Privatsphäre muss auch im Krankheitsfall geschützt werden

09.01.2008
Trotzdem müssen Arbeitnehmer ihren Arzt manchmal von der Schweigepflicht entbinden.

Wird ein Arbeitnehmer krank, sind Art, Ursache und Umfang seiner Erkrankung grundsätzlich seine Privatsache. Sie muss dem Arbeitgeber weder vom Beschäftigten noch vom Arzt mitgeteilt werden. Wer durch seine Krankheit arbeitsunfähig wird, ist jedoch verpflichtet, den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit sofort zu erbringen und die voraussichtliche Dauer seines Fernbleibens von der Arbeitsstelle dem Arbeitgeber mitzuteilen. Nur in Ausnahmen, etwa bei ansteckenden Krankheiten, bei denen ein wichtiges betriebliches Interesse besteht, hat der Arbeitgeber Anspruch auf Mitteilung der Erkrankung.

Für Unsicherheit bei vielen Beschäftigten sorgte die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.07.2005. Nach diesem Urteil müssen Arbeitnehmer ihren Arzt von der Schweigepflicht entbinden, wenn der Arbeitgeber bei der Vorlage einer Folgebescheinigung bestreitet, dass eine neue Erkrankung vorliegt. Andernfalls verlieren sie den Anspruch auf Fortzahlung ihres Entgelts.

Was sich einfach anhört, ist in der Praxis diffiziler und nicht etwa eine Mitteilungspflicht durch die Hintertür. Wann der Anspruch auf Lohnfortzahlung erlischt und wann ein Arzt von der Schweigepflicht entbunden werden darf, ist oft im Einzelfall zu prüfen.

Wiederholung - oder Fortsetzungserkrankung - die Tücke liegt im Detail

Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen einer Wiederholungserkrankung und einer Fortsetzungserkrankung. Wiederholungserkrankungen liegen dann vor, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers auf verschiedenen Ursachen beruht, also jeweils eine neue Erkrankung vorliegt. In diesen Fällen entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung jeweils neu. Ausgenommen sind neue Erkrankungen, die während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eintreten. Wer also etwa am Ende der Rekonvaleszenzphase eines Beinbruches an Grippe erkrankt, erhält sein Gehalt nicht über den grundsätzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen hinaus. Zwischen zwei verschiedenen Erkrankungen muss der Arbeitnehmer gearbeitet haben oder zumindest arbeitsfähig gewesen sein.

Von Fortsetzungserkrankungen spricht man dagegen dann, wenn dieselbe Krankheit erneut auftritt, die Arbeitsunfähigkeit also auf demselben Grundleiden beruht. In diesem Fall, wenn also dieselbe Erkrankung länger und öfter auftritt, ist ein Arbeitgeber nur zur Entgeltfortzahlung für sechs Wochen verpflichtet. Dauert die Krankheitsphase länger, ist der Arbeitgeber "frei". Eine Ausnahme gilt dann, wenn zwischen dem Ende und dem Beginn von zwei Erkrankungen, die auf demselben Grundleiden beruhen, sechs Monate liegen oder, wenn seit Beginn der ersten Erkrankung auf Grund desselben Grundleidens zwölf Monate abgelaufen sind.

Diese recht komplizierte Regelung des § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz lässt sich wie folgt knapp zusammenfassen: Bei neuen Erkrankungen muss ein Arbeitgeber grundsätzlich jeweils sechs Wochen lang das Entgelt fortzahlen, bei dauerhaftem Auftreten derselben Erkrankung muss ein Arbeitgeber nur einmal sechs Wochen bezahlen.

Entbindung von der Schweigepflicht betrifft nicht die Weitergabe der ärztlichen Diagnose

Der Arbeitgeber hat aus wirtschaftlicher Sicht natürlich ein großes Interesse zu wissen, ob dieselbe oder ob neue Erkrankungen vorliegen. Die Beweislast, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung nur für einen Zeitraum von sechs Wochen besteht, liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber. Da Arbeitgeber die Art der Erkrankung des Arbeitnehmer nicht kennen, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass im Falle einer Fortsetzungserkrankung auf Verlangen des Arbeitgebers die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden sind. Diese auf den ersten Blick sehr einschneidende Verpflichtung ist jedoch inhaltlich eingeschränkt: Ärzte dürfen allein darüber eine Auskunft geben, ob eine Fortsetzungserkrankung oder eine neue Erkrankung vorliegt. Die Übermittlung von Diagnosedaten ist nicht gefordert, Arbeitgeber haben kein Recht, die Art der Erkrankung des Arbeitnehmers zu erfahren.

Im Arbeitsalltag werden diese Grundsätze leider nicht immer berücksichtigt. Ärzte unterscheiden oft beim Ausfüllen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht korrekt zwischen einer Ersterkrankung und einer Folgeerkrankung. Der Arbeitgeber kann so aus der Bescheinigung nicht ersehen, für welchen Zeitraum er zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet ist. Andererseits nutzen Arbeitgeber ihre Vormachtstellung im Arbeitsverhältnis aus und verlangen von Arbeitnehmern Auskunft über die Art ihrer Erkrankung, obwohl Arbeitnehmer rechtlich dazu nicht verpflichtet sind.

Es bleibt also dabei, Krankheiten - ob harmloser Schnupfen oder große Operation - sind Privatsache. Einem entsprechenden Verlangen des Arbeitgebers oder der Personalabteilung gilt es die Stirn zu bieten.

Kontakt und weitere Informationen: Der Autor ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. Peter Krebühl, c/o Pflüger Rechtsanwälte GmbH, Kaiserstraße 44, 60329 Frankfurt am Main. Tel.: 069 242 689 0 , Fax: 069 242 689 11, e-Mail: info@k44.de. Internet: www.k44.de. (mf)