Nokia-Handy im Blackberry-Stil

Nokia E72 im Test

23.12.2009 von Yvonne Göpfert
Es muss nicht immer ein Blackberry sein. Das Nokia E72 sieht zwar so aus, läuft jedoch unter Symbian S60. Wie gut sich das Blackberry-Imitat schlägt, verrät der Test.

Das Nokia E72 ist ein Symbian S60-Smartphone im Blackberry-Stil. Die handliche Größe des Vorgängers Nokia E71 hat das Nokia E72 beibehalten. Mit silbernem Rahmen und einem Metall-Deckel über dem Akku sieht das Smartphone nach vornehmen Understatement aus. Das Gerät ist sehr gut verarbeitet und liegt angenehm in der Hand. Die Tasten reagieren sehr gut auf Druck, und durch die Wölbung sind die einzelnen Buchstaben auch gut zu treffen. Sie liegen allerdings sehr eng beeinander. Die Beschriftung der Lettern ist gut lesbar.

Display des Nokia E72
Das 2,36-Zoll-Display ist zwar recht klein, aber ebenfalls gut zu lesen. Allerdings ist die Display-Helligkeit bei Auslieferung auf einen mittleren Wert gesetzt, um Akkukapazität zu sparen. Vielen Nutzern dürfte das zu dunkel sein. In den Einstellungen lässt sich die Helligkeit auf "maximal" einstellen. Dann bleibt das Display auch bei praller Sonne noch lesbar.

Am linken Gehäuserand sitzt der Steckplatz für Micro-SD- und SDHC-Speicherkarten. Der Nutzer kann die Karte im laufenden Betrieb wechseln, ohne den Akkudeckel enfernen zu müssen. Um die Gummilasche zu öffnen, die den Steckplatz vor Schmutz schützt, ist jedoch Fingerspitzengefühl gefragt: Der Schlitz ist nämlich extrem schmal. Ein Knopf zwischen den Lautstärkereglern an der rechten Seite aktiviert die Sprachbefehle. Sie führen die gesprochenen Befehle des Anwenders jedoch recht unzuverlässig aus.

Viele Schnellzugriffe auf dem Nokia E72
Praktisch sind die vielen Schnellzugriffe, die das Nokia E72 zu bieten hat. Direkt unter dem Display sitzen die Tasten, die ins Menü und zur Kamera führen. Darunter wiederum befinden sich vier logisch beschriftete Tasten, die direkt auf den Startbildschirm führen, den Kalender oder das Adressbuch öffnen und Zugriff auf die Mails gewähren. Alle sechs Tasten lassen sich jedoch auch mit anderen Funktionen belegen. Oben im Display besteht eine weitere Möglichkeit für Direktzugriffe in Form von sechs Icons, die häufig benutze Programme öffnen.

Mit diesen Schnellzugriffen bietet das Nokia E72 schon maximale Individualisierbarkeit. Doch Nokia setzt noch eins obendrauf: Wer Geschäfts- und Privatleben trennen will, kann sich jeweils einen eigenen Startbidschirm fürs Privat- und einen fürs Geschäftsleben einrichten.
Unter "Systemsteuerung / Modi" besteht die Möglichkeit, zwei verschiedene Start-Screens für das N72 zu definieren. Auf den Geschäftsbildschirm legt der Anwender beispielsweise den Zugriff auf häufig genutzte Funktionen im Berufsleben wie Terminkalender, E-Mails, Browser und Notizen. Auf seinen privaten Bildschirm dagegen packt er sich neben Browser und E-Mail die Bildergalerie oder den Musikplayer. Um von einem Bildschirm zum anderen zu gelangen, klickt er "Modi" in der oberen Iconleiste im Display an. Der Wechsel von geschäftlich zu privat braucht beim Nokia N72 etwa 2,5 Sekunden. Beim E71 musste der Nutzer noch quälend lange fünf Sekunden warten.

Nachteil dieses dualen Systems: Für alle Termine gibt es nur einen einzigen Kalender. Daher sieht man auch im privaten Modus die geschäftlichen Verabredungen. Schön wäre es, wenn Nokia hier auf dem N72 mit der Layertechnik arbeiten würde, die zum Beispiel der Google Kalender oder der Kalender auf dem Palm Pre bietet. Sie erlaubt das Ausblenden einzelner Kalender.

Nur für Profis: Menüführung auf dem Nokia E72
Das Menü ist mit zwölf Hauptpunkten, die jeweils mehrere Unterpunkte enthalten, sehr umfassend. Schnell veriirt man sich angesichts der vielen Funktionen und Einstellmöglichkeiten: Der Anwender braucht daher etwas Einarbeitungszeit, bis er sich zurecht findet.

Ausstattung auf dem Nokia E72

Neu auf dem Nokia E72 ist die Funktion "Chat". Sie gewährt direkten Zugang zu den Instant Messaging-Diensten Windows Live Messenger, Yahoo! Messenger, Google Talk und Ovi Chat. ICQ bleibt außen vor. Nach der Anmeldung mit Benutzername und Passwort kann man loslegen und jederzeit zwischen den Diensten hin- und herspringen, ohne die Anwendung verlassen zu müssen.

Bereits vorinstalliert auf dem Symbian-60-Smartphone ist die Mobile-Version von Quickoffice. Sie ermöglicht das Öffnen und Bearbeiten von Word-, Excel- und Powerpoint-Dateien. Löblich, denn auf vielen Smartphones finden sich nur eingeschränkte Versionen, die nur das Betrachten der Dokumente erlauben.

Business-Software auf dem Nokia E72
Ein Programmm, das sich nur auf Symbian-Handys findet, sind "Aktive Notizen". Der Nutzer schreibt seine Notiz, beispielsweise "nach Projektstand fragen" wie gewohnt, anschließend lässt sich die Notiz mit einem Kontakt koppeln. Die Notiz poppt dann auf, wenn der entsprechende Kontakt anruft oder angerufen wird. Pro Kontakt kann nur eine Notiz gespeichert werden, eine Notiz lässt sich jedoch beliebig vielen Kontakten zuweisen. Das ist praktisch, wenn man beispielsweise ein ganzes Team telefonisch über den Projektstand informieren will.
Weiter hat Nokia eine Präsentations-Software und eine Visitenkartensoftware auf das Nokia E72 gepackt. Die Präsentations-Software zeigt Powerpoint-Shows auf einem PC an, die auf dem Handy gespeichert sind. Die Scanner-Software digitalisiert Texte und Visitenkarten. Wählt der Anwender nur "Text", so kann er diesen als Notiz speichern. Wählt er den Visitenkartenleser, werden die Daten direkt ins Adressbuch übernommen. Die Software arbeitet ordentlich. Probleme gibt es bei dem Buchstaben "l". Er wird oft als "i" missinterpretiert. Und auch bei "e" und "c" treten Verwechslungen auf. Die lassen sich manuell korrigieren.

Multimediafunktionen auf dem Nokia E72
Für Multimedia-Fans hat Nokia dem N72 eine 5-Megapixelkamera, einen Mediaplayer, Musik-Suche und Music-Store sowie ein UKW-Radio spendiert. Der Sound über das mitgelieferte Hedseat klingt anständig. Wer den Stereo-Raumklang aktiviert, die Bässe per Bass-Booster zuschaltet oder am Equalizer dreht, kann den Sound noch optimieren. Praktisch: An der Oberseite des E72 findet sich ein 3,5-Millimeter-Standard-Anschluss für Kopfhörer. Über den Schalter im Kabel des mitgelieferten Nokia-Headsets kann man übrigens zwischen den Songs oder auch zwischen Radiosendern hin- und herzappen.
Die 5-Megapixelkamera löst bei Tageslicht binnen einer Sekunde aus und liefert farbtreue Bilder. Sie verfügt über einen echten Blitz. Zudem kann der Nutzer einen Makromodus und viele weitere Motivprogramme wie Landschaft, Portait oder Sport, aktivieren. Neu hinzugekommen ist der Panoramamodus: Die Ergebnisse werden umso besser, je langsamer man die Kamera dreht. Insgesamt kann man sechs Aufnahmen zu einer Panoramaansicht zusammengefügen.

GPS im Nokia E72
Auch das eingebaute GPS-Modul, mit dem sich der Nutzer den Weg zeigen lassen kann, funktioniert zuverlässig. Dank A-GPS ortet das Mobiltelefon den Nutzer auch in einem Gebäude - technikbedingt jedoch nicht ganz exakt. Gelungen ist die neueste Version der Navigations-Software Ovi Karten: Das Programm bietet einen Fußgängermodus, der auch durch Fußgängerzonen und Parks lotst. Für große Städte sind Sehenswürdigkeiten als 3D-Gebäude auf die Karte gerendert - das sieht sehr hübsch aus. Damit leistet das E72 bei der Navigation gute Dienste.

Surfen mit dem Nokia E72
Das Nokia E72 überträgt Daten per HSPA mit bis zu 10,2 MBit/s im Download. Die HSPA-Netze in Deutschland unterstützen derzeit aber maximal 7,2 MBit/s. Beim Upload legt sich das E72 mit 2 MBit/s ins Zeug. Das E71 schaffte nur Datenraten bis 384 KBit/s. Auch eine Verbindung via WLAN 802.11 b oder g ist möglich. Die Datenübertragung funktioniert flott: Die mobilen Webseiten von focus, spiegel online oder welt.de brauchen nur gut 10 Sekunden, bis sie aufgebaut sind. Die Webseite von PC Welt wird nicht als mobile Seite erkannt. Das vollständige Laden dauert hier eine halbe Minute per HSDPA und gut 20 Sekunden per WLAN. Zudem lässt sich das Nokia E72 auch als Modem verwenden. Zum Browsen stellt das E72 den Nokia-Browser Minimap zur Verfügung, der die Webseiten auf die Breite des Bildschirms optimiert - besonders hilfreich bei News-Portalen. Der kleine Bildschirm macht das Lesen auf Dauer jedoch anstrengend. Die Bedienung über die Tastatur ist übersichtlich, aber umständlich. Hier sind Touchscreen-Displays deutlich besser: Daran kann das Nokia E72 auch mit dem Fünf-Wege-Steuerkreuz unter dem Display, das sich zum Touchpad für die Maussteuerung umfunktionieren lässt, nicht viel ändern.

Die Sprachqualität des E72 überzeugt. So klingen die Stimmen sowohl vom E72 zu Festnetz als auch umgekehrt klar und natürlich, es ist jedoch ein leichtes Rauschen in der Leitung zu vernehmen. Enttäuschend dagegen die Leistung des Freisprechers: Ist er aktiviert, wird das Gespräch plötzlich abgehackt übertragen.

Fazit
Das Nokia E72 ist ein sehr gut ausgestattetes Business-Smartphone mit einer guten Tastatur - auch wenn die Tasten sehr eng beieinanderliegen. Im Vergleich zum Nokia E71 bietet das Nokia E72 ein paar feine Verbesserungen: GPS zum Navigieren, eine 5-Megapixelkamera und einen Chat-Client für gängige Programme außer ICQ. Die größte Stärke des Nokia E72 ist jedoch die gute Ausstattung mit Business-Software: Neben Zip-Programm, pdf-Reader und mobilen Office-Anwendungen ist auch ein Visitenkartenleser vorinstalliert. Zudem lassen sich Privat- und Geschäftsleben besser trennen - zum Beispiel über zwei Startbildschirme. Der Schwachpunkt des Nokia E72 bleibt ist das unübersichtliche Menü des Symbian-S60-Handys.

Nokia E72: alle Testergebnisse und technische Daten

ALLGEMEINE DATEN: Nokia E72 (Handy)

Gesamtnote

gut (2,04)

Testkategorie

Handy

Handy-Hersteller

Nokia

Nokias Internetadresse

www.nokia.de

Preis (Hersteller-UVP)

439 Euro

BEWERTUNG (0-100 Punkte): Nokia E72 (Handy)

Handy-Basics (30%)

95

Handhabung (25%)

45

Ausstattung (20%)

87

Multimedia (15%)

77

Connectivity (10%)

82

Gesamtwertung

74 von 100

DIE TECHNISCHEN DATEN: Nokia E72 (Handy)

Handy-Basics

Größe

114 x 58 x 10,1

Gewicht

129 Gramm

Formfaktor

Riegel

Betriebssystem

Symbian S60 Version 3.2.3

Prozessor

600 MHz

Besonderheiten

Akku-Laufzeit

Stand-by-Zeit im GSM-Netz in Stunden

492 Stunden

Gesprächszeit im GSM-Netz in Minuten

750 Minuten

Stand-by-Zeit im UMTS-Netz in Stunden

576 Stunden

Gesprächszeit im UMTS-Netz in Minuten

300 Minuten

Netze

GSM 900

ja

GSM 1800

ja

GSM 1900

ja

GSM 850

ja

EDGE

ja

UMTS

ja

HSDPA

ja

Display

Größe

48 x 41 Millimeter

Auflösung

320 x 240 Pixel

Touchscreen

nein

Handhabung

Mechanische QWERTZ-Tastatur

ja

Ruftonzuordnung pro Kontakt oder Kontaktgruppe

ja

Profile

ja

Flugzeug-Modus

ja

Ausstattung

Schnittstellen

Bluetooth

ja

USB

ja

WLAN

ja

2,5- oder 3,5-Millimeter-Klinkenstecker

ja

Speicher

intern

250 MB

Speichererweiterung

ja

Speicherkarte im Lieferumfang

ja

GPS

GPS-Chip

ja

Navigationssoftware

Testversion

Multimedia

Fotos

Auflösung

2592 x 1944 Pixel

Autofokus

ja

Makro

ja

Motivprogramme

ja

Bildstabilisator

nein

Optischer Zoom

nein

Videos

Auflösung

640 x 480 Pixel

Bildstabilisator

nein

Musik

Anzahl Formate

7

Headset im Lieferumfang

ja

UKW-Radio

ja

Connectivity

Browser

ja

Push-E-Mail

ja

E-Mail-Anhänge

ja

Instant Messaging

ja