Wohin steuert HPs Netzwerkabteilung?

Procurve - John McHugh geht, und Marius Haas kommt

23.06.2008
Der plötzliche Wechsel an der Spitze von HPs Netzwerkabteilung Procurve erscheint rätselhaft. Die Nummer 2 hinter Cisco verkauft über 4.500 Reseller weltweit Netzkomponenten.

Von Wolfgang Leierseder

Mit einem plötzlichen Wechsel an der Spitze sieht sich HPs Netzwerkabteilung " ProCurve" konfrontiert. Der John McHugh, seit 16 Jahren General Manager der Netzwerkabteilung, hat das Unternehmen verlassen - und wurde mit ausgesprochen dürren Worten verabschiedet. An seine Stelle tritt Marius Haas, bis dato Senior Vice President für Strategie und Unternehmensentwicklung. Haas trägt den Titel Senior Vice President und General Manager.

Nach 16 Jahren verlies John McHugh wortlos und von HP unkommentiert die Netzwerkabteilung ProCurve.

Den Wechsel an der Spitze wollte HP nicht kommentieren. Ebensowenig Anfragen zum Umsatz und Profitabilität der 1.200 Mitarbeiter zählenden "Procurve"-Abteilung sowie einem möglichen Zusammenhang zwischen dem Kauf des IT-Dienstleisters EDS und McHugh´s Demission.

Einem amerikanischen Blogger und Marktbeobachter zufolge könnte der Kauf von EDS McHugh zur Kündigung veranlasst haben. Denn EDS hat sich bei Netzen Cisco verschrieben, und HP werde an dieser Koalition nicht rütteln. McHugh aber habe die Zukunft seiner Abteilung gefährdet beziehungsweise ignoriert gesehen.

Unabhängig davon lies Procurve, so kurz nach dem Wechsel, nicht erkennen, dass sich etwas an seiner Strategie ändern werde. Derzeit setzt der Netzwerker fast ausschließlich auf den indirekten Kanal mit rund 4.500 registrierten Wiederverkäufern weltweit. Sie werden von Distributoren wie Techdata und Ingram Micro beliefert.

Die Nummer 2 hinter Cisco

Unter McHugh´s 16jähriger Tätigkeit wuchs die anfangs belächelte, später unter anderem "Workgroup Networks Division" genannte, seit 1998 mit eigenem Vertrieb, Marketing und Support sowie Distributoren agierende Netzwerkabteilung zu einem bemerkenswerten Anbieter von Netzkomponenten heran.

Marktforschern wie Gartner und Dell´Oro zufolge kann Procurve aktuell behaupten, hinter Cisco und vor Nortel weltweit die Nummer Zwei im Switches-Geschäft (nach verkauften Ports) zu sein. Dabei erzielt der Netzwerker eigenen Angaben zufolge rund 60 Prozent seines Umsatzes in Europa.

Zwar bilanziert HP diese Abteilung bis heute nicht, doch unwidersprochen dürfte sie im letzten Geschäftsjahr rund eine Milliarde Dollar umgesetzt haben. HP versichert, die Abteilung sei seit vielen Quartalen profitabel; ein Indiz dafür findet sich in einem Schreiben HPs an die amerikanische Börsenaufsicht vom 6. Juni. Darin listet HP in der Rubrik "Corporate Investments" Umsätze von 448 Millionen Dollar und 14 Millionen Dollar Gewinn für die vergangenen sechs Monate (Ende: 30. April 2008) des laufenden Geschäftsjahres auf.

Die Entwicklung von Procurve

John McHugh war auch verantwortlich für die Einführung der sogenannte "Adaptive Networks"-Strategie von Procurve. Darunter versteht die Abteilung, in Anlehnung an HPs "Adaptive Enterprise"-Strategie, insbesondere die Möglichkeiten, via Managementfunktionen die Netzkomponenten auf Applikationsanforderungen und Datenflüsse einstellen zu können, und ferner komplexe Sicherheitsanforderungen, wie sie in heterogenen Netzen üblich sind, erfüllen zu können. Der Procurve-eigene Ansatz ist dabei, die Funktionalitäten nicht in zentralen Komponenten, sondern in den LAN-Eingangsgeräten (Edge) einzubauen.

Infolge dessen hat Procurve Software wie den "Identity Driven Manager" entwickelt, ein Werkzeug, mit dem in Unternehmensnetzen Nutzer, Geräte und Applikationen auf ihren Status und ihre Verfügbarkeit hin geprüft und administriert werden können.

Zugleich entwickelte die Abteilung auf der Grundlage eigener und deshalb durchgängig managebarer ASICs Edge- und schließlich Core-Switches, wie zum Beispiel die 9300-Serie oder den chassisbasierenden Fabric-Switch Switch "8212zl", die es dem Marktführer Cisco zunehmend schwerer machen, bei großen Projekten selbstsicher abzuräumen.

Um schließlich Produktlücken wie VoIP, Wireless-Management oder Sicherheit zu schließen, hat Procurve Allianzen mit Mitel, der Anfang dieses Jahres von Aruba gekauften Airwave, Fortinet und Sonicwall geschlossen. Zudem beherrschen die Procurve-Produkte Microsoft´s NAC-Variante Network Access Protection (NAP).

Die Verantwortung, die jetzt Marius Haas hat, ist also nicht gering. Man wird sehen, welche Netzwerk-Marschrichtung HP bei der EDS vorgibt. (wl)