Oracles ERP-Mittelstandsgeschäft am Start

05.02.2004
Erst einen Referenzkunden für sein ERP-Mittelstandspaket "Special Edition" kann Oracle in Deutschland aufweisen. Jetzt will der Softwarehersteller auch im Heimatmarkt von SAP mit seiner Mittelstandslösung durchstarten. Partner mit Prozess-Know-how gehen mit ins Rennen. Von ComputerPartner-Redakteur Eberhard Heins

"Gegen Microsoft können wir nicht als kleiner Anwendungshersteller konkurrieren", rechtfertigt Larry Ellison, CEO bei Oracle, die seit 2003 tobende Übernahmeschlacht um den Wettbewerber Peoplesoft, in einem Interview mit "USA Today". So viel Unterstatement legt der agile und frisch verheiratete 59-Jährige normalerweise nicht an den Tag. Immerhin rangiert der Datenbankspezialist nach Microsoft als weltweit zweitgrößter Softwarehersteller. Doch die ausstehende Entscheidung der Kartellbehörden lässt den sonst selbstbewusst agierenden Oracle-CEO leiser auftreten. Den Kampf mit dem Softwareriesen aus Redmond scheut Ellison dennoch nicht: "Um herauszufinden, wie gut man ist, muss man sich immer mit dem Besten messen."

Die Kampfansage des Oracle-CEO an die Gates-Company kam auch bei den Mitarbeitern der 190 Partner an, die auf der Appsworld in San Diego ihre Lösungen rund um die "E-Business-Suite" präsentierten. Doch während die Ellison-Company zu den drei größten Herstellern von Anwendungssoftware zählt, fällt es dem Datenbankspezialisten in Deutschland schwer, seine ERP-Lösung an den Mann zu bringen. Immerhin 100 Kunden kann Oracle bislang im Heimatmarkt von SAP vorweisen. Für die seit Mitte 2003 verfügbare und ausschließlich über Partner vertriebene Mittelstandssoftware "Special Edition" sieht es dagegen bislang richtig schwarz aus. Gerade mal einen Referenzkunden hat das Unternehmen hier zu Lande auf seiner Liste stehen.

Der Oracle-Partner Prodatis Consulting hat die Light-Version der ERP-Suite bei Elbe-Team installiert, einem Gebrauchtbuchhändler. Ende Januar ging das Unternehmen mit der ERP-Suite für den Mittelstand produktiv. Mehr als 20 Anwender arbeiten seitdem mit der vorkonfigurierten Oracle-Software. Der Kunde setzt die originäre Special-Editon mit den Modulen Auftragsmanagement, Lagerverwaltung, Einkauf und Finanzbuchhaltung ein. Daten, die bei Käufen auf der Website von Elbe-Team erfasst werden, fließen direkt in diese Systeme ein. "Diesen Workflow bilden wir durchgängig ab", berichtet Jan Riedel, Vorstand bei der Prodatis Consulting AG.

Zehn Partner für die Special Edition reichen nicht

Doch um SAP und Microsoft in Deutschland den Kampf im mittelständischen Geschäft mit Unternehmenssoftware anzusagen, bedarf es einer schlagkräftigen Truppe. Zehn Partner für die Special Edition und ein Referenzkunde reichen nicht. Das weiß auch die seit Juni 2003 amtierende Partnerverantwortliche Silvia Kaske, Direktor Channel Sales und Alliances bei Oracle: "Wir benötigen mehr ERP-Partner."

Doch nicht jeder Datenbankhändler kann ERP-Software verkaufen und implementieren. Um die E-Bussines-Suite und die Special Edition zu vertreiben, benötigen sie Prozess-Know-how. "Wir suchen Partner, die sich im ERP-Geschäft auskennen", erklärt Kaske. Das könnten beispielsweise Wiederverkäufer der Microsoft-Geschäftseinheit Business Solutions sein. Vor allem "Axapta"-Partner beherrschen die Abläufe von Unternehmen im gehobenen Mittelstand und verfügen über Oracle-Datenbank-Expertise.

Um diese Spezialisten als Oracle-Partner zu gewinnen und Channel-Parität innerhalb der Produktlinien herzustellen, hat die Oracle-Managerin allerdings noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Vertriebskanal des Softwareherstellers in Deutschland spiegelt wider, in welchem Produktbereich die Ellison-Company hier zu Lande erfolgreich ist. Von den insgesamt 1.330 Partnern sind laut Kaske 75 Prozent, also rund 998, Datenbankspezialisten. Im Gegensatz zum Kerngeschäft, wo Oracle in den meisten Projekten gesetzt ist, mangelt es dem Anwendungs-Business trotz des Wirbels um die geplante Peoplesoft-Übernahme noch an Bekanntheitsgrad.

"Wir müssen mehr Marketing betreiben", räumt Kaske ein. Gemeinsame Aktionen mit dem Partner in dessen Kernmarkt sollen für Aufmerksamkeit bei Kunden sorgen. Eine Möglichkeit wäre es, die europäische Partner- und Kundenveranstaltung in diesem Jahr in Deutschland abzuhalten.

Nur noch eine Kunden- und Partnermesse pro Jahr

Doch die Gelegenheiten dafür werden weniger. Die "Appsworld" in San Diego war die letzte ihrer Art. Wie der Softwarehersteller Oracle gegenüber ComputerPartner bestätigte, werden die beiden Veranstaltungen "Appsworld" und "Oracleworld" künftig kombiniert und unter dem Namen "Oracleworld" nur einmal pro Jahr veranstaltet. Für Europa sei ebenfalls eine Kombination beider Oracle-Veranstaltungen geplant. Ort und Zeitpunkt stehen noch offen. Dennoch sei laut Kaske das Interesse für die ERP-Software in Deutschland geweckt. Vor allem der Mittelstand benötige Investitionssicherheit und nehme deshalb zunehmend auch die großen Hersteller bei der Projektauswahl in das Boot.

Dazu beitragen könnte die neue Integrationsplattform "Customer Data Hub", die der frisch gebackene Oracle-President Charles "Chuck" Phillips in San Diego ankündigte. Ähnlich wie SAPs "Netweaver" oder Siebels "OAN" soll es die Plattform ermöglichen, Fremd-anwendungen mit dem eigenen ERP-Paket "E-Business Suite" zu verbinden. "Wir bieten keine Point-to-Point-Integration, sondern ein einheitliches Datenmodell für die unterschiedlichen Anwendungen", betont der Kronprinz von Oracle-CEO Larry Ellison. Vor allem Systemintegratoren würden von dem neuen Hub profitieren. Zu Konditionen und Verfügbarkeit teilte Phillips nur mit, dass pro Anwender abgerechnet werde.

Meinung des Redakteurs:

Oracle schöpft das Potenzial der Special Edition in Deutschland noch nicht aus. Wer im Heimatmarkt von SAP mit Unternehmenssoftware gewinnen will, der darf nicht mit angezogener Handbremse in das Rennen gehen, sondern im Sprinttempo. Die angetretenen Partner benötigen deshalb neben einer wettbewerbsfähigen Lösung die volle Marketing-Power des Herstellers - bislang ist wenig davon zu sehen.