Tipps für den indirekten Vertrieb

Partnerschaft oder "Der Partner schafft"?

15.01.2014 von Renate Oettinger
Die Zusammenarbeit zwischen Herstellern technischer Güter und ihren Vertriebspartnern muss gelebt und gepflegt werden. Walter Poss sagt, worauf es ankommt.
Die Zeiten des "Diktates der Hersteller" sind vorbei – Händler sind wichtige Vertriebspartner.
Foto: Robert Kneschke - Fotolia.com

Hersteller technischer Güter müssen sich fragen: Wie verkaufen wir unsere Produkte am besten - mit eigenen Verkäufern direkt an unsere Kunden oder indirekt über Vertriebspartner? Oder sollen wir eine Mischform wählen - also zum Beispiel bestimmte Key Accounts selbst und die Breite des Marktes über den Handel bedienen?

Die Antwort auf diese Grundsatzfrage hat Auswirkungen auf die Struktur und Organisation des Herstellers. So muss der Hersteller bei einem Vertrieb über Partner zum Beispiel neben seinem Vertrieb, auch die Marketingabteilung, die Serviceabteilungen und die Finanzabteilung auf die mit dieser Vertriebsform verbundenen Ziele und Aufgaben ausrichten.

Strategische Zusammenarbeit unverzichtbar

Beim indirekten Vertrieb, zum Beispiel über Groß- oder Fachhändler, spricht man oft von "Partnerschaft". Wird sie in einer Win-Win-Form gelebt, sind beide Seiten zufrieden. Hat jedoch eine Seite das Gefühl, einer ist der "Partner" und der andere "schafft", dann ist die Zusammenarbeit nicht von Dauer.

Die Erwartungen des Marktes sowie der Endkunden erfordern heute eine strategisch gestaltete Zusammenarbeit zwischen den Herstellern und ihre Vertriebspartnern. Früher genügte oft ein guter Kontakt zu den Inhabern und Einkäufern der Vertriebspartner, um stabile und erfolgreiche Beziehungen aufzubauen. Heute sind jedoch die Verkaufsleiter und die Verkäufer der Vertriebspartner der "Schlüssel" zum Erfolg. Sie müssen als Unterstützer und Promotor gewonnen werden - zum Beispiel

- durch eine aktive Teilnahme und Mitwirkung des Herstellers an den Verkäufer-Meetings der Vertriebspartner,

- durch motivierende, produktorientierte Verkaufsschulungen der Außen- und Innendienstmitarbeiter der Vertriebspartner (statt rein fachlich ausgerichteten Produktschulungen) und

- durch ein gemeinsames Akquirieren potenzieller Kunden.

Zwar planen die Marketingbereiche der Hersteller oft mit viel Aufwand Aktionen zur Marktbearbeitung, doch diese versanden häufig, weil die Aktivitäten nicht mit den Vertriebspartnern koordiniert wurden. Oder noch schlimmer: Der Händler nutzt die Sonderkonditionen der Aktion für seine Regel-Dispo. Die gewünschte Forcierung des Abverkaufs erfolgt nicht, die Aktion ist ein Flop.

Partnerschafts- statt Händlerverträge

Wie also können Hersteller ihre Vertriebspartner als engagierte Partner gewinnen? Die Zeiten des "Diktates" seitens der Hersteller sind vorbei - wenn es sie überhaupt je gab. Denn die Vertriebspartner sind selbstständige Unternehmen - mit berechtigten Eigeninteressen. Deshalb ist ein beidseitiger Partnerschafts- statt einem einseitigen Händlervertrag die richtige Startbasis, um die Vereinbarungen der Zusammenarbeit zu verankern.

Ein solcher Partnerschaftsvertrag sollte in der Präambel zunächst die Grundsätze einer partnerschaftlichen gemeinsamen Marktbearbeitung sowie die generellen Ziele der Zusammenarbeit beschreiben Zudem sollten in ihm unter anderem folgende Elemente fixiert sein:

- generelle Maßnahmen zur gemeinsamen Marktbearbeitung:

Zu welchen Unterstützungen verpflichtet sich der Hersteller/Vertriebspartner?

- gemeinsame Marketing-Maßnahmen:

Wozu verpflichtet sich der Hersteller/Vertriebspartner in den Bereichen Verkaufsförderung, Messen, Werbung, Marktauftritt usw.?

- Bevorratung und Logistik:

Wozu verpflichtet sich der Hersteller/Vertriebspartner, um eine Wettbewerbsdifferenzierung durch optimale, vollständige und zeitnahe Lieferung sicher zu stellen?

- Serviceleistungen für Kunden:

Wozu verpflichtet sich der Hersteller/Vertriebspartner zum Beispiel bezüglich Erreichbarkeit, Ersatzteilversorgung, Instandhaltung?

- Menschen, Prozesse, Tools:

Was unternehmen Hersteller und Vertriebspartner gemeinsam? Zum Beispiel Produkt- und Verkaufsschulungen für die Mitarbeiter des Vertriebspartners, Regelung der Prozesse zur Auftragsabwicklung und Reklamationsbearbeitung, Nutzung von IT-Systemen für CRM, Angebotserstellung und Auftragsabwicklung. Und selbstverständlich sollte im Partnerschaftsvertrag auch ein nach den Leistungen des Vertriebspartners gestaffeltes Konditionensystem definiert sein (zum Beispiel Grund-Wiederverkaufsrabatt, Rabatt für Marketingleistungen des Vertriebspartners, Rabatt für Qualifizierungsleistungen des Vertriebspartners).

- Rechte und Pflichten, Leistung und Gegenleistung - das ist die Basis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Und jede Seite darf von der anderen ein klares Commitment zur Partnerschaft erwarten.

Erfolgsfaktoren für Hersteller im Channel
Erfolgsfaktoren für Hersteller im Channel
Wie kann ein Hersteller Fachhändler zu einer Zusammenarbeit bewegen? Andreas Franken, FRANKEN-CONSULTING, hat die wichtigsten Punkte zusammengetragen.
Wettbewerbsvorteil
Jede(s) zu vermarktende Produkt bzw. Dienstleistung sollte mit Wettbewerbsvorteilen ausgestattet sein.
Zielgruppe
Die Angebote des Herstellers müssen definierte Märkte adressieren, welche diese auch nachfragen.
Produkte als "Türöffner"
Von gehobenem Interesse sind die Produkte, mit denen sich der einzelne Fachhändler bei seinen Kunden besonders qualifizieren kann, die möglicherweise sogar als "Türöffner" gelten.
Herstellerspezifische Vorteile
Der Händler nutzt gerne herstellerspezifische Vorteile für seine eigene Positionierung.
Ausbildung des eigenen Personals
Die meisten Fachhändler schätzen die solide Ausbildung ihres Vertriebs- und Technikpersonals als Grundbedingung für eine Zusammenarbeit ein.
Bedürfnisse in Segmenten
Ebenso wichtig ist für die meisten Fachhändler die Vermittlung belastbarer Kenntnisse über die Bedürfnisse einzelner Segmente in Verbindung mit möglichst konkreten Angeboten.
Wenig Konkurrenz erwünscht
Kein Händler ist interessiert an besonders starkem Wettbewerb. Deshalb besteht der Wunsch, dass der Hersteller seine Produkte mit Augenmaß distribuiert.
Direktvertrieb schadet der Partnerschaft
Eine Konkurrenzsituation mit dem Direktvertrieb eines Herstellers ist besonders beziehungsschädlich bei Produkten bzw. Leistungen mit hohem Erklärungsaufwand.
Unterstützung abseits der Produkte
Eine möglichst hochkarätige Unterstützung in den Bereichen Verkaufsförderung, Marketing, Finanzierung und Konzeptgestaltung zahlt konsequent auf ein langfristig erfolgreiches Miteinander ein.
Einbezug in künftige Strategien
Der Handel wünscht sich aufgrund seiner besonderen Marktnähe auch intensiven Einbezug in zukünftige Produkt- und Servicestrategien wichtiger Hersteller.

Eine aktive Beziehungspflege betreiben

Eine Kernfrage für die Hersteller ist: Wie motiviere ich die Vertriebsorganisation meiner Partner? Großhändler haben in der Regel ein breites Sortiment mit verschiedenen Produktgruppen. Auch in der Produktgruppe des Herstellers führen sie im Normalfall Wettbewerbsprodukte. Also werden sie von vielen Herstellern mit unzähligen Aktionen, Produktneueinführungen und anderen Aktivitäten "überladen". Entsprechend wichtig ist es, dass sich der Hersteller klar als Partner und nicht nur als Lieferant positioniert. Das bedeutet zum Beispiel:

- Beziehungen aufbauen,

- den Abverkaufsprozess unterstützen und

- die "Chefs" und Mitarbeiter der Vertriebspartner fordern und fördern.

Das setzt voraus, dass der Hersteller die unternehmerischen Ziele seiner jeweiligen Händler kennt und seine Aktivitäten darauf ausrichtet.

Eindeutig "Ja" zum Partner sagen

Ist der Händler der richtige Partner? Diese Frage muss der Hersteller mit einem klaren "Ja" beantworten. Denn bestehen diesbezüglich Zweifel, wird er auch nur bedingt zu ihm stehen. Dies spürt der Händler - weshalb zwischen den "Partnern" auch keine emotionale Beziehung wächst. Indikatoren dafür, ob er der Richtige ist, sind neben Marktzugang und -potenzial unter anderem:

- Lassen sich die Verkäufer des Händlers für die Produkte des Herstellers begeistern?

- Ist der Händler bereit, seine Mitarbeiter gezielt für den Verkauf der Produkte des Herstellers schulen zu lassen?

- Sind die Verkäufer des Händlers dazu bereit, mit den Außendienstmitarbeitern des Herstellers Zielkunden zu besuchen?

- Ist der Händler offen für das gemeinsame Erstellen und Realisieren von Konzepten zum Erschließen bestimmter Zielkunden/Marktsegmente?

- Ist der Vertriebspartner zuverlässig, loyal und hält er Vereinbarungen ein?

Selbstverständlich muss auch der Händler überzeugt ja zur Partnerschaft sagen. Fragen, die er sich in diesem Kontext stellen sollte, sind:

- Hat das Sortiment des Herstellers die nötige Breite und Tiefe für meine Zielgruppe?

- Ist sein Vertriebskonzept nachhaltig auf die Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern ausgerichtet?

- Bietet er mir die notwendige Unterstützung für eine aktive Marktbearbeitung?

- Ist der Hersteller innovativ und somit zukunftsfähig - zum Beispiel bei seinen Produkten und Prozessen?

- Kann ich bei einer entsprechenden Vermarktung mit einer guten Marge rechnen?

- Werden gemeinsame Konzepte zur Entwicklung der Zielkunden erarbeitet?

- Unterstützt der Hersteller mich mit den nötigen Flyern, Produkt- und Verkaufsunterlagen?

Regelmäßig kommunizieren und gemeinsam planen

Beim Beantworten der vorgenannten Fragen tauchen in der alltäglichen Zusammenarbeit der Hersteller und mit ihren Partnern immer wieder Meinungsunterschiede auf - schließlich haben die Beteiligten teils unterschiedliche Interessen. Deshalb sind, um die emotionale Beziehung der Partner stabil zu halten und ein allmähliches Sich-Entfremden zu vermeiden, regelmäßige, zum Beispiel quartalsweise Review-Gespräche nötig, um die Zusammenarbeit und den Stand der Umsetzung der gemeinsam in den Jahresgesprächen verabschiedeten Ziele zu evaluieren.

Jahresgespräche

In diesen Jahresgesprächen gilt es nicht nur den Absatz und die Umsätze, also das Ergebnis, sondern auch das WIE zu planen - also die Marktbearbeitungs- und Verkaufsprozesse, die zu den gewünschten Ergebnissen führen. Die Kernfrage lautet: Wie können wir gemeinsam den Markt für beide Seiten gewinnbringend bearbeiten?

Wichtig ist dabei, dass die Partner die hiermit verbundenen Prozesse und Aktivitäten konsequent zu Ende denken. Hierfür ein Beispiel aus der Praxis. Bei der Einführung eines neuen Produkts arbeiten die Produktmanager der Hersteller oft alle technischen Details hervorragend auf. Die Prospekte erklä-ren das Produkt in allen Farben und die Mitarbeiter der Händler werden mit allen technischen Raffinessen vertraut gemacht. Doch leider befasst sich das Produktmanagement kaum mit der verkäuferische Umsetzung. Das heißt, die Händler und ihre Mitarbeiter erhalten wenige Informationen zum Markt und Marktumfeld:

- Welche Zielgruppe ist die geeignete?

- Zu welchen Anwendungen passt das neue Produkt am besten?

- Wie sieht das Wettbewerbsumfeld aus?

- Wie sieht für die Kunden das Preis-Nutzen-Verhältnis- im Vergleich zu den Wettbewerberlösungen aus?

- Wie kann das Produkt in Systemlösungen integriert werden?

- Welcher Mehrwert wird hierdurch generiert?

Ein weiterer Klassiker ist das Planen von Hausmessen. Hierbei denken die Händler meist vorrangig an eine finanzielle Beteiligung des Herstellers an den Kosten. Und die Hersteller sehen wiederum primär die Kosten und fragen sich: Muss das sein? Also beginnt anlassbezogen ein Fingerhakeln um Zuschüsse und Konditionen, statt dass sich Hersteller und Händler bereits im Jahresgespräch gemeinsam fragen: Wie können wir das Instrument "Hausmesse" mit einer entsprechenden Planung gezielt nutzen, um unsere gemeinsamen Jahresziele zu erreichen? Was muss dazu gemeinsam konkret vorbereitet werden? Und: Was soll nach der Hausmesse konkret passieren?

Die Partnerschaft proaktiv gestalten und leben

Die Beispiele zeigen: Eine Vertriebspartnerschaft muss von beiden Seiten pro-aktiv gelebt werden, damit alle Beteiligten erfolgreich und somit zufrieden sind und uneingeschränkt "Ja" zur Partnerschaft sagen.

Um frühzeitig die Richtlinien der Zusammenarbeit zwischen einem Hersteller und seinen Vertriebspartnern abzustimmen und nicht einseitig festzulegen, ist das Implementieren eines Händlerbeirates sinnvoll. Dieser Beirat, bestehend aus Inhabern, Geschäftsführern oder auch Verkaufsleitern der Vertriebspartner, trifft sich regelmäßig mit der Geschäftsleitung des Herstellers. In diesen Meetings können strategische Fragen diskutiert und beantwortet werden. So werden Missverständnisse vermieden und die Weichen für eine ertragreiche Zusammenarbeit gestellt.

Zuweilen bietet sich auch das Einrichten von Arbeitsgruppen an, zum Beispiel für die Produktentwicklung und Verkaufsförderung, um die Partner frühzeitig in die Überlegungen des Herstellers einzubinden. Können die Vertriebspartner ihr Wissen über Markterfordernisse und ihre Ideen zur Marktbearbeitung einbringen, garantiert dies später eine deutlich konsequentere Realisierung der Maßnahmen.

Maßnahmen zur gemeinsamen Markt- und Kundenbearbeitung im Überblick

Mit folgenden Maßnahmen können Hersteller mit ihren Vertriebspartnern die Umsätze und Margen steigern:

- Gemeinsam ausgearbeitete Maßnahmenpläne für Verkaufsaktivitäten statt Zahlenfriedhöfe mit nicht wirklich akzeptierten Umsatzzielen

- Training-on-the-Job - zum Beispiel bei der Angebotsausarbeitung, bei Kundengesprächen am Telefon sowie bei Kundenbesuchen

- Motivierende Vertriebsworkshops und Verkaufstrainings, in denen die Vertriebspartner unter anderem in der aktiven Marktbearbeitung und offensiven Kundenansprache geschult werden

- Managementseminare zum Themenfeld "Planung, Führung und Controlling im Vertrieb"

- Unterstützung der Vertriebspartner beim Strukturieren und Organisieren des Verkaufsprozesses von der Kundenansprache und -akquisition über die Anfragenbearbeitung, die Angebotsgestaltung und das Angebotsmanagement bis hin zum Abschluss und zur Auftragsabwicklung

-Verkaufsunterstützende Tools wie zum Beispiel Kundendatenbanken, Briefe und Verkaufsförderungsmittel für die proaktive Akquisition, verkaufsfördernde Angebotstexte statt bepreiste Materialaufstellungen, Konzepte zum Nachfassen der Angebote

- Gemeinsame Verkaufsförderungsmaßnahmen wie zum Beispiel Zielkundenstrategien, Kundenveranstaltungen, Hausmessen.

Die Gebietsverkaufsleiter der Hersteller müssen dazu motiviert und qualifiziert werden:

- Führen und Motivieren von Vertriebspartnern - ohne disziplinarische Gewalt

- Methodenkompetenz in Vertriebsplanung und -Controlling

- Train-the-Trainer- und Coach-Ausbildung

- Beherrschen der Verkaufstechnik und -psychologie - und zwar so, dass die Gebietsverkaufs-leiter dieses Wissen strukturiert an die Vertriebspartner weitergeben können.

Mitarbeit: Walter Poss arbeitet als Berater für das auf den Vertrieb von Industriegütern und -dienstleistungen spezialisierte Beratungsunternehmen Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld (www.schreiber-training.de). Er war 15 Jahre Geschäftsführer bei verschiedenen marktführenden, mittelständischen Unternehmen. Zuvor hat Walter Poss sowohl im Direktvertrieb als auch im mehrstufigen Vertrieb von technischen Produkten Praxiserfahrung gesammelt.

Kontakt:

Tel.: 07062 96968, E-Mail: zentrale@schreiber-training.de