Praxistest: Nokia E61

02.12.2006

Lieferumfang / Verarbeitung

Schon ein Blick in die Verpackung zeigt dem Multimediafreund unmissverständlich, dass er sich gerade das falsche Gerät gekauft hat. Nokia legt nur ein kabelgebundenes Mono-Headset in den Karton aus Presspappe. Immerhin spendieren die Finnen dem Käufer neben den üblichen Beilagen in Form von USB-Datenkabel, Netzstecker und der PC Suite-Software noch eine überaus großzügig dimensionierte miniSD-Karte mit 512 MB Kapazität.

Slimness ist der Trumpf des Nokia E61: gerade einmal 14mm misst das PDA-Phone in Tiefenrichtung. Imposanter im negativen Sinne fallen die Flächenmaße aus: in der Hemdtasche will man das Handy kaum transportieren, zumal der Schreiberling satte 144 Gramm Gewicht auf die Waage bringt. Farb- und Materialmix wurden allerdings vortrefflich gewählt: das teilweise aus robustem Aluminium gefertigte Gerät präsentiert sich in einheitlichem, haptisch ansprechenden Silbermetallic-Gewand, das ohne optische Spielereien dem seriösen Designanspruch der Zielgruppe entgegenkommt. Doch schleichen sich ins akzeptable Gesamtbild die Nokia-typischen Verarbeitungsmängel in Form grober Spaltmaße und für Staubablagerungen anfälliger Anschlüsse ein.

Displaytechnisch macht kaum ein Smartphone dem E61 etwas vor: das quer verbaute QVGA-Display verfügt über eine fast drei Zoll lange Breitbilddiagonale. Protzige 16,7 Millionen Farben verwischen auch die letzten Kanten in Farbverläufen der Hintergrundbilder und die Ablesbarkeit ist dank transflektiver Bauweise auch unter starkem Außenlicht sichergestellt. Schade, dass sich der überragende Eindruck gerade beim wichtigsten Hardwaremerkmal des Geräts nicht fortsetzt: die Tastatur kann mit ihren schwammigen Druckpunkten MDA Vario, Palm Treo 750v oder P990i nicht mithalten. Wenig abgewinnen konnten wir auch den schmalen Softkeys und dem unpräzisen Plastik-Joystick, der wohl besser als Navkey auf die Welt gekommen wäre.

Ausstattung

Business ist der zweite Name jedes E-Series-Modells. Abgesehen von Architekten und Landschaftsgärtnern werden eingefleischte Arbeitstiere daher auch gut auf die nicht vorhandene Kamera verzichten können. Immerhin findet man einen multitaskingfähigen Medienplayer, der unter anderem die komfortable Verwaltung von Playlists ermöglicht und die verbreiteten MP3- und AAC-Formate, nicht aber WMA-Files unterstützt. 75 MB interner Speicher sollten selbst von den Ansprüchen prall gefüllter Terminkalender und Kontaktlisten äußerst geschäftiger Topmanager nicht gesprengt werden. Doch auch Nokia weiß, dass gerade der EMail-Eingang dieser Zielgruppe nicht verschwenderisch genug bemessen sein kann: 512MB für EMails - die natürlich auch für digitale Musik oder speicherintensive Zusatzanwendungen auf Symbian-Basis genutzt werden können - stecken ab Werk in Form einer austauschbaren miniSD-Karte im E61.

Wie es das Design vermuten lässt, stehen Messaging-Features im Vordergrund des neuen S60-Systems. Von Blackberry- oder Nokia/Intellisync kompatibler Push-E-Mail bis zur automatisch wiederholten SyncML-Synchronisation aller relevanten Daten ist das E61 entweder mit Symbian/S60-nativen Funktionen oder entsprechender Zusatzsoftware bestückt. Schade nur, dass der EMail-Client vergleichsweise featurearm daherkommt: Die Kategorisierung von Nachrichten ist ausschließlich über Nutzerordner möglich, Konversationen oder eigene Priorisierungen kennt der Client, der mit POP3-/IMAP4- und SMTP-Postfächern auch über TLS- bzw. SSL-verschlüsselte Leitungen kommuniziert, nicht. SMS und MMS werden gesondert vom EMail-Eingang aufbewahrt. Enthält ein Anhang ein gängiges Microsoft-kompatibles Office-File, kann man es auf dem großen Screen bequem betrachten und weiterbearbeiten - lediglich erweiterte Features wie Diagramme in Spreadsheets sucht man vergeblich im E61. Großer Wermutstropfen ist die ab Werk fehlende Unterstützung für PDF-Files - wer viel mit solchen Dokumenten zu tun hat, kann aber einen entsprechenden Reader für Symbian kostenlos bei Adobe herunterladen.

Besonders umfangreich fällt die Kontaktverwaltung aus, die neben mehreren Telefonnummern, Post- und Mailadressen auch Presence- und Internettelefoniedaten eines Kontakts aufnimmt und via PC-Suite mit Outlook oder Notes synchronisiert werden kann. Anruferbilder, individuelle Klingeltöne und eine sprecherunabhängige Sprachwahl, gehören ohnehin zum Standardreportoire des S60-Adressbuchs. Die Präsentation des Terminplaners wirkt auf dem riesigen Display etwas verloren: der in Sony Ericssons M600i zum Zuge kommende Kalender auf UIQ-Basis bewährte sich in der Praxis besser, zumal er auch detailliertere Kategorisierungen und übersichtlichere Wochenansichten bietet.

Wer unter dem Stichwort "mobiles Office" mehr versteht als den Echtzeit-Empfang von E-Mails, bekommt mit dem E61 ein Smartphone, das sich über alle etablierten Standards mit der Außenwelt verbinden kann. Im Fernbereich sorgen Quadband-GSM, UMTS und EDGE für permanente Erreichbarkeit. Direkte Kommunikation mit anderen Endgeräten wird über Infrarot-, Bluetooth- und USB2.0-Unterstützung via POP-Port gewährleistet. Doch das Ass im Ärmel des Finnen ist seine einwandfreie WLAN-Connectivity: schnell und reibungslos verbindet man sich mit Infrastruktur-Hotspots. Einmal via UMTS oder WLAN verbunden, kommt der HTML- und RSS-fähige KHTML-Browser des S60-Systems zum Zuge: er rendert Websites in voller Auflösung in den Bildcache, mit einer Birdview-Funktion und einem Mauszeiger bewegt man sich dann flüssig scrollend über die Webinhalte; besser kann der Begriff des mobilen Internets kaum definiert werden. Und auch die mobile Telefonie über SIP-Server bereitet dem E61 keinerlei Probleme: ist man Kunde eines entsprechenden Gatewayproviders wie z.B. sipgate.de oder betreibt einen unternehmenseigenen SIP-Server, steht der VoIP-Telefonie abgesehen von der fummeligen Konfiguration nichts im Wege. Überzeugend wirkt in diesem Zusammenhang insbesondere die gute Sprachqualität.

Spezialanwendungen heben Smartphones wie das E61 von funktionsreichen Feature-Phones ab: für S60 existieren mittlerweile Hunderte mehr oder weniger nützlicher Zusatzprogramme. Ab Werk ist WorldMate, ein Reisebegleiter mit Weltzeituhr, lokaler Wettervorhersage und Kartenmaterial sowie ein ZIP-Manager vorinstalliert. Schließt man ein GPS-Modul ans S60 an, lassen sich GPS-Koordinaten speichern und für lokalisierte Anwendungen nutzen, Navigationssysteme wie Wayfinder, Navicore oder Route66 lassen sich nachrüsten. In diesem Zusammenhang ist auch die beachtliche Prozessorleistung erwähnenswert, die nicht nur die integrierte Java-Engine zu Höchstleistungen antreibt: 283 Zähler im JBenchmark erreicht bei weitem nicht jedes Smartphone im Praxistest.

Telefonfunktionen / Ausdauer

Die S60-Plattform sorgt in Verbindung mit dem großen Display für eine übersichtliche und grafisch ansprechende Menüführung. Nach einem Druck auf die designierte Menütaste findet man in einer Gitteransicht 12 Menüpunkte gleichzeitig auf der Hauptebene. Alternativ lässt sich die Darstellung auch auf eine Listenansicht umstellen, Ordner anlegen und die Icons umsortieren. Mit Hilfe von Themes können viele Oberflächenelemente in ihrem Aussehen dem Geschmack des Nutzers angepasst werden, für die exotische neue Querauflösung bietet Nokia bislang allerdings nur sein S60-Standardtheme an. Der dem Windows Mobile-Homescreen nachempfundene ActiveStandby-Bildschirm des E61 stellt anstehende Termine oder eingegangene Post vergleichsweise übersichtlich dar und ermöglicht den Direktzugriff auf häufig benötigte Programme. Neben einer sprecherunabhängigen Sprachwahl installiert Nokia auch ein Sprachsteuerungstool, mit dem sich einige wichtige Funktionen des Telefons kontrollieren lassen.

Bei den ureigenen Telefonfunktionen leistet sich das E61 keinerlei Schwächen: das Smartphone gehört zu den empfangsstabilsten Telefonen, die man am Markt findet. Auch die rauschfreie Sprachqualität erfüllt Business-Maßstäbe: die Stimmen unserer Gesprächspartner klangen natürlich und unverfälscht. Die integrierte Freisprecheinrichtung erlaubt dank eines hervorragenden Monolautsprechers Gruppengespräche und die Kommunikation via VoIP, wenn man das Handy neben die PC-Tastatur legt. Die bei Bedarf abschaltbare UMTS-Connectivity ermöglicht darüber hinaus auch Videotelefonate, die mangels Kamera zu einer ziemlich einseitigen Bildkonversation für den Gesprächspartner werden. Im Dauergespräch hält das E61 bis zu fünf Stunden durch, ein 1500 mAh starker Lithium-Ionen Akku macht das Gerät zum Marathon-Läufer aller Ausdauerdisziplinen. Zwar können die von Nokia genannten 8-9 Tage bei durchschnittlicher Nutzung aller Funktionen nicht ganz erreicht werden, doch selbst wer täglich via WLAN surft, telefoniert und Nachrichten schreibt, kommt im Schnitt auf bis zu 5 bis 6 Tage Erreichbarkeit.

Fazit

Dass Nokia beim E61 auf multimediale Spielereien verzichtet, ist nur konsequent und ermöglicht die Ausrichtung auf Business-Kernfunktionen, die umso perfekter integriert wurden. Wer zur angestrebten Zielgruppe gehört und sich für dieses Gerät entschieden hat, kann sicher sein, eines der besten Smartphones am Markt zu kaufen. Die hervorragende Connectivity lässt gerade in puncto Stabilität viele andere Endgeräte hinter sich, der komfortable KHTML-Browser ermöglicht die schnelle Durchsicht von Websites und mit Hilfe der ausgereiften Office-Editoren können Attachments direkt auf dem Telefon bearbeitet werden. Unternehmensanforderungen wird das E61 dank VPN-Einwahl, Push-EMail-Unterstützung, Synchronisationsfunktionen via PC Suite, SyncML bzw. ActiveSync/Exchange und FOTA-Schnittstelle genauso gerecht wie Vielschreibern, die einfach nur ihre SMS komfortabler tippen wollen. Schade nur, dass die vielversprechend aussehende QWERTZ-Tastatur über miese Druckpunkte verfügt und die Terminverwaltung noch ausbaufähig ist. Wichtiger Faktor ist auch der Preis des E61: derzeit ist das Gerät mit knapp 320? über hundert Euro billiger als Sony Ericssons "Super-Smartphone" P990i.

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