Großdemo in Bochum

Nokias Image leidet

21.01.2008
Politiker haben staatliche Subventionen für Unternehmen kritisiert und Änderungen gefordert. Derweil planen Arbeitnehmervertreter für Dienstag eine Großdemo in Bochum.

Während erste Mitarbeiter nach dem angekündigten Aus für das Bochumer Nokia-Werk die Kündigungen erhalten haben, hat EU-Industriekommissar Günter Verheugen nun die staatliche Subventionspolitik insgesamt infrage gestellt. Nokia gebe dafür den Anlass, sagte Verheugen in der "Welt am Sonntag". Es habe "keinen Sinn, dass der Staat Subventionen zahlt, um Unternehmen anzulocken".

"Sollten sich Investitionen nur rechnen, wenn mit Geld der Steuerzahler nachgeholfen wird, dann ist das immer ein Risiko", so der Politiker. Statt Investitionszuschüsse an private Unternehmen zu geben, sollte das Geld in Bildung, Ausbildung und in den Aufbau einer exzellenten Infrastruktur gesteckt werden, sagte Verheugen.

FDP-Bundesparteichef Guido Westerwelle forderte, die bisherige Subventionspolitik zur Ansiedelung von Unternehmen zu beenden. "Was da als Sauerei - mindestens im Umgang der Unternehmensführung mit den Beschäftigten - passiert, ist doch nicht Ergebnis sozialer Marktwirtschaft, sondern zuallererst Ergebnis bürokratischer Staatswirtschaft", sagte Westerwelle am Sonntag in Düsseldorf beim Neujahrsempfang der NRW-FDP. Der Steuerzahler werde letztlich zweimal zur Kasse gebeten: bei der Ansiedlung und bei der Abwicklung. "Es wird immer ein Land geben, das billiger ist", so Westerwelle.

Nokia hatte für das Werk Bochum 88 Millionen Euro an Subventionen von Bund und Land erhalten. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) warf dem Unternehmen nach Bekanntwerden der Schließungspläne Tricksereien im Umgang mit den erhaltenen Subventionen vor. Die Ministerin drohte Nokia an, wenn der Konzern das Handy-Werk in Bochum schließe, müsse er Subventionen von bis zu 41 Millionen Euro zurückzahlen.

Nur wenige Tage nach dem Bekanntwerden der Schließungspläne für das Werk kam es zu ersten Kündigungen unter den rund 1.000 in dem Werk beschäftigten Leiharbeitern. Das bestätigte eine Sprecherin der Zeitarbeitsfirma Randstad in Eschborn bei Frankfurt. Dabei handele es sich bislang jedoch um Einzelfälle von Mitarbeitern, deren Verträge nach Auslaufen der Probezeit nicht verlängert worden seien, hieß es. Auch die Zeitarbeitsfirma Adecco stellte erste Kündigungen für die kommenden Tage in Aussicht. Für die Mehrheit der Beschäftigten werde jedoch nach Alternativen gesucht, hieß es. Bei Nokia sind neben den Leiharbeitern rund 2.300 angestellte Mitarbeiter beschäftigt.

Unterdessen laufen die Vorbereitungen für eine am kommenden Dienstag angekündigte Großdemonstration am Bochumer Nokia-Standort auf Hochtouren. Mit erwarteten mindestens 20.000 Menschen rechnet die IG Metall mit einer der größten Kundgebungen in der Geschichte der Stadt. "Wir haben Anmeldungen aus der ganzen Republik", sagte die Bochumer IG-Metall Bevollmächtigte Ulrike Kleinebrahm. Zu der geplanten Großkundgebung wird neben IG Metall-Chef Berthold Huber nach Informationen der Gewerkschaft auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) erwartet.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) appellierte auch am Wochenende erneut an das Unternehmen, das Werk in Bochum zu erhalten. "Die Mitarbeiter sind bereit, Veränderungen zu tragen und Verzicht zu üben", sagte Rüttgers beim Neujahrsempfang der NRW-CDU in Düsseldorf. Sie hätten angeboten, ein Kosten-Niveau mitzuentwickeln, das mit den Produktionskosten von Nokia in Ungarn vergleichbar sei. "Wenn ein solches Angebot da ist, dann ist es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass eine Unternehmensleitung ein solches Angebot annimmt", sagte Rüttgers unter dem Beifall von über 1.000 Gästen.

Er äußerte scharfe Kritik an der mangelnden Verhandlungsbereitschaft des Unternehmens. Wer Gespräche über die Zukunft des Bochumer Standorts verweigere, "macht mehr, als dass er sich unanständig verhält", sagte Rüttgers. "Das ist jemand, der seinem eigenen Unternehmen einen Imageschaden zufügt, wie es sich die Herren wahrscheinlich vorher gar nicht überlegt haben."

Unterdessen verteidigte der finnische Handy-Weltmarktführer seine Schließungspläne für das Bochumer Werk erneut mit Kostendruck. Nokia-Personalchef Juha Äkräs sagte dem Nachrichtenmagazin "Focus", der Standort Rumänien biete enorme Vorteile. "Dort arbeiten die Menschen für ein Zehntel der deutschen Entgelte", so Äkräs. "Selbst wenn sich die Löhne in den kommenden Jahren verdoppeln oder verdreifachen, lohnt sich das."

Nokias Imagewerte in Deutschland gehen indeutlich zurück. Der Marken-Monitor (BrandIndex) des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens psychonomics zeigt demnach fallende Werte Nokias auf, die unter anderem die Wahrnehmung der Qualität, des Preis-Leistungs-Verhältnisses und der Imagewerte umfassen. Damit fällt die weltweite Nummer eins unter den Handy-Herstellern nach bislang überdurchschnittlich guten Bewertungen in einigen Bereichen hinter seine Mitbewerber zurück.

"Die Werte der Mitbewerber sind konstant geblieben, nur Nokia ist so stark abgefallen", sagt psychonomics-Studienleiterin Bettina Willmann. Bislang führte Nokia die Wertungen in allen Bereichen mit deutlichem Vorsprung an. Insgesamt fiel Nokias BrandIndex-Score, der sich aus dem Durchschnitt der abgefragten Kriterien allgemeiner Eindruck, Qualität, Preis-Leistungs-Verhältnis, Kundenzufriedenheit, Weiterempfehlungsbereitschaft sowie Arbeitgeberimage zusammensetzt, in den vergangenen Tagen von knapp 40 auf 17 Punkte.

Die Diskussion rund um die Schließung des deutschen Werkes und die erhaltenen staatlichen Subventionen wirkten sich aber auch auf die Wahrnehmung der Qualität von Nokia-Produkten aus. So sank der entsprechende Indexwert von 62 auf 45 Punkte ab, bei der Bewertung des Preis-Leistungsverhältnisses sank Nokia von 16 auf sechs Punkte. Das Preis-Leistungsverhältnis bei Sony Ericsson liegt dagegen bei 13 Indexpunkten, gefolgt von Samsung (14 Punkte), Panasonic (zehn Punkte) und Motorola (sechs Punkte), erläutert Willmann.

Bei der positiven Wahrnehmung verschlechterte sich Nokia von plus 23 auf minus 22 Indexpunkte. Zudem verlor Nokia an Attraktivität als potenzieller Arbeitgeber. Hier rutschte das Unternehmen von der Führungsposition (plus 44 Punkte) und belegt mit aktuell minus acht Punkten den letzten Platz hinter seinen Mitbewerbern. Wann Nokias Image-Werte wieder ansteigen, hängt auch davon ab, welche Maßnahmen das Unternehmen nun ergreift, um etwa Sozialpläne auszuhandeln, so Willmann.

"Es gab bereits Beispiele für Unternehmen, bei denen sich die Werte schnell erholt haben und andere, bei denen der Verlust lange anhielt oder die Werte überhaupt nicht mehr auf das ursprüngliche Niveau zurückkehrten", erläutert Willmann. Als Positivbeispiel nennt sie den englischen Schokoladenhersteller Cadbury, dessen Imagewerte im Sommer 2006 unter einem Salmonellen-Skandal gelitten haben.

Das Unternehmen setzte jedoch schnell gezielte Maßnahmen, die unter anderem zur Qualitätssicherung beitrugen, was auch zu einem raschen Anstieg der Indexwerte führte. Bei der Fluglinie Ryanair blieb eine Rückkehr zu den ursprünglichen Imagewerten bislang jedoch aus, nachdem eine große Negativmeldung und nachfolgend mehrere kleine schlechte Nachrichten zu einem Absturz der Werte geführt hatten. "Die Werte von Ryanair haben sich auch nach einem Jahr noch nicht erholt. Das Unternehmen hatte die Meldungen in der Presse damals auf die leichte Schulter genommen und nicht ausreichend kommuniziert, was für die Qualitätssicherung unternommen wird", so Willmann. (Computerwohe/pte/rw)