Cloud-Manager Borgmann im CW-Interview

Oracle propagiert die "Cloud at Customer"

29.04.2016 von Wolfgang Herrmann
Im COMPUTERWOCHE-Interview erklärt Mark Borgmann, Cloud Sales Leader Germany, wie sich Oracle im Public-Cloud-Markt von den mächtigen Konkurrenten unterscheiden möchte.

CW: Oracle ist spät in den Markt für Public-Cloud-Services eingestiegen. Mit welcher Strategie wollen Sie gegen Schwergewichte wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft oder IBM bestehen?

BORGMANN: Ein wichtiger Teil unserer Strategie ist, dass wir nicht nur in einem einzigen Cloud-Layer unterwegs sind, sondern in allen dreien, sprich IaaS, PaaS und SaaS. Hier unterscheiden wir uns von allen anderen Anbietern. Zugegeben: Im Bereich Infrastruktur sind wir eher Follower, inzwischen aber haben wir ein Angebot, das von Kunden sehr positiv aufgenommen wird (siehe auch: Die Oracle-Cloud hat noch viel Luft nach oben).

"Wir begleiten die Dekade der Transformation, indem wir on premise wie in der Cloud die gleichen Produkte und Standards verwenden", sagt Mark Borgmann von Oracle Deutschland.
Foto: Oracle

CW: Gilt das auch für den deutschen Markt?

BORGMANN: Ja, das gilt insbesondere auch für den Markt in Deutschland.

CW: Was kann Oracle einem klassischen IaaS-Kunden bieten, das er nicht auch von AWS oder IBM Softlayer bekommen kann?

BORGMANN: In unserem IaaS-Portfolio gibt es ja mehrere Modelle, beispielsweise "Elastic Compute" in einer Shared-Umgebung, "Dedicated Compute" bei uns in der Public Cloud oder auch Bare Metal-Ressourcen. Sehr positiv aufgenommen wird derzeit die Option "Cloud at Customer".

CW: Verbirgt sich dahinter ein Private-Cloud-Angebot?

BORGMANN: Unter einer Private Cloud verstehen wir ja historisch, dass ein Kunde irgendwann anfängt, seine Silos zu konsolidieren und zu standardisieren. Für solche Szenarien positionieren wir unseren Exa-Stack mit den Oracle Engineered Systems als Konsolidierungsplattform. Hinter dem Modell "Cloud at Customer" steht jedoch ein anderes Konzept: Oracle betreibt das System; dieses befindet sich jedoch hinter der Firewall des Kunden. Der profitiert sofort von den Effizienzpotenzialen unserer Public Cloud, muss sich aber keine Gedanken über Latenz und Security machen. Die Daten verbleiben im Rechenzentrum des Kunden; auch Oracle hat keinen Zugriff darauf.

CW: Das heißt, der Kunde betreibt ein physisches Oracle-System im eigenen Data Center?

BORGMANN: Ja. Das Besondere an dem System ist aber, dass darauf exakt die gleiche Softwareumgebung läuft wie in unserer Public Cloud. Das betrifft beispielsweise auch die Provisionierungs-Software und alle Services aus unserem Public-Cloud-Portfolio. Das System ist offen: Sie können darauf nicht nur Oracle-Workloads betreiben, sondern es auch als Infrastruktur-Maschine für ganz unterschiedliche Zwecke einsetzen (siehe auch: Oracle startet Cloud-Offensive gegen Microsoft und VMware).

Cloud-Giganten: Oracle Cloud Platform
Oracle Cloud-Service Portfolio
Oracle versucht sowohl in der Höhe als auch in der Breite seinen Kunden eine Service-Auswahl zu bieten.
Oracle Enterprise Cloud Manager
Der Oracle Enterprise Manager Cloud Control liefert Administratoren einen Überblick über ihre Infrastrukturlandschaft.
Oracle IaaS
Oracles IaaS-Angebot setzt konsequent auf Compute, Storage, Network und Security.
Oracle Deployment
Oracle möchte seinen Kunden die Wahl über das für sie passende Cloud-Modell bieten.
Oracle Integrated Cloud
Mit der Integrated Cloud versucht Oracle, sein Cloud-Service-Portfolio zu integrieren.
Oracle PaaS
Oracle interpretiert seinen PaaS anders als der Mitbewerb und bietet über eine Programmierumgebung weitere Lösungen, etwa für die Zusammenarbeit.

CW: Oracle hat sich vor geraumer Zeit das ehrgeizige Ziel gesteckt, all seine Softwareprodukte auch als Cloud-Services verfügbar zu machen. Wie weit sind Sie damit?

BORGMANN: Larry Ellison hat es auf der Oracle OpenWorld 2015 bereits kommuniziert: Wir haben dieses Ziel fast erreicht.

CW: Gibt es überhaupt Kunden, die ihre Oracle-Datenbank mit womöglich geschäftskritischen, sensiblen Daten in die Cloud verlagern wollen?

BORGMANN: Die gibt es. Wir reden ja sehr viel mit Geschäftsführern darüber, wie sie Cloud-Konzepte in ihrer Strategie verankern. Und da gehören solche Szenarien durchaus zu den Top-Prioritäten. Etwa 75 Prozent unserer Kunden wollen sich strategisch in die Cloud bewegen. Dass sie auf diesem Weg mit dem Kernsystem anfangen, also die Datenbank produktiv in der Cloud betreiben, halte ich für eher unwahrscheinlich. Aber deswegen lautet eine unserer zentralen Aussagen ja auch: Wir begleiten die Dekade der Transformation, indem wir on premise wie in der Cloud die gleichen Produkte und Standards verwenden.

CW: Dieser Transformationsprozess läuft ja auf einen hybriden Ansatz hinaus, wie ihn auch IBM, VMware oder Microsoft propagieren. Dazu gehört das Versprechen, dass Unternehmen ihre Anwendungen quasi nahtlos zwischen On-Premise- und Cloud-Plattformen hin- und herschieben können. Wie weit ist diese Vision von der Realität entfernt und gibt es überhaupt Kunden, die so etwas nutzen?

BORGMANN: Das funktioniert und ist durchaus eine attraktive Option für viele Unternehmen. In der Praxis wird es etwa dann interessant, wenn Kunden Anwendungen in der Cloud entwickeln und testen, diese anschließend in die On-premise-Welt portieren und dabei beide Umgebungen über eine einzige Konsole verwalten. Solche Beispiele gibt es bereits. Der Oracle Enterprise Manager etwa ist bezüglich der User Experience so angepasst, dass sich beispielsweise eine Datenbankinstanz in der Cloud kaum von einer On-Premise-Installation unterscheidet. Diese Instanz lässt sich per Drag and Drop auch entsprechend verschieben.

CW: Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind noch immer zurückhaltend, wenn es um das Thema Cloud geht. Hier spielen unter anderem Compliance- und Security-Bedenken eine große Rolle. Wie sieht Oracles Strategie für dieses Kundensegment aus?

BORGMANN: Die KMUs sind wichtig für Oracle. Deshalb haben wir auch angekündigt, im Raum EMEA rund 1400 Cloud-Sales-Mitarbeiter einzustellen, die sich speziell um die Anforderungen kleiner und mittelständischer Unternehmen kümmern. Daneben arbeiten wir natürlich auch mit Partnern wie zum Beispiel Systemintegratoren zusammen. (wh)

Die Geschichte von Oracle
Eine Zeitreise durch die Oracle-Geschichte
Oracle ist das Werk von Ellison, und es passt zu dem ehrgeizigen und charismatischen Gründer, dass er sein Hobby, das Segeln, professionalisiert. Mit Erfolg: Das Team gewann 2013 den America´s Cup.
Oktober 2015: Erster Oracle-Sparc kommt heraus
Auf der Kundenkonferenz OpenWorld stellt Larry Ellison mit dem M7 die erste Sparc-CPU vor, die komplett unter der Ägide Oracles geplant und gebaut wurde. Mit speziell für den Prozessor entwickelten und tief in der Hardware verankerten Security-Funktionen will der Hersteller die Sicherheit von Anwendungen und Daten verbessern - vor allem in Cloud-Umgebungen.
Februar 2015: Neuer Deutschlandchef
Frank Obermeier wird neuer Country Leader von Oracle in Deutschland. Obermeier kommt von Hewlett-Packard und löst Jürgen Kunz ab, der künftig als Senior Vice President Northern Europe die Geschäfte von Oracle in Nordeuropa verantwortet.
September 2014: Ellisons Paukenschlag
Nach 37 Jahren an der Spitze von Oracle gab Larry Ellison überraschend seinen Rücktritt als Konzernchef bekannt. Gründe nannte der 70-jährige nicht, Ellison will aber weiterhin als CTO für das Unternehmen wirken. Die bisherigen Stellvertreter Mark Hurd und Safra Catz sollen als Doppelspitze das Ruder übernehmen. Zugleich kündigte Oracle Aktienrückkäufe über 13 Milliarden Dollar an.
2011: Investition ins Cloud Computing
Hat Larry Ellison seine Spürnase für Erfolgstechnologien verloren? Ende 2011 hatte Oracle zwar den Cloud-CRM-Anbieter RightNow Technologies für 1,5 Milliarden Dollar gekauft, doch im Vergleich zu agileren Wettbewerbern wie Salesforce hängt das Unternehmen aus Redwood Shores hinterher. <br/><br/>Die „Computerwoche“ schreibt: „Nachdem Gründer und CEO Lawrence "Larry" Ellison noch vor wenigen Jahren über die IT-Wolke gelästert hatte und das Ganze als schnell vorübergehenden Hype abgetan hatte, muss er heute sehen, dass er nicht den Anschluss verliert“. Konkurrent SAP hatte sich 2011 für 3,4 Milliarden Dollar den Cloud-HR-Anbieter Successfactors einverleibt. Oracle legte mit der Übernahme von Successfactors-Wettbewerber Taleo an für 1,9 Milliarden Dollar nach.
2010: Mark Hurd wechselt von HP zu Oracle
Nur einen Monat nach seinem unrühmlichen Ausscheiden als CEO bei Hewlett-Packard (HP) kommt Mark Hurd zu Oracle. Ellison hatte zuvor Hurds Rauswurf heftig kritisiert "Das war die dümmste Personalentscheidung, seitdem die Idioten im Apple- Verwaltungsrat vor vielen Jahren Steve Jobs gefeuert haben." <br/><br/>In der Folge gab es einen erbitterten Streit zwischen den beiden Unternehmen, wobei es nur vordergründig um den Wechsel von Hurd ging: Oracle hatte die Unterstützung von Intels Itanium-Chips durch die eigene Software beendet und damit den Verkauf von HP-Server mit diesen Chips geschadet.
2009: Oracle kauft Sun Microsystems
Sun heißt jetzt Oracle. Der Datenbankspezialist hatte den Hardwarehersteller für 7,4 Milliarden Dollar eingekauft. Dabei ging es Ellison jedoch weniger um die etwas aus der Mode gekommene Hardware, sondern um die Software: Java und MySQL gehören jetzt Oracle.
2008: Übernahme von Bea Systems
Das Siebel On Demand CRM Release 15 kommt auf den Markt und Oracle kauft weiter ein, größter Brocken ist BEA Systems, ein Anbieter für Sercive-oriented Architecture, für 8,5 Milliarden Dollar. (Im Bild: Bea-CEO Alfred Chuang)
2007: Konsolidierung im BI-Markt
Der Markt für Business Intelligence ist auf Konsolidierungskurs, die großen Player werden geschluckt. Oracle macht im März den Anfang und kauft Hyperion für 3,3 Milliarden Dollar. Im Oktober schlägt SAP bei BusinessObjects zu und IBM im November bei Cognos. Der Kampf mit Rivale SAP spitzt sich zu: Oracle reicht in den USA eine Klage gegen wegen Urheberrechtsverletzung ein. Der Vorwurf: SAP habe Diebstahl geistigen Eigentums in großem Stil begangen und unerlaubt von einer Kundenbetreuungs-Web-Site „Tausende Softwareprodukte“ sowie anderes vertrauliches Material heruntergeladen. Erst in 2010 ist klar: SAP muss Oracle 1,3 Milliarden Dollar Schadensersatz zahlen.
2005: Siebel, die nächste Großakquisition
Kundenbeziehungs-Management wird immer wichtiger und Oracle schnappt sich den CRM-Marktführer Siebel Systems. Für rund 5,85 Milliarden Dollar wechseln Anfang 2006 die 5.500 Siebel-Mitarbeiter zu Oracle.
2004: Übernahme von Peoplesoft
Oracle übernimmt nach 18-monatigem erbitterten Widerstand Peoplesoft für 10,3 Milliarden Dollar und wird damit zum zweitgrößten Business-Software-Anbieter nach SAP. Erst 2003 hatte Peoplesoft den ERP-Hersteller J.D. Edwards für 1,7 Milliarden Dollar übernommen.
2000: Oracle entdeckt Linux
Die Open-Source-Bewegung nimmt Fahrt auf: “Im Jahr 2000 haben wir ein Linux-Engineering-Team gebildet. Dessen Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass Linux ein Betriebssystem wird, das sich für unsere Kunden im Rechenzentrum eignet”, erinnert sich Ed Screven, Chief Corporate Architect bei Oracle.
1998: Oracle Applications 11i
1998: Schon ein Jahr später geht der Hersteller in puncto Internet aufs Ganze: Oracle Applications 11i soll den Wandel von Client-Server- hin zu Internet-Computing einleiten, kurz darauf bekommt auch die Datenbank ein “i” für „Internet“ angehängt. “Wenn sich herausstellt, dass die Zukunft des Computings nicht im Internet liegt, sind wir erledigt. Aber wenn es die Zukunft ist, liegen wir goldrichtig“, sagte Ellison über die forsche Internet-Strategie von Oracle.
1997: Java kommt
1997 stellt Larry Ellison die neue Version Oracle8 der Datenbank vor, die mit dem Network-Computer (NC) arbeitet und die Daten an Thin-Clients liefert. Mit dem Application Server 4.0 stellt Oracle eine Lösung vor, die das Management von Business-Software zentralisiert und damit effizienter machen soll. Vor allem aber schlägt die Stunde der Programmiersprache Java. Der Hersteller kündigt mit Oracle Applications Release 10.7 NCA die weltweit erste Enterprise-Applications-Suite an, die auf offenen Standards basiert.
1995: Business Intelligence
1995 investiert der Datenbankriese in Business Intelligence und kauft die OLAP-Produktlinie (Express Server) von Information Resources Inc. für 100 Millionen Dollar. Außerdem beginnt das kalifornische Unternehmen nicht nur, seine Produkte über das Internet zu verteilen, sondern verkündet als einer der ersten Anbieter eine Internet-Strategie. Mit parallel queries lassen sich jetzt deutlich komplexere Datenbankabfragen gestalten.
1990: CFO Henley kommt an Bord
Nachdem sich bisher der Umsatz jedes Jahr verdoppelt hatte, geriet das Unternehmen 1990 das erste Mal in schwereres Fahrwasser. Oracle baute sein Management-Team um und ernannte Jeff Henley zum CFO. Henley brachte das Unternehmen wieder auf Spur und blieb bis 2004 CFO, danach wurde er Vorstandsvorsitzender. 1991 stellt Oracle eine Datenbank vor, die auf MPP (massively parallel processing) basiert und mit der sich deutlich schneller und billiger in Datenbeständen suchen lässt als mit dem Mainframe. 1993 kam Oracles Cooperative Development Environment (CDE) auf den Markt.
1989: Oracle zieht um
Neuer Firmensitz wird Redwood Shores. Ab jetzt unterstützt die Datenbank auch OLTP, Online Transaction Processing. Anders als zuvor bei der Batch-Verarbeitung ist die Echtzeit-Transaktionsverarbeitung Grundlage der modernen Geschäftsanwendungen, bei denen die Verarbeitung von Transaktionen direkt erfolgt. Zu sehen sind Bilder aus der Bauphase des Headquarters.
1987: Entwicklung von Applikationen
1987 beginnt Oracle, eigene Enterprise-Applikationen zu entwickeln, die auf der Datenbank basieren. In der Folge setzt der Datenbankhersteller jedoch auf Übernahmen im Bereich der Business-Software und konzentriert sich auf deren Adaption für die eigenen DBMS-Produkte. (Im Bild "Oracle Financials").
1986: Der Börsengang
Am 15. März 1986 ging Oracle an die Börse. 450 Leute arbeiten für den Datenbank-Hersteller. Auf dem Bild feiern unter anderem Ellison (Mitte) und Charles Phillips (damaliger Co-President, rechts) das 20-jährige Listing von Oracle an der Nasdaq.
1983: Die erste Datenbank
1982 benannte sich RSI nach seinem Produkt: Oracle. Ein Jahr später kam das neu in C programmierte Oracle V3 für Mainframes, Minicomputer und PCs auf den Markt. „Damals kamen die Datenbanken vom Hardware-Anbieter. Oracle bot als eines der ersten Unternehmen ein Datenbankmanagementsystem an, das auf unterschiedlichen Hardware-Plattformen und Betriebssystemen laufen konnte“, sagt Ken Jacobs, Vice President Product Strategy bei Oracle über die Anfänge. Als erstes DBMS unterstützt die Version 5.1 von 1986 verteilte Abfragen und läuft in Client-Server-Umgebungen.
1977: Das erste Büro
Das allererste Büro hatte viel Ähnlichkeit mit Bill Gates Garage. 1979 benannte sich das Unternehmen kurz in Relational Software Inc. (RSI) um, Firmensitz wurde Menlo Park, Kalifornien. Zu den ersten Projekten gehörte eine Oracle-Datenbank für die Wright-Patterson Air Force Base. “Wenn du innovativ bist, musst du darauf vorbereitet sein, dass alle dir sagen, du spinnst”, sollte Larry Ellison später sagen.
1977: Die Gründung
Im August 1977 gründen Larry Ellison, Bob Miner und Ed Oates Software Development Laboratories (SDL). Ellison hatte sich zuvor durch eine theoretische Arbeit von Edgar F. Codd über relationale Datenbanken daran gemacht, ein zu IBMs System R Database kompatibles System zu schaffen. SDL schuf die allererste Version des Datenbanksystems Oracle. Auftraggeber: der Geheimdienst CIA. 1978 feiern die Gründer ihren ersten Firmengeburtstag. Von links nach rechts: Ed Oates, Bruce Scott, Bob Miner und Larry Ellison.