Optimismus contra Realität: Xerox gibt sich siegessicher

14.12.2000
Xerox in der Krise: Der Aktienkurs ist im Keller, in Deutschland werden jetzt ebenfalls Mitarbeiter entlassen. Doch das Unternehmen zeigt weiterhin einen Optimismus, der an Größenwahn grenzt.

Tiefer kann man kaum noch fallen: Letzte Woche wurde eine Xerox-Aktie für weniger als fünf Dollar gehandelt, das war der tiefste Stand seit 18 Jahren. Innerhalb von einem Tag hatte das Papier mehr als 20 Prozent an Wert verloren, seit Jahresbeginn fiel der Wert gar um 80 Prozent. "Der Kopiererhersteller hat sein Kreditlimit fast erreicht", unken Börsenspezialisten.

Das sieht man in der deutschen Zentrale anders, hier werden nach amerikanischem Stil sogar Hiobsbotschaften zum Siegeszug erklärt. Die Meldung, dass man in Deutschland nun insgesamt 665 Mitarbeiter entlassen wird, bezeichnet der Hersteller als wegweisende "Turnaround-Strategie". Ziel der Entlassungen sei es, die wirtschaftliche Basis zu stabilisieren, um - man höre und staune - darauf aufbauend "mit dem umfangreichen Angebot an Hard- und Software sowie Dienstleistungen die Nummer eins im Dokumentenmarkt zu werden." Davon ist man freilich weit entfernt.

Seit nunmehr zwei Jahren versucht der Hersteller durch eine andauernde radikale Umorganisation seine Geschäfte auf den richtigen Kurs zu bringen, bisher allerdings ohne großen Erfolg. Als erstes Anzeichen einer ernsthaften Finanzkrise wurde der unfreiwillige Abgang von Rick Thoman, damaliger CEO und Präsident von Xerox, im April gewertet. Er hatte die längst überfällige Reorganisation als ers-ter in Angriff genommen.

Thoman war es auch, der die "Soho Printing Alliance" von Xerox, Sharp und Fuji Xerox vorgestellt hat und in bekannter Xerox-Manier tönte: "Zusammen haben wir die Schlagkraft eines Multimilliarden-Unternehmens" und "gemeinsam können wir erreichen, was keiner von uns allein hätte schaffen können". Gewürzt wieder mal mit einem hochgesteckten Ziel: In den kommenden drei bis vier Jahren wolle man einen Marktanteil von zehn Prozent erreichen. Tatsache ist jedoch, dass man es bisher selbst in Deutschland nicht geschafft hat, über die Zwei-Prozent-Hürde zu kommen. Stattdessen verbuchte das Mutterschiff im ers-ten Quartal ein Minus von 243 Millionen Dollar, im April wurde die geplante Entlassung von 5.200 Mitarbeitern bekannt.

Kurz zuvor klopfte sich auch Michael Whittington, damals Mitglied der Geschäftsleitung und Direktor und General Manager der Channels-Group in Deutschand, allen Krisenmeldungen zum Trotz selbst auf die Schulter. Den Optimismus umwehte ein Hauch von Größenwahn: "Natürlich wollen wir Hewlett-Packard angreifen. Wenn man einen so dominanten Spieler gegen sich hat, soll man sich dann lieber an der Nummer drei oder vier oder doch eher am Marktführer messen?" Realistisch gesehen, wäre es wohl sinnvoller gewesen, einen Sprung in die Top Five vorsichtig anzuvisieren. "Wir möchten uns in den nächsten zwei bis drei Jahren sauber hocharbeiten und eine starke zweite Position hinter HP haben", sprach Whittington und kehrte nach gut viereinhalb Jahren der Channels Group in Neuss den Rücken. Der Wettbewerb nimmt die regelmäßigen Kampfansagen schon lange nicht mehr ernst. Bei Hewlett-Packard entlockt man den Managern mit Xerox-Statements meist nur noch ein mitleidiges Grinsen oder gar Spott. So ließ Rainer Geissel, Vorsitzender der HP-Geschäftsführung, durchblicken, dass ihm der angekündigte Xerox-Sturm auf das Tintenstrahlersegment nicht gerade Albträume beschert: "Ich sehe mich sicher gefordert, wachsam zu bleiben, aber ich hätte viel mehr schlaflose Nächte, wenn ich Geschäftsführer einiger anderer Wettbewerber wäre." (mf)

www.xerox.de