkeiten zuweisen oder anbieten. (oe)

Noch ist die Verordnung im Entwurfsstand. Nähere Infos und Quelle: www.haufe.de/arbeitsschutz