Cloud-Sterbing

Online-Bestattungen boomen

28.01.2011 von Armin Weiler
Nach Hochzeiten auf Facebook und Twitter folgt in den USA bereits das nächste skurrile Internet-Phänomen: Online-Begräbnisse.

Nach Hochzeiten auf Facebook und Twitter folgt in den USA bereits das nächste skurrile Internet-Phänomen: Online-Begräbnisse. Die einst in vorrangig privatem, familiärem Umfeld abgehaltenen Bestattungszeremonien entwickeln sich dort zunehmend zu einem Ereignis, das von einem breiteren Personenkreis per Webstream am Computerbildschirm verfolgt wird. Entsprechende Internetservices, die Hinterbliebene mit umfassenden Möglichkeiten für die persönliche Begräbnis-Konfiguration locken, werden von US-amerikanischen Bestattungsunternehmen mittlerweile zuhauf angeboten und auch ausgiebig genutzt.

"Wir leben heutzutage in einer YouTube-Gesellschaft", erklärt H. Joseph Joachim IV., Gründer des Online-Begräbnis-Anbieters FuneralOne gegenüber der New York Times. Die Menschen würden heute mehr und mehr Zeit im Internet verbringen. "Der Boom bei Online-Bestattungen spiegelt diese Entwicklung wider", so Joachim. Von 2008 bis 2010 sei die Zahl der Bestattungsinstitute in den USA, die Web-Übertragungen von Begräbniszeremonien anbieten, von 126 auf 1.053 nach oben geklettert.

"Ich habe zwar schon von solchen Online-Angeboten aus europäischen Nachbarländern gehört, aber in Deutschland ist mir kein Anbieter bekannt", so Kerstin Gernig, Pressesprecherin beim Bundesverband Deutscher Bestatter (BDB). Dass in den USA immer mehr Menschen Verstorbene via Webstream auf ihrem letzten Weg begleiten, heiße noch lange nicht, dass das auch hierzulande gewünscht wird.

"Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die lassen sich nicht virtualisieren", ist Gernig überzeugt. Hierzu sei auch eine Bestattung zu zählen, die den letzten rituellen Akt und - neben Taufe und Hochzeit - einen der wichtigsten Momente im Leben eines Menschen darstelle. "Trauerfeiern dienen dazu, Verstorbene im Kreis der Familie und Freunde zu verabschieden, beizusetzen und einander Trost zu spenden. Das kann ein Video, das per Webstream übertragen wird, nicht leisten", betont Gernig.

"Grundsätzlich handelt es sich bei einer Bestattung um ein Ritual. Dieses soll helfen, den Abschied von einem geliebten Menschen zu erleichtern", stellt Jörg Bauer, Sprecher des sozialen Netzwerkes ASPETOS klar. Rituale hätten, wenn sie sich nach den Bedürfnissen der Menschen richten, in allen Kulturen dieselben Funktionen: Sie helfen dabei, starke Emotionen zu kanalisieren und auszudrücken, sie überbrücken Sprachlosigkeit und sie reduzieren Angst.

"Wo diese stattfinden spielt eigentlich keine Rolle. Deshalb ist gegen diverse Rituale im Internet nichts einzuwenden", meint Bauer. Auf ASPETOS würden ebenfalls diverse Rituale gelebt: "500.000 Besuche pro Monat untermauern den Bedarf. Allerdings ist ASPETOS sehr sozial angelegt und hat mit reiner Geschäftemacherei nichts zu tun."

Wie Händler von dem Trend zur Online-Bestattung profitieren können hat unser Kolumnist Dr. T. übrigens schon 2006 in diesem Beitrag beleuchtet. (pte/haf)