Outsourcing und die Rechtsfolgen für Beschäftigte

10.03.2006 von Mark Roach
Outgesourct, ausgegliedert, abgeschoben! Sind IT-Mitarbeiter, die eben noch geholfen haben, die Arbeitsprozesse effizient zu gestalten, und dann in eine Tochtergesellschaft des Unternehmens ausgegliedert oder an fremde Dienstleister ausgelagert wurden, nichts mehr Wert?

Wenn heute über Outsourcing gesprochen wird, versteht man darunter eine ganze Reihe von verschiedenen rechtlichen Vorgängen. Eine der überschaubaren Varianten, ist die Fremdvergabe einer Dienstleistung an einen externen Anbieter. Eine bestimmte, fest umrissene Aufgabe wird - anstatt sie wie bisher von firmeninternem Personal ausführen zu lassen - an einen Fremdanbieter übertragen. Da werden die peripheren Geräte, die PCs, die Laptops, die Drucker, die Server von der Sinius oder der TSG gewartet und nicht mehr von eigenem Personal. Das Netzwerk wird von T-Systems oder British Telecom (BT) betrieben.

Hier lesen Sie ...

  • welche Rechte Mitarbeiter beim Betriebsübergang haben;

  • wie sie beim neuen Arbeitgeber abgesichert sind;

  • wo sie Rat holen können?

Entscheidend dabei ist, wenn neben der eigentlichen Arbeit keine sächlichen oder immaterielle Betriebsmittel hinüberwechseln, handelt es sich nicht um einen "Betriebsübergang" nach Paragraf 613 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), mit entscheidenden Konsequenzen für die Beschäftigten.

Outsourcing in eine neugegründete Tochter

Um das andere Extrem der möglichen Bandbreite der Outsourcingformen handelt es sich dann, wenn beispielsweise ein Versicherungskonzern die eigene IT- Abteilung in eine eigenständige Tochtergesellschaft ausgliedert, die dann für die verschiedensten Gesellschaften im Konzern arbeitet. Solche Fälle gab es bei der Ausgliederung der Allianz IT in die Agis, bei dem neugeformten Ergo-Konzern in die IT- Ergo, beziehungsweise im Bankenbereich bei der HVB-Systems. Bei all diesen Fällen handelte es sich um Betriebsübergänge. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen bieten den betroffenen Beschäftigten dann einigen Schutz.

Im täglichen Leben gibt es nun die verschiedensten Zwischenformen. Da übernahm beispielsweise die IBM das IT- Prozessing der Deutschen Bank, inklusive Hard- und der kompletten Software, weil sie auf diesem Weg meinte, auf dem Bankenmarkt Fuß fassen zu können. Die Haspa gab ihr eigenständiges EDV-System auf und lässt ihre IT seither von der Finanz IT abwickeln. Fast alle Genossenschaftsbanken lassen inzwischen ihre EDV auf den Systemen der beiden verbundeigenen Rechenzentralen Fiducia oder GAD laufen. Um festzustellen, was dies für Konsequenzen für die Beschäftigten hat, muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob neben dem "Doing", der eigentlichen Tätigkeit, der Dienstleistung, auch Eigentum vom bisherigen Betreiber zum Dienstleister, ob neu oder bereits etabliert, übergeht. Wenn nicht, handelte es sich nicht um einen Betriebsübergang.

Arbeit weg, Kündigung folgt

Handelt es sich aber nicht um einen Betriebsübergang, haben die betroffenen Beschäftigten keinen Anspruch darauf, dass sie mit ihrer Arbeit zu dem neuen Dienstleister wechseln. Sie sitzen dann in der alten Firma und haben keine Arbeit mehr. Das führt dann zu betriebsbedingten Kündigungen, sofern die betroffenen Beschäftigten nicht andere Arbeiten in der bisherigen Firma erledigen können. Wenn Kündigungen anstehen, ist nach einer Sozialauswahl vorzugehen.

Sind Betriebsräte vorhanden, werden sie über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln oder über die Gewerkschaft einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung durchsetzen.

Interessenausgleich

In einem Interessenausgleich definieren Betriebsrat und Geschäftsleitung eine vom Arbeitgeber geplante Maßnahme und beschreiben deren Umsetzung. Hier wird beispielsweise auch beschrieben, wie durch Bildungsmaßnahmen versucht wird, Beschäftigte in "Lohn und Brot" zu halten. Da hier wirtschaftliche Fragen berührt sind, kann der BR allerdings nur "beraten", eine Einigung auf einen Interessenausgleich nicht erzwingen. Allerdings hat er Anspruch auf ordnungsgemäße Information und Beratung bevor der Arbeitgeber die Maßnahme umsetzt.

Sozialplan

Der Sozialplan soll die Nachteile, die den Beschäftigten durch die Maßnahmen entstehen, teilweise ausgleichen. Hier geht es beispielsweise um den Ausgleich höherer Kosten durch längere Fahrstrecken zur Arbeit oder für einen notwendigen Umzug. Die Themen Vorruhestand und Altersteilzeitregelung, aber auch Abfindungen tauchen auf. Immer häufiger finden sich auch Regelungen zu Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften. Da es sich hier um soziale Fragen handelt, hat der Betriebsrat ein volles Mitbestimmungsrecht. Eine Lösung der Streitfragen kann notfalls auch in einer Einigungsstelle erzwungen werden.

Konditionen für ein Jahr gesichert

Liegt dagegen ein Betriebsübergang vor, haben die Beschäftigten einen Anspruch darauf, mit ihrer Arbeit zum neuen Dienstleister zu wechseln. In diesem Fall würde der neue Arbeitgeber, ohne dass es dazu eines neuen Arbeitsvertrages bedarf, in die Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitsvertrages eintreten. Die bestehenden Konditionen dürften laut Paragraf 613 a des BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auch nicht innerhalb eines Jahres geändert werden. Alle beim bisherigen Arbeitgeber geltenden Betriebsvereinbarungen oder der gültige Tarifvertrag (wenn die jeweils Betroffene Gewerkschaftsmitglied ist) gelten immer dann (sozusagen als Anlage zum eigenen Arbeitsvertrag) weiter, wenn es keinen Tarifvertrag oder keine entsprechenden Betriebsvereinbarungen beim neuen Arbeitgeber gibt.

In der Praxis

Soweit die guten Nachrichten, die rechtliche Theorie. Man könnte sich entspannt zurücklehnen, wenn nicht die lästige Praxis wäre. Da versuchen manche neuen Arbeitgeber Ihnen einen neuen Arbeitsvertrag unterzujubeln, "nur der Form halber". Aber, Hände weg: durch Unterschrift unter einen neuen Arbeitsvertrag würden Sie alle nicht ausdrücklich neu vereinbarten Regelungen verlieren, ggfs auch die sonst anzurechnende Betriebszugehörigkeit.

Oder es existieren im neuen Betrieb Betriebsvereinbarungen zum gleichen Thema, aber auf schlechterem Niveau! Auch dann sind die alten Regelungen weg! Oder viel schlichter: der neue Arbeitgeber sitzt 500 oder 600 km weit entfernt. Ein Mitgehen würde bedeuten, dass Sie entweder mit der Familie umziehen und alle Sozialbindungen hinter sich lassen oder Sie alleine am neuen Arbeitsort eine Bude beziehen und zum Wochenende nach Hause, zur Familie, zu Freunden und Bekannten pendeln.

Widerspruchsrecht ist zweischneidig

Die Beschäftigten müssen für sich also genau prüfen, ob sie zum neuen Arbeitgeber mitgehen wollen, oder ob sie das ihnen zustehende Widerspruchsrecht wahrnehmen. Aber die Konsequenz daraus ist auch nicht nur Sonnenschein. Denn: Widersprechen Sie dem Übergang, bleiben Sie beim alten Arbeitgeber. Nur sind Sie dann trotzdem ihre Tätigkeit los. Wieder stehen betriebsbedingte Kündigungen an, wenn es nicht gelingt, neue, andere Arbeit zu schaffen, oder die vorhandene Arbeit anders zu verteilen.

Betriebsrat wählen

Jede Ausgliederung hat im Konkreten eine Fülle von Auswirkungen auf jeden einzelnen Beschäftigten. Da ist es gut, wenn es im eigenen Betrieb einen Betriebsrat gibt, der sich mit diesen Fragen auseinandersetzen und über Verhandlungen in einem Interessenausgleich und Sozialplan Lösungen anstreben kann. Die Belegschaft in Betrieben mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten hat den Anspruch einen Betriebsrat zu wählen. Ab fünf Beschäftigten kann ein Betriebsobmann, mit eingeschränkten Rechten gewählt werden. Einzig die Belegschaft entscheidet darüber, ob sie dieses Recht wahrnimmt. Der Arbeitgeber darf eine BR-Wahl nicht behindern.

Belegschaften sind immer gut beraten, einen Betriebsrat zu wählen. Dies gilt aber insbesondere in Outsourcing-Fällen. Was passiert nun mit einem Betriebsrat in diesen Situationen? Auch hier sind wieder eine ganze Vielzahl von Konstellationen vorstellbar. Im Zweifel wird man sich darauf einstellen müssen, dass der Betriebsrat des alten Betriebes, die outgesourcten Beschäftigten bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens begleiten und danach noch für eine gewisse Zeit ein Übergangsmandat wahrnehmen kann, wenn es in dem neuen Betrieb keinen Betriebsrat gibt.

Gewerkschaften beraten

In dieser Übergangszeit sollte schnellstmöglich in dem neuen Betrieb ein eigener Betriebsrat gebildet werden, der dann aus eigenem Recht die Interessen der Belegschaft sinn- und kraftvoll vertritt. Auch Betriebsräte sind gut beraten, sich helfen zu lassen. Zu vielschichtig sind die Probleme, zu komplex die Fragen. Manche Themen lassen sich auf dem Weg des Betriebsverfassungsgesetzes auch gar nicht befriedigend lösen. Tarifrecht kann da helfen. Gewerkschaften sind die erste Beratungsadresse für Betriebsräte und Belegschaften.