Gelungene Modellpflege

Nokia Lumia 925 im Praxistest

05.09.2013 von Manfred Bremmer
Bereits gut ein halbes Jahr nach dem Start hat Nokia dem bisherigen Flaggschiff einen knackigen Nachfolger vor die Nase gesetzt. Die COMPUTERWOCHE hat sich das Lumia 925 näher angeschaut.

Fast hatte man sich an den bunten Plastik-, äh Polycarbonat-Look der Lumia-Serie gewöhnt, da beweist Nokia mit dem Lumia 925, dass es auch anders geht. Bei dem nur in Weiß, Silver und Schwarz angebotenen Gerät handelt es sich im Prinzip um ein Lumia 920, dem ein aus vier Teilen zusammengesetzter Alu-Rahmen und ein strahlendes AMOLED-Display mit Clearblack-Technologie sowie eine überarbeitete Zeiss-Pureview-Optik verpasst wurde.

Das Ergebnis gefällt: Das Smartphone macht nicht nur einen besonders wertigen Eindruck; weil im Zuge des Faceliftings auch die Wireless-Charging-Funktion weggelassen wurde, fällt es auch leichter und dünner wie sein Vorgänger aus. So sank das Gewicht von 185 auf 139 Gramm, gleichzeitig ging die Dicke von elf auf 8,7 Millimeter zurück. Dank der Fastenkur und den stärker abgerundeter Kanten liegt das Gerät außerdem etwas besser in der Hand wie das Lumia 920, lediglich die Wölbung auf der Rückseite fehlt etwas.

Ganz auf Polycarbonat wollte und konnte (NFC!) Nokia dann offenbar beim Lumia 925 aber doch nicht verzichten. So besteht der nicht abnehmbare Rückdeckel aus dünnem Kunststoff mit einer matten Oberfläche, die leider besonders beim weißen Modell etwas schmutzempfindlich ist.

Die Rückfront ist aber ohnehin nicht die Schokoladenseite des neuen Flaggschiffs: Zum einen steht hier dank der Schrumpfkur die Linse etwas weit vor, zum anderen irritiert es etwas, dass das Plastik unterhalb der Kamera nicht so eng anliegt, also noch Luft hat.

Display und Kamera sind Highlights

Apropos Kamera: Neben dem leuchtenden und relativ hochauflösenden 4,5-Zoll-OLED-Display (WXGA, 1280 mal 768 Pixel) ist die 8,7-MP-Pureview-Optik von Carl Zeiss wohl das Highlight des Lumia 925. Im Vergleich zur bereits sehr guten Kamera des Vorgängermodells hat sich Nokia hier noch einmal ins Zeug gelegt und bietet über eine zusätzliche sechste Kamera-Linse und einer überarbeiteten Kamerasoftware mehr Schärfe und Klarheit sowie ein geringeres Bildrauschen. Insgesamt, so zeigte sich im Test, machen sich die Verbesserungen vor allem bei schlechteren Lichtverhältnissen bemerkbar.

Neu ist auch die App Smart Camera, die unter anderem über einen Serienbild- oder Best-Shot-Modus verfügt sowie ein Nachbearbeiten der Bilder ermöglicht. Nokia Smart Camera soll mit dem Amber-Update auch auf andere Lumia-Geräte kommen, wann hängt bei Windows Phone (ähnlich wie bei Android) vom Carrier ab.

Lumia 925
Nokia Lumia 925
Das neue Nokia-Flaggschiff ist in Schwarz, Weiß und Silber erhältlich.
Nokia Lumia 925
Die Schokoladenseite des Lumia 925 mit schickem Metallrahmen.
Nokia Lumia 925
Die Rückseite ist mit Kunststoffabdeckung und hervorstehendem Objektiv nicht so hübsch geraten.
Nokia Lumia 925
Die beiden technischen Highlights des Geräts vereint: Das leuchtende AMOLED-Display und die 8,7-MP-Optik von Carl Zeiss.
Nokia Lumia 925
Mit Nokia Smart Cam bieten die Finnen auch eine eigene App, um die Möglichkeiten der Kamera auszureizen.
Testbild Lumia 925
Die Kamera beeindruckt insbesondere bei schlechten Lichverhältnissen (ohne Blitz)
Vergleichsbild Samsung Galaxy S3
Hier das mit einem Samsung Galaxy S3 geschossene Vergleichsfoto...

Anders als es die äußere Hülle des Lumia 925 erwarten lässt, ist das Innenleben gegenüber dem Lumia 920 weitgehend unverändert - das neue Smartphone-Flaggschiff wird von einem Snapdragon-S4-Chipsatz von Qualcomm mit 1,5 Gigahertz-Dualcore-CPU angetrieben, dem 1GB RAM zur Seite stehen. Damit ausgestattet, lässt sich das Smartphone recht zügig und ohne Ruckler bedienen. Wer nicht gerade Spiele-Fan ist, vermisst aber keinesfalls eine Quad-Core-CPU - die Vorgaben von Microsoft für Windows Phone lassen den OEM-Herstellern wie Nokia hier aktuell ohnehin (noch) wenig Spielraum.

Im Gegensatz dazu könnte das Gerät allerdings mehr Speicherplatz vertragen: Außer bei Vodafone (32 GB) wird das Smartphone nur mit 16 Speicher angeboten, wovon 11 GB zur freien Verfügung stehen. Anwender, die Navigation, Musik und Kamera ausgiebig nutzen, stoßen schnell an ihre Grenzen. Eine Erweiterung über MicroSD-Karte ist nicht möglich.

Auch die Ladung des (nicht auswechselbaren) Akkus ist mit 2000 mAh nicht unendlich - einen knappen Arbeitstag dauert es in der Regel, bis das Gerät dringend ans Ladekabel angeschlossen werden muss. Wireless Charging wie beim Lumia 920 ist nur per aufgesetzten Ladecover (rund 30 Euro) möglich.

Eigene Akzente durch Software-Extras

Über das Betriebssystem, Windows Phone 8 mit GDR/Amber, muss man nicht viele Worte verlieren. Seit der Vorstellung der ersten Version vor drei Jahren hat sich viel getan - insbesondere, was die Funktionen und das leidige Thema Apps angeht. Inzwischen findet man für jeden Bereich ausreichend viele Anwendungen, allerdings gibt es genauso viele spezielle Apps, etwa Instagram, die für iOS oder Android, nicht aber für Windows Phone angeboten werden. Ein Lob verdient hier auch Microsoft-Partner Nokia, der in den Bereichen Bildbearbeitung, Multimedia und nicht zuletzt Navigation eigene Akzente setzt und Nutzern einen Mehrwert bietet.

Windows Phone 8 und Business-Tauglichkeit? Laut Gartner immerhin akzeptabel!

Auch in punkto Business-Tauglichkeit hat die Plattform deutlich zugelegt. So gibt es in Windows Phone 8 zahlreiche Funktionen, die sich nicht nur privat, sondern auch gut im beruflichen Umfeld nutzen lassen. Unter anderem kann man etwa auf dem Startbildschirm Live-Tiles ("Kacheln") in verschiedener Größe für wichtige Personen oder Gruppen anlegen, es gibt Verschlüsselung, ein vorinstallierte (allerdings nicht ganz vollständige) Office-Suite und sogar Unterstützung für verschiedene Mobile-Device-Management-Systeme (MDM). Selbst eine Containerlösung für ByoD-Szenarien bietet Good Technology inzwischen an und auch Citrix Receiver ist dem Vernehmen nach in Arbeit.

Entsprechend bewertet auch Gartner das System als akzeptabel für den Unternehmenseinsatz, einschließlich ByoD-Szenarien, wenn auch nur bei niedrigen bis mittelhohen Sicherheitsanforderungen. Was für den Business- oder Enterprise-Einsatz etwa noch fehlt, sind etwa ein unterschiedlicher Startscreen für Privat/Beruflich, filigranere Policies, VPN-Unterstützung oder eine Möglichkeit zur Verteilung von Bezahl-Apps (Handy-Rechnung bei Telekom oder o2 möglich, ansonsten Barbeleg). In ByoD-Szenarien wäre eine mögliche Trennung von beruflichen und privaten Daten beim Remote Wipe oder eine Dua-Persona-Lösung wünschenswert.

Fazit: Das aktuell beste Windows Phone

Die Farbvarianten des Lumia 925
Foto: Nokia

Mit dem Lumia 925 hat es Nokia geschafft, das aktuell wohl beste und eleganteste Windows Phone zu produzieren. Optisch und technisch betrachtet, hat das Gerät durchaus das Potenzial, es beim Werben um die Gunst der Anwender auch gegen die Konkurrenz von iPhone und Android aufzunehmen. Wer sich mit der Benutzerführung und dem Design von Windows Phone anfreunden kann, häufig Kamera, Navigation und andere Extras von Nokia nutzt sowie nicht immer die neueste App haben muss, ist mit dem knapp 600 Euro teuren Gerät sicher gut bedient.

Angesichts der nun doch noch nicht so großen Fangemeinde von Windows Phone 8 muss man sich allerdings fragen, ob Nokia mit dem Produkt-Update die richtige Strategie eingeschlagen hat. So dürften sich Besitzer des Lumia 920 nicht besonders über den schnellen Modellwechsel und damit indirekt die weitere Entwertung ihres Geräts freuen. Anders herum betrachtet, können sich Käufer mit dem inzwischen für unter 400 Euro verfügbaren Smartphone auf die Schnelle 200 Euro sparen - sie verzichten dafür lediglich auf etwas mehr Stil und wenige technische Verbesserungen.