Spezialisten gefragt

Projektverkauf im B2B-Bereich

08.01.2014 von Renate Oettinger
Mit 08/15-Verkaufsseminaren kommen Hersteller und Händler beim Steigern der Vertriebskraft ihrer Mitarbeiter nicht weit, sagt Peter Schreiber.
Erfahrene Praktiker und pragmatische Vertriebler sind die besten Projektverkäufer.
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?? Um Projekten und Problemlösungen an Firmenkunden zu verkaufen, ist eine spezielle operative Unterstützung der Vertriebsmitarbeiter nötig. Herr Schreiber, welche Trends beobachten Sie als Vertriebstrainer und -berater bei den Vertriebstrainings in den Unternehmen?

Peter Schreiber: Für allgemeine, persönlichkeitsentwickelnde Seminare stellen die Hersteller von Investitionsgütern kaum noch Budgets bereit. Die Unternehmen erwarten von den Vertriebstrainings eine handfeste, operative Unterstützung ihrer Mitarbeiter beim Erreichen der Vertriebs- und Unternehmensziele.

?? Stellt dies spezielle Anforderungen an die Berater und Trainer?

Schreiber: Ja, gefragt sind erfahrene Praktiker und pragmatische Vertriebs-Coaches, die die Vertriebsstrategie der Unternehmen und das Tagesgeschäft der Vertriebsmitarbeiter verstehen und mit allen am Vertriebsprozess Beteiligten sofort umsetzbare Maßnahmen herausarbeiten können.

Das Geschäft der Kunden verstehen

?? Entspricht die Ausbildung der Verkäufer noch den derzeitigen Markterfordernissen?

Schreiber: Vielfach nicht. Alle Welt spricht vom Lösungs-Verkauf. Die meisten Hersteller von Industriegütern haben aber noch viele Technik-verliebte Produkt-Verkäufer. Dabei können die Anbieter heutzutage bei ihren Kunden nur landen, wenn sie ihnen Lösungen offerieren, die ihnen helfen, in ihrem Geschäft erfolgreicher zu sein.

?? Was bedeutet das für die Ausbildung der Verkäufer?

Schreiber: Sie müssen die Prozesse der Zielkunden kennen und verstehen, um sie optimieren zu können. Das setzt gewisse persönliche und fachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten voraus - zum Beispiel ein analytisches und konzeptionelles Denken sowie betriebswirtschaftliches Know-how. Außerdem müssen die Vertriebsmitarbeiter die Methoden des strategischen Verkaufens kennen.

?? Wenn Unternehmen umstrukturieren, stellt man zuweilen fest: Bevor sie einen Mitarbeiter entlassen und ihm eine hohe Abfindung bezahlen, stecken sie ihn in den Vertrieb. Kann das funktionieren?

Schreiber: So krass habe ich das, Gott sei Dank, bisher noch nicht erlebt. Fakt ist aber: Viele Unternehmen übertragen Mitarbeitern Vertriebsaufgaben oder vertriebsunterstützende Aufgaben, die damit noch keine oder wenig Erfahrung haben. So soll zum Beispiel der Innendienst verstärkt Termine für den Außendienst machen, Angebote nachfassen und bei der Auftragsbearbeitung telefonisch Zusatzverkäufe generieren. Oder die Monteure sollen plötzlich aktiv Serviceleistungen und Wartungsverträge verkaufen. Grundsätzlich ist das eine prima Idee, wenn man es richtig angeht. Die Zauberformel heißt: Motivierend, pragmatisch und geduldig das "Wollen, Wissen, Können und Tun" fördern. Die Leute ins kalte Wasser zu werfen, ist kontraproduktiv.

Projektverkauf erfordert Spezialisten

?? Warum tun es Unternehmen trotzdem oft?

Schreiber: Dahinter steckt teilweise noch die Denke: Verkaufen kann jeder. Dabei erfordert gerade der Investitionsgüterverkauf, der meist ein Projektverkauf ist, hochqualifizierte Spezialisten. Viele Vertriebsmitarbeiter können sich bei Schönwetter im Markt behaupten, doch wenn ihnen der Wind rau ins Gesicht bläst, sind sie überfordert.

?? Wie unterstützen die Firmen dann ihre Mitarbeiter?

Schreiber: Schwarz-weiß gemalt, gibt es zwei Lager. Einerseits die Unternehmen, die ihre Mitarbeiter schon immer planvoll unterstützt haben - nicht nur mit Seminaren, sondern auch Workshops und Coachings, in denen unter anderem die Fragen bearbeitet wurden: Wie erreichen wir unsere quantitativen und qualitative Ziele? Und: Wie können wir die Vertriebskraft weiter steigern? Diese Firmen arbeiten weiterhin nach diesen Prinzipien. Sie passen ihr Handeln und Vorgehen lediglich der Marktlage an.

?? Und das zweite Lager?

Schreiber: Bilden die Unternehmen, die Marktveränderungen weitgehend unvorbereitet treffen. Sie verfallen in operative Hektik. Nachdem sie bisher wenig für die verkäuferische Qualifikation und Motivation ihrer Mitarbeiter taten, suchen sie jetzt die schnelle Lösung, den schnellen Erfolg. Das heißt, sie starten zum Beispiel kurzfristig irgendwelche Schulungsmaßnahmen, um ihr Führungsgewissen zu beruhigen und die Grundlage für anschließende, firmeninterne Schuldzuweisungen zu schaffen, gemäß dem Motto: "Jetzt haben wir alles für euch getan, aber ihr seid nicht in der Lage ." Häufig werden solche Nacht-und-Nebel-Aktionen mit Incentives, Prämien, Boni oder ähnlichen Mitarbeiterbestechungsversuchen garniert.

Coaching muss eine klare Zielsetzung haben

?? Häufig hört man seit einiger Zeit: Führungskräfte im Vertrieb sollten eine Sales- oder Vertriebscoach-Ausbildung absolvieren, damit sie ihre Mitarbeiter im Alltag optimal unterstützen können. Wie sehen Sie das?

Schreiber: Ganz pragmatisch. Grundsätzlich ist eine qualifizierte Sales- oder Vertriebscoach-Ausbildung prima. Sie kann aber das Fehlen der erforderlichen sozialen Kompetenz und eines gesunden Menschenverstands nicht kompensieren. Es gibt unter den Verkaufsleitern Naturtalente und solche, denen eine qualifizierte Sales- oder Vertriebscoach-Ausbildung hilft, ihren Führungsjob gut zu machen

?? Oft begleiten Vertriebsleiter oder Salescoachs Verkäufer zu Kundengesprächen und geben ihnen danach ein Feedback. Erhöht ein solches Training-on-the-Job wirklich die verkäuferische Kompetenz?

Schreiber: Wenn man es richtig macht: Ja. Hierfür muss das Coaching aber eine klare Zielsetzung haben, gut strukturiert und vorbereitet sein und gemäß der Maxime "hart aber herzlich" - also motivierend, partnerschaftlich und konstruktiv - durchgeführt werden. Außerdem muss durch eine entsprechende Nachbearbeitung für die gewünschte Nachhaltigkeit gesorgt werden. Ein Coachen gemäß der Maxime "Fahren Sie mit dem mal raus und sagen Sie ihm, was er falsch macht …" ist wenig Erfolg versprechend. (oe)

Herr Schreiber, danke für das Gespräch.

Das Interview mit dem Vertriebsberater Peter Schreiber (www.schreiber-training.de) führte Andreas Lutz von der PRofilBerater GmbH, Darmstadt. www.die-profilberater.de