Konkurrenz zu Adobe Lightroom?

RAW-Konverter Apple Aperture 3.0.1 (ausführlicher Test)

09.03.2010 von Mike Schelhorn
Trotz gegenteiliger Gerüchte hat Apple Aperture weiter entwickelt. Unsere Schwesterpublikation Macwelt hat getestet, ob es eine echte Konkurrenz oder Ergänzung zu Adobe Lightroom ist.

Anwender der Vorgängerversion Aperture 2 werden sich in Aperture 3, für das Apple recht schnell ein Update hinterher geschoben hat, schnell zurechtfinden. Deutlich ist aber, dass in Aperture die Vollbildansichten ausgebaut sind. Der neue Vollbild-Browser von Aperture ersetzt nicht die Leuchttisch-Darstellung. Diese gibt es weiterhin, allerdings nicht mehr als Vollbildansicht. In der Vollbildansicht kann schnell zwischen Projektübersichten, Alben, Projekten, Einzelbild- und Vergleichsansichten gewechselt werden. Die Navigation wird dabei durch eine Mediathek-Pfad-Anzeige unterstützt. Es ist so sehr einfach, gezielt von einer Vollbilddarstellung in einem Projekt zu einem Bild in einem anderen Projekt zu wechseln. Mediathek, Metadaten-Panel und Anpassungsfunktionen von Aperture sind zusätzlich in einem Head-up-Display (HUD) untergebracht und lassen sich schnell ein-und ausblenden. Schön gelöst: Hält man während einer Anpassung die Umschalt-Taste gedrückt, wird bis auf den Reger das HUD ausgeblendet. Unschön: Während der Vollbilddarstellung können wir nicht in den Finder oder in andere Programme wechseln.

Gesichter und Orte

Treffer: Anhand der Zeitdaten lässt sich hier eine Aufnahme ohne GPS-Daten auf einer von einem GPS-Tracker importierten Strecke einordnen.

Mit den neuen Funktionen zur Gesichtererkennung und zu Ortsinformationen zielt Aperture nur vordergründig auf den Hobbyanwender. Auch Profis in der Event- und Hochzeitsfotografie sollen von diesen Funktionen profitieren. Die Gesichtserkennung wird Anwendern von iPhoto 09 vertraut sein, selbst das Kork-Pinnboard als Hintergrund bei der Anzeige erkannter Gesichter hat Aperture von iPhoto übernommen (man kann diese Darstellung auch deaktivieren). Die Anzeige identifizierter Gesichter lässt sich auf Projekte, Alben oder Ordner eingrenzen. Die Gesichtserkennung scheint einer der Hauptgründe für den von einigen Anwendern im Internet beklagten Prozessorhunger von Aperture auch im schnell nachgeschobenen Update auf 3.0.1 zu sein. Auf einem der zwei Testrechner (2,19 GHz Core 2 Duo, 2 GB RAM) bremst die aktivierte Gesichtserkennung Aperture und alle anderen Systemaktivitäten so sehr aus, das wir sie zugunsten einer flüssigen Bearbeitung in den Einstellungen deaktivieren.

Ein besseres Debut gibt die Orte-Funktion: Aperture kann GPS-Daten von Digitalkameras und Geotaggern auslesen und Fotos auf einer Landkartenansicht darstellen sowie Geotracks zuordnen. Gut gelöst ist hierbei die Zusammenführung von Aufnahmen ohne GPS-Daten und geladenen GPS-Strecken. Man zieht eines der Fotos, beispielsweise vom Start einer Rundreise, auf die in Aperture angezeigte GPS-Strecke und Aperture hilft anhand Abgleich der Zeitdaten, das Foto an der richtigen Stelle der Strecke zu positionieren. Weitere Fotos aus dem Projekt werden anschließend automatisch oder per Drag-and-drop zugeordnet. Apple unterstützt die Ortsanzeige mit eigenen "Ortsnamen"-Servern und greift ansonsten auf Google Maps zu. Die Ortsnamen haben allerdings in Europa noch keine große Abdeckung. Wo Ortsnamen verfügbar sind, werden die GPS-Koordinaten in der Kartenanzeige von ihnen ersetzt (was Apple "Reverse Geocoding" nennt).

Pinsel und Gradationskurve

Die meisten der Anpassungen wie hier eine Sättigungskorrektur lassen sich nun auch per Pinsel auf Bildbereiche aufmalen.

Regionsselektive Anpassungen gehören inzwischen zum guten Ton eines Raw-Bildbearbeitungsprogramms und Apple Aperture zeigt hier wichtige Neurungen. Zum Retuschepinsel von Aperture 2 kommen in Version 3 nun etliche weiterer Pinselfunktionen hinzu - insgesamt fünfzehn Anpassungen sind auch als nicht-destruktive und nacheditierbare Pinsel anwendbar. So können nun beispielsweise selektive Farbtonanpassungen, Hautglättungen oder Detailkontrastverstärkungen mit einem Pinsel aufgemalt werden. Neben den bereits bekannten Anpassungen sind die Funktionen "Polarisieren" und "Kontrast verstärken" hinzugekommen. Sie arbeiten ähnlich wie Photoshops Füllmethoden Multiplizieren und Überlagern. Über einen aktivierbaren Kantenschutz bleiben andere Bildbereiche von den Anpassungen ausgenommen und über eine Kantenglättung lässt sich der Rand der Anpassungsauswahl nachbessern. Die Pinselanpassungen lassen sich auch auf unserem älteren Intel-Mac noch flüssig "malen", selbst wenn sie in mehreren Instanzen überlagert werden. Im Vergleich zu Lightroom 2 und wohl auch Lightroom 3 hat Aperture 3 bei Zahl und Flexibilität der Pinselanpassungen nun die Nase vorne.

Jede beliebige Kombination von Anpassungen, darunter auch Pinselanwendungen, lassen sich als Voreinstellung speichern und auf andere Bilder anwenden.

Die neuen Gradationskurven-Funktionen kommen insbesondere bei Raw-Bildern mit ihren "flexiblen" Tonwertenden und ihrem erweiterten Tonwertumfang zur Geltung. Zum einem lässt sich die Gradationskurve statt wie gewohnt mit gammakorrigierter Tonwertverteilung nun auch in einem Modus mit linearem Gamma anzeigen (was sich für Feineinstellungen am Schattenende anbietet), zum anderen gibt es eine erweiterte Kurvenansicht, bei der sich die Kurve über den sichtbaren Tonwertbereich hinaus erstreckt und man Gradationskorrekturen von jenseits des Weißpunkts steuern kann. Auch die Kurvenkorrekturen lassen sich via Pinsel gezielt auf Bildregionen aufbringen. Im Test fallen bei letzterem allerdings sporadische Darstellungsfehler in der Vollbildansicht auf.

Der dritte große Neuerungsbereich bei den Anpassungen sind die Voreinstellungen, von denen Aperture bereits über zwanzig mitliefert. Wer häufig gleiche Anpassungskombinationen anwendet, kann diese zusätzlich als Voreinstellung speichern. Bei der Anwahl einer Voreinstellung zeigt Aperture dann in einer Vorschauminiatur den Effekt am aktuellen Bild. Die Voreinstellungen lassen sich wahlweise ersetzend oder überlagernd einsetzen. Wo Anpasssungen auch als Pinsel einsetzbar sind, lassen sich auch Pinselstriche in einer Voreinstellung unterbringen. Allerdings können die Voreinstellungen nicht als Pinsel aufgemalt werden. Die bereits bekannten Anpassen-Funktionen hat Apple mit Ausnahme der Kurven nicht überarbeitet, wohl aber die komplette Raw-Engine neu programmiert. Dem Vernehmen nach soll sie bereits auf zukünftige Verzeichnungskorrekturen für Objektive vorbereitet sein.

Unterstützung für Online-Dienste, Videos, bessere Diashow und besser drucken

Unter den ausgebauten Drucken-Funktionen fallen besonders die druckspezifischen Bildanpassungen auf. Im Drucken-Dialog dient die Lupe der Überprüfung der Ausgabeschärfung.

Insgesamt weist Aperture 3 über 200 Neuerungen und Verbesserungen auf, zu denen auch das Web-Publishing nach Facebook und Flickr zählt. Das Veröffentlichen in Mobile-Me-Galerien hat nur kleine Neuerungen wie das wahlweise Hinzufügen vom Bildunterschriften. Der aktuelle Trend von Videofunktionen in DSLR-Kameras wird von Aperture berücksichtigt, indem sich nun Videos im Aperture verwalten und zur Wiedergabe, beispielsweise in Diashows, trimmen lassen. Unter den Neuerungen im stark ausgebauten Diashow-Bereich gefällt das einfache Zuweisen der Slide-Anzeigedauer am besten. Mit seinen Diashow-Exportfunktionen, beispielsweise zur HD-Videowiedergabe, zeigt sich Aperture nun gut gerüstet auch für professionelle Ansprüche bei der Präsentation. Bei den Drucken-Funktionen ist die auffälligste Neuerung eine optionale Anpassung von Helligkeit, Sättigung, Kontrast und Schärfe nur für die Druckausgabe.

Empfehlung und Bewertung

Mit Aperture 3 macht Apple den Spagat zwischen Hobbyanwendern wie Aufsteigern von iPhoto und der Bedürfnissen der Profi-Kundschaft. Beide Zielgruppen dürften von den Hauptneuerungen bei Bildorganisation und Bildanpassungen gleichermaßen profitieren. Doch Anwender mit älterer Rechnerausstattung werden schnell den Prozessorhunger von Aperture 3 zu spüren bekommen. Nach unserer Testerfahrung steigt auf weniger gut ausgestatteten Macs leider auch die Fehlerrate. Vergleichbare Software wie Adobe Lightroom zeigt sich da deutlich resourcenschonender. (Macwelt/haf)

Weitere Software-Tests:

Aperture 3

Prozessorhungriges Foto-Workflow-Programm für Hobby- und Profianwender

Apple

Preis: € 200, CHF 250; Upgrade: € 100, CHF 130

Note: 2,3 gut

Leistung (30%) 2,5

Ausstattung (30%) 2,2

Bildqualität (20%) 2,3

Handhabung (20%) 1,8

Vorzüge: Flexible Pinselanpassungen, Geodatenunterstützung, deutlich ausgebaute Diashow, schnelle Navigation

Nachteile: Hohe Hardwareanforderungen für flüssiges Arbeiten, im Test nicht erkannte Importbilder, gelegentliche Renderfehler und Abstürze auf älteren Intel-Macs

Alternative: Bibble, Capture One Pro, DxO Optics Pro, Lightroom

Ab Mac-OS X 10.5.8, 64-Bit ab Mac-OS X 10.6.2 und Intel Core 2 Duo, ab 2 GB RAM; Macwelt-Empfehlung: Mac mit Quad-Core, ab 8 GB RAM

www.apple.de/aperture