Für den Fall der Fälle vorsorgen

Notfallplanung für Unternehmen

16.05.2011
Wenn der Chef ausfällt, droht schnell das Aus. Doch das muss nicht sein, sagt Dr. Andreas Rohde.
Wer ein Unternehmertestament verfasst, zeigt Verantwortung für seine Firma.
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Unfall, Krankheit oder Tod: Kann der Chef die Geschäfte plötzlich nicht mehr weiterführen, gerät leicht die Existenz des gesamten Unternehmens in Gefahr. Wie Firmenchefs für Notfälle vorsorgen und die aktuellen gesetzlichen Möglichkeiten vorteilhaft nutzen.

Der Erfolg vieler kleiner und mittelgroßer Unternehmen hängt maßgeblich von der Tatkraft der Firmeninhaber ab. Auf ihnen lastet oft ein enormer physischer und psychischer Druck. Laut arbeitsmedizinischen Untersuchungen ist das Gesundheitsrisiko von Unternehmern deutlich höher als bei der Allgemeinbevölkerung. Viele leiden an Schlafstörungen, Rückenschmerzen, Herzproblemen oder Depressionen. Meldet sich der Chef krank, liegen oft gravierende Beschwerden vor, die eine längere Auszeit erfordern.

Dieser Umstand erweist sich als persönliches und unternehmerisches Risiko. Firmeninhaber tragen häufig ein Großteil ihres Wissens in sich und haben nur wenige Informationen schriftlich dokumentiert. Fällt der Chef für längere Zeit oder auf Dauer aus, stellen sich viele drängende Fragen. Es drohen weitreichende Folgen für das Unternehmen, die Beschäftigen und die Unternehmerfamilie.

Viele mittelständische Unternehmen sind für einen Notfall nicht gerüstet. Firmenchefs sollten sich frühzeitig mit möglichen Schicksalsschlägen auseinandersetzen und eine Notfallplanung entwickeln. Nur so lässt sich der Fortbestand des Unternehmens auch weitgehend unabhängig von ihrer Person sichern. Idealerweise geht die Notfallplanung einher mit einer langfristig orientierten Nachfolgeplanung. Unerlässlich für jeden Unternehmer ist ein Testament, das private und unternehmerische Interessen in Einklang bringt. Die Gestaltung eines Unternehmertestaments ist eine komplexe Aufgabe. Schnell ergeben sich vertragliche Inkonsistenzen etwa mit Gesellschaftsvertrag oder Ehevertrag. Zudem sind vielfältige aktuelle erbschaft- und ertragsteuerliche Regelungen zu berücksichtigen, die enorme finanzielle Folgewirkungen haben. Für Unternehmer bietet sich ein enormes Gestaltungspotenzial, das viele finanzielle Vorteile eröffnet.

Erste-Hilfe-Maßnahmen

Wie lässt sich der Betrieb weiterführen, wenn der Firmeninhaber plötzlich ausfällt? Wer übernimmt welche Aufgaben? Welche Informationen sind wo zugänglich? Zur Notfallplanung gehören eine Vielzahl von Vorkehrungen. Hierzu sollten etwa eine Kontovollmacht für den Ehepartner oder einen Vertrauten zählen. Für schwere Krankheiten oder Tod ist eine Vorsorgevollmacht für alle unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfte ratsam. Wichtige Informationen zu Betriebsorganisation, Finanzen und Verträgen sollten in einer Notfallakte bereitgehalten werden. So hat ein Stellvertreter wichtige Unterlagen schneller zur Hand und kann das Tagesgeschäft leichter weiterführen. Welche Unterlagen in eine Notfallakte gehören, zeigt die Checkliste "Ist für den Notfall vorgesorgt?" (siehe Infokasten).

Eine stimmige Notfallplanung entsteht nicht über Nacht. Sie nimmt schnell zwei Monate in Anspruch, da Unterlagen zusammengestellt, ergänzt und mit Fachberatern abgestimmt werden müssen. Unternehmer sollten die Vorkehrungen für den Notfall frühzeitig treffen und mit allen Beteiligten durchspielen. So lassen sich Defizite erkennen und Vorkehrungen weiter optimieren.

Systematische Nachfolgeplanung

Mit zunehmendem Alter gewinnt eine systematische Nachfolgeplanung an Bedeutung. Viele Firmeninhaber schieben dieses Thema auf die lange Bank. Laut DIHK-Report können 41 Prozent der Firmeninhaber emotional nicht loslassen, 46 Prozent starten die Unternehmensnachfolge nicht rechtzeitig.

Dabei nimmt der Nachfolgeprozess leicht mehrere Jahre in Anspruch und sollte frühzeitig eingeleitet werden. Neben betriebsorganisatorischen Fragen sind erhebliche Auswirkungen auf Steuerlast, Unternehmenswert, Altersversorgung und Haftung zu bedenken. Eine schlecht vorbereitete Nachfolgeplanung kann Streit und Liquiditätsprobleme verursachen. Nicht selten ist der Fortbestand des Unternehmens bedroht.

Die Erbschaftsteuerreform eröffnet prinzipiell einen erweiterten Gestaltungsspielraum für die Übertragung von betrieblichem Vermögen. Das produktive Betriebsvermögen kann grundsätzlich zu 85 Prozent, unter Umständen sogar komplett, steuerfrei übertragen werden. Dafür gelten enge Bedingungen: Der Betrieb muss fünf bzw. sieben Jahre weitestgehend unverändert fortgeführt werden, die Lohnsumme darf im gleichen Zeitraum nicht sinken.

Kleine Unternehmen begünstigt der Staat zusätzlich. Er gewährt zudem hohe Freibeträge für Übertragungen an nächste Familienangehörige. Aufgrund der weitreichenden Bedingungen und der zum Teil noch unsicheren Rechtsanwendung empfiehlt sich in jedem Fall eine Einzelfallprüfung.

Auswahl und Einarbeitung eines qualifizierten Nachfolgers stellen eine große Herausforderung dar. Firmeninhaber sollten eigene Kinder bei Interesse frühzeitig in die unternehmerische Verantwortung einbinden. So lässt sich am besten feststellen, ob eine familieninterne Nachfolgeregelung für das Unternehmen, den Senior-Chef und den Nachwuchs sinnvoll ist. Im Zweifelfall bleibt noch ausreichend Zeit, einen geeigneten externen Nachfolger zu suchen. Es empfiehlt sich, eine vorweggenommene Erbfolge zu realisieren, bevor es zu einer Anordnung der Unternehmensnachfolge durch das Testament kommt. Ein fließender Generationswechsel ist für das Unternehmen häufig ein Glücksfall. So können Firmen gegenüber Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern Kontinuität wahren. Der scheidende Firmenchef kann eine Beraterfunktion übernehmen und seine Erfahrung weiterhin einfließen lassen.

Herausforderung Unternehmertestament

Die unternehmerische Verantwortung eines Firmeninhabers geht über den eigenen Tod hinaus: Ein Testament ist für jeden Unternehmer Pflicht. Zentrale Bedeutung gewinnt ein Testament, wenn eine Unternehmensnachfolge zu Lebzeiten (noch) nicht umgesetzt wurde. Es ist regelmäßig zu empfehlen, nur eine Person als Nachfolger einzusetzen. Fehlt ein geeigneter Kandidat, muss das Testament klar und eindeutig regeln, wie das Erbe aufzuteilen ist. Es sollte ein Testamentsvollstrecker bestimmt werden, der die Verteilung überwacht.

Unternehmertestamente sind streitanfällig und beschäftigen oft noch weit nach dem Tod des Firmenchefs die Gerichte. Aufgrund der großen Tragweite sollten Firmeninhaber ihren letzten Willen nicht ohne eingehende fachliche Beratung verfassen. Regelungen in einem Unternehmertestament sollten regelmäßig mit der aktuellen Rechtsprechung abgeglichen und gegebenenfalls angepasst werden.

Neben dem Testament sind der Gesellschaftsvertrag und der Ehevertrag wichtige Bausteine der Nachfolgeplanung. Leicht geraten vertragliche Regelungen in Konflikt. Unternehmer sollten Testament und Verträge aufeinander abstimmen und regelmäßig auf mögliche Inkonsistenzen hin prüfen. Testamentarische Verfügungen können ins Leere laufen, wenn sie nicht im Einklang mit dem Gesellschaftsvertrag stehen. Die Unternehmensnachfolge muss mit den Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag konform sein. Regelungen können sich wechselseitig aushebeln. Nicht selten sind eine Prüfung des Gesellschaftsvertrags und eine Anpassung insbesondere der Nachfolgeklausel erforderlich.

Unternehmer sollten ihren Güterstand im Zuge der Nachfolgeplanung hinterfragen. Ob bei Scheidung oder im Todesfall: Zugewinnausgleichsansprüche der Ehepartner können ein erhebliches Risiko für das Unternehmen darstellen. Die Berechnung erfolgt auf Grundlage des Verkehrswerts und nicht nach dem meist niedrigeren Steuer- oder Bilanzwert. Schnell gerät das Unternehmen in Liquiditätsprobleme, um die Ausgleichsansprüche zu erfüllen. Unternehmer sollten jedenfalls für den Fall der Scheidung per Ehevertrag den Zugewinnausgleich auf das Privatvermögen beschränken. Vollzieht sich die Firmenübergabe ohne wirtschaftliche Einschnitte, kommt dies oft auch der Unternehmerfamilie zugute. Viele Firmeninhaber stellen mit einer Nießbrauchsgestaltung oder dauernden Last sicher, dass das Unternehmen die Familie auch weiterhin gut versorgt.

Alles in allem stellt die Nachfolgeplanung eine komplexe Herausforderung für Unternehmer dar. Schon vergleichsweise kleine Unachtsamkeiten können weitreichende Folgewirkungen haben. Wie Erblasser das Unternehmen vor bösen Überraschungen schützen, zeigt der Infokasten "Keinen Konfliktstoff hinterlassen".

Checkliste: Ist für den Notfall vorgesorgt?

Chefs sollten wichtige Informationen und Unterlagen in einer Notfallakte bereithalten. So können sich Stellvertreter im Ernstfall besser orientieren und den Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten. Die Akte sollte Folgendes beinhalten:

Organisation und Kompetenzen:

- Vertretungsplan mit detaillierten Zuständigkeiten

- Merkblätter/Checklisten für wichtige Abläufe

- Schlüsselverzeichnis

- Login-Daten für Computer und Server

- Kontaktdaten von Beratern (Steuerberater, Rechtsanwalt etc.)

- Lieferanten- und Kundenlisten

Finanzen:

- Liste aller Konten einschließlich Vollmachten

- Passwörter und PINs für das Online-Banking

- Aufstellung der Kapital- und Vermögensanlagen

- Auflistung der Beteiligungen

- Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre, aktuelle BWAs

- Registerauszüge

- Rabattlisten, Kalkulationsmuster

Verträge & Co.:

- Testament, Ehevertrag und wichtige Familienurkunden in Kopie

- Kopien wichtiger Firmenverträge und Vereinbarungen

- Überblick über Handlungsvollmachten und Unterschriftsberechtigungen

- Bescheinigungen über Patente und Schutzrechte

- Liste aller Versicherungen mit Kopien der Policen

Unternehmertestament: Keinen Konfliktstoff hinterlassen

Firmeninhaber sollten testamentarische Verfügungen besonders sorgfältig treffen. Es gilt unternehmerische und private Interessen aufeinander abzustimmen. Häufige Fehler und wie sie sich vermeiden lassen:

Erbengemeinschaft:

Ohne Nachfolgeregelung ist der Fortbestand eines Unternehmens massiv gefährdet. Gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch bilden die Erben eine Erbengemeinschaft, die einstimmig entscheiden muss. Schon wenn ein Erbe seinen Erbteil ausgezahlt haben will, droht eine Zerschlagung der Firma. Deshalb: Eindeutige Vereinbarungen treffen und frühzeitig eine vorweggenommene Erbfolge prüfen.

Gesellschaftsvertrag:

Oft bleibt beim Verfassen eines Unternehmertestaments der Gesellschaftsvertrag außer Acht. Die Regelungen sind in der Praxis nicht immer abgestimmt. Nachfolgeklauseln im Gesellschaftsvertrag können Vorrang vor testamentarischen Verfügungen haben. Gegebenenfalls muss der Gesellschaftsvertrag abgeändert werden.

Pflichtteilsansprüche:

Wird die Nachfolge in die Hände eines Erben gelegt, sehen sich Miterben leicht im Nachteil. Wird weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils vererbt, können Miterben gegenüber dem Nachfolger Pflichtteilsansprüche anmelden. Schnell ist das Unternehmen finanziell überfordert. Abhilfe schafft der Abschluss eines Erbvertrags mit Pflichtteilsverzicht.

Zugewinnausgleichsansprüche:

Besteht kein Ehevertrag, erhöht sich im Rahmen des Zugewinnausgleichs der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft. Kann dieser nicht aus dem Privatvermögen beglichen werden, wird das Betriebsvermögen angegriffen. Unternehmer sollten prüfen, ob durch Ehevertrag das Unternehmen aus der Zugewinngemeinschaft ausgeklammert werden soll. Die Versorgung des Ehegatten kann durch Rente, dauernde Last oder Nießbrauch gewährleistet werden.

Steuerfallen:

Schnell werden steuerliche Konsequenzen unterschätzt. Neben der Erbschaftsteuer kann auch Einkommensteuer fällig werden, etwa durch die Aufdeckung stiller Reserven. Das ist immer dann der Fall, wenn im Zuge des Erbfalls betriebliches Vermögen in Privatvermögen übergeht und umgekehrt. Erblasser sollten ihr Testament nicht ohne fachliche Beratung erstellen, um die Steuerlast für den Nachfolger in Grenzen zu halten. (oe)

Der Autor Dr. Andreas Rohde ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner bei der DHPG Dr. Harzem & Partner KG in Bonn.

Kontakt:

www.dhpg.de